Russische Aktien zu kaufen, ist kein Buch mit sieben Siegeln

Liebe Leser,

in der vergangenen Woche hatte ich bereits einige Besonderheiten des russischen Aktienmarktes thematisiert. Heute möchte ich Sie auf weitere Punkte aufmerksam machen, die ein Anleger beachten sollte.

Eine der scheinbar banalsten Fragen ist die, wo man die russischen Aktien am besten kauft, denn nur die wenigsten Broker in Deutschland bieten Ihnen einen Zugang zur Börse in Moskau. Dort zu handeln, hat aber mehrere Vorteile, vor allem, weil die Alternativen mit entsprechenden Nachteilen behaftet sind.

Um das Ganze etwas plastischer zu machen, spielen wir heute gedanklich den Fall durch, dass ein Anleger die Gazprom Aktie kaufen möchte. Für uns Dividendenjäger ist das beileibe keine abwegige Idee, denn erst im letzten Monat hat der Konzern sich dem Druck des Kreml gebeugt und bekanntgegeben, dass die Dividende in Zukunft bei 50 Prozent des Nettogewinns liegen wird.

In der Vergangenheit lag das Verhältnis deutlich niedriger und schon damals war Gazprom ein dividendenstarkes Investment. Seit Anfang Januar pendelte die Aktie an der Börse in Moskau um die Marke von 230,00 Rubel. In den letzten Tagen hat der Kurs jedoch deutlich angezogen, sodass am Freitag in Moskau Kurse um 241,00 Rubel gestellt wurden.

Die nächste Ausschüttung wird am 13. Juli erfolgen. Es werden 15,24 Rubel ausgeschüttet, was bedeutet, dass ein Anleger, der zum Durchschnittskurs der letzten Monate von 230,00 Rubel gekauft hat, allein im Juli eine Dividendenrendite von 6,6 Prozent erzielen wird. Bezogen auf den Kurs vom Freitag liegt die Dividendenrendite „nur noch“ bei 6,3 Prozent.

Direkt oder indirekt in Gazprom investieren?

In der Regel schüttet der Konzern allerdings zweimal im Jahr eine Dividende aus, sodass die Gesamtdividendenrendite für das laufende Jahr je nach Höhe der Zahlung für das zweite Halbjahr durchaus zweistellig sein könnte. Anders als bei den meisten amerikanischen Quartalsdividenden kommen aber immer wieder unterschiedliche Beträge zur Ausschüttung. Wer die Julizahlung einfach verdoppelt, dürfte die 2021er Gesamtdividende daher vermutlich etwas zu hoch ansetzen.

Sie können sich als Anleger an Gazprom entweder direkt beteiligen, dann kaufen Sie an der Börse in Moskau die Originalaktie mit dem Kürzel (GAZP). Alternativ können Sie sich indirekt über den Kauf eines ADRs beteiligen. American Depositary Receipts, kurz ADRs genannt, sind von US-Banken herausgegebene Hinterlegungsscheine. Sie können eine oder mehrere Originalaktien zusammenfassen und werden an der Börse wie eine Aktie gehandelt.

Die Gazprom ADRs (GAZ) können Sie auch in Frankfurt oder New York kaufen. Damit greifen aber auch das US-Steuerrecht und andere amerikanische Rechtsvorschriften. Im Dezember 2020, als US-Präsident chinesische Firmen von den US-Börsen ausschließen wollte, konnte man sehen, was passiert, wenn der Handel mit den hinterlegten Wertpapieren plötzlich vom einen auf den anderen Tag beendet wird.

Die Kurse von Alibaba, Tencent und Co. fielen ins Bodenlose, weil alle Amerikaner, vom Weißen Haus aufgeschreckt, aus den ADRs flüchteten. Sie mussten verkaufen, weil ansonsten die Aussetzung vom Handel gedroht hätte und ein späterer Verkauf nicht mehr möglich gewesen wäre. Dass es am Ende anders kam, ist eine der typischen Donald-Trump-Kapriolen.

Doch das Beispiel zeigt, was passieren kann, wenn das scharfe Schwert der Sanktionen wieder einmal aus der Scheide gezogen wird. Auch in Hongkong fielen im Dezember die Kurse, doch die Kursausschläge waren erstens geringer und wer als Anleger zweitens zuvor dort und nicht in New York gekauft hatte, der konnte dem hektischen Treiben in diesen angespannten Tagen wesentlich gelassener zuschauen.

Lieber das Original als das ADR

Ein weiterer Grund, warum ich die Originalaktie einem ADR immer vorziehen würde, ist die Dividende. Sie gibt es beim ADR immer mit einem gewissen Zeitverzug, in der Regel ein Monat. Außerdem halten die US-Depotbanken für ihre Dienstleistungen gerne die Hände auf und kassieren eine Gebühr. Drei oder fünf US-Dollar Gebühr mögen im ersten Moment als nicht viel Geld erscheinen, doch wenn die ausgezahlte Dividende aufgrund einer kleineren Positionsgröße nur 15 bis 20 US-Dollar ausmacht, fallen auch diese vermeintlich kleinen Beträge am Ende durchaus ins Gewicht, denn sie werden nicht nur einmalig, sondern bei jeder Dividendenausschüttung immer wieder neu fällig.

Bei der Originalaktie hat man diese Probleme nicht. Die Dividende wird schneller gezahlt und kann vom Anleger abzüglich der Quellen- und Kapitalertragssteuer vollständig vereinnahmt werden. Deutlich geringer ist auch die Gefahr eines Delistings. Zwar werden auch in Russland immer wieder Firmen von der Börse genommen, wenn diese wie beispielsweise 2020 Highland Gold Mining von Oligarchen vollständig übernommen werden. Doch zumindest den Launen einer US-Depotbank ist man als Anleger an dieser Stelle nicht ausgeliefert.

Bleibt noch das Risiko der Sanktionen. Mit ihm ist gerade im Fall von Russland immer zu rechnen. Werden Sanktionen ausgesprochen, fallen selbstverständlich auch die Kurse in Moskau. Allerdings bleiben die Aktien weiter handelbar. Für antizyklisch agierende Anleger, die diese Drucksituationen als Chancen begreifen und dann bevorzugt einsteigen, ist dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Bleibt zum Schluss noch die Frage, welche Broker einen direkten und vor allem kostengünstigen Zugang zur Börse in Moskau anbieten. Nun, viele sind es nicht, aber einige sind zumindest in Europa bzw. im deutschsprachigen Raum angesiedelt und damit auch für uns gut nutzbar. Zu nennen sind hier die zu IB Broker gehörenden deutschsprachigen Ableger CapTrader und Lynx Broker, Exante auf Malta sowie Banx Broker und Freedom Finance.

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