Die Schaeffler AG, ein global führender Automobil- und Industriezulieferer, steht aktuell vor großen Herausforderungen. Trotz eines starken Auftragseingangs, insbesondere in der E-Mobilität, enttäuschte das Unternehmen mit seinen Q3-Ergebnissen. Die Aktie reagierte darauf zunächst mit einem Kursverlust von 7,62 %, erholte sich gestern dann leicht. Doch am Freitagvormittag weist die Börse bereits wieder ein Kursminus von 2,31% aus. Das Management kündigte derweil umfassende Restrukturierungen an, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.
Umsatzentwicklung: Belastungen in Kernbereichen
Im dritten Quartal verzeichnete Schaeffler einen leichten Umsatzrückgang von 1,1 % auf 3,96 Milliarden EUR, der besonders auf schwache Ergebnisse im Industriesegment sowie in Teilen des Automotive-Bereichs zurückzuführen ist. Die Automobilsparte, vor allem im Bereich E-Mobilität, konnte mit einem währungsbereinigten Wachstum von 10,7 % zwar wichtige Fortschritte vorweisen. Dennoch blieb der Bereich unter Druck, da die Kosten für den Hochlauf neuer E-Mobilitätsprojekte die Profitabilität belasteten.
Restrukturierungsmaßnahmen: „Program Forward“ angekündigt
Angesichts des anhaltenden Margendrucks und der schwachen Marktbedingungen wurde das Maßnahmenpaket „Program Forward“ eingeführt. Dieses Programm, das bis Ende 2029 Einsparungen von 290 Millionen Euro jährlich bringen soll, sieht einen Abbau von etwa 4.700 Stellen in Europa vor, davon rund 2.800 in Deutschland. Neben der Realisierung von Synergien aus der Fusion mit Vitesco stehen dabei auch Standortschließungen und Konsolidierungen im Mittelpunkt. Vor allem die Sparte Bearings & Industrial Solutions soll durch Kosteneinsparungen und Produktionsanpassungen wieder profitabler werden.
Finanzielle Herausforderungen und Free Cash Flow
Die EBIT-Marge von Schaeffler sank im dritten Quartal auf 4,7 % (Vorjahr: 8,4 %), was die strukturellen Probleme im Industriebereich widerspiegelt. Positiv zu vermerken ist jedoch der Free Cash Flow, der trotz der Belastungen durch die Integration von Vitesco und steigende Finanzierungskosten mit 188 Millionen EUR im Vergleich zum Vorjahr stabil blieb. Schaeffler plant zudem, die Dividendenstrategie für 2024 mit einer Ausschüttungsquote von 40 bis 60 % zu beibehalten. Salopp ausgedrückt: Die Anleger sollen also bei Laune gehalten werden, solange die Umbaumaßnahmen noch laufen.
Segmentanalyse: Automotive und Industrie im Fokus
Die Sparte Automotive Technologies zeigte zwar eine Outperformance von 1,8 Prozentpunkten gegenüber dem Markt, bleibt jedoch durch die erhöhten Produktionskosten und die Volatilität in der Nachfrage im Verbrennungsmotorenbereich belastet. Die für 2024 erwartete Vollintegration von Vitesco soll jedoch zukünftig Synergien ermöglichen und die Wettbewerbsposition im Bereich E-Mobilität stärken. Der Auftragseingang im E-Mobilitätsbereich übertraf bereits die Zielspanne für das Gesamtjahr deutlich, was die strategische Bedeutung dieses Segments untermauert.
Im Segment Bearings & Industrial Solutions hingegen setzte sich der Negativtrend fort. Das währungsbereinigte Umsatzminus von 5 % und die fallende EBIT-Marge zeigen die strukturellen Schwächen in einem von schwacher Nachfrage und Preisdruck geprägten Marktumfeld. In Regionen wie Europa und China führt die Schwäche im Bereich Windenergie sowie die Konkurrenzsituation zu Umsatzverlusten. Der Vorstand plant daher umfassende Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung und Kostenoptimierung in dieser Sparte.
Positive Ausblicke im Aftermarket-Segment
Ein Lichtblick bleibt das Segment Vehicle Lifetime Solutions, das zweistelliges Umsatzwachstum von 16,1 % und eine EBIT-Marge von 17,1 % verzeichnen konnte. Insbesondere der Independent Aftermarket in Amerika und Europa sowie der E-Commerce-Markt in China trugen zu dieser Entwicklung bei. Diese Sparte bestätigt die Diversifikationsstrategie von Schaeffler und stützt das Unternehmen in einem schwankenden Gesamtmarkt.
Schaeffler Aktie Chart
Analystenreaktionen und Ausblick
Die Analysten zeigten sich nach den Quartalszahlen überwiegend vorsichtig. JPMorgan und UBS blieben bei ihrer neutralen Bewertung und betonten die Herausforderungen durch die Restrukturierungskosten und die schwachen Ergebnisse im Industriebereich. Die Deutsche Bank und die DZ Bank hoben jedoch das Potenzial an, das durch den soliden Auftragsbestand und die Restrukturierungsmaßnahmen in den kommenden Quartalen freigesetzt werden könnte.
Schaeffler steht mit „Program Forward“ vor einem einschneidenden Wandel. Das Unternehmen zeigt sich bereit, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, um langfristig gestärkt aus den aktuellen Herausforderungen hervorzugehen. Natürlich sorgen Stellenstreichungen zunächst für jede Menge negativer Schlagzeilen. Doch aus unternehmerische Sicht sind solch schmerzhafte Einschnitte zuweilen vonnöten, um die Überlebensfähigkeit zu gewährleisten. Der Aktienmarkt wird genau diesen Punkt mittelfristig bewerten, wie gut dies dem Management gelingt.
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