Liebe Leser,
etwas ungewöhnlich vielleicht – aber in Vorbereitung auf die kommende Handelswoche möchte ich über eine Investition in ein konkretes Unternehmen nachdenken: Wirecard. An dem Unternehmen zeigt sich, wie Sie Ihr Kapital künftig schneller als andere vermehren – oder aber auch vernichten können. Es ist aus meiner Sicht ein Paradebeispiel dafür, wie es richtig geht…
Hedgefonds beginnen zu wetten
Wer von den wirtschaftlichen Kräften profitieren möchte, muss – so schreibe ich es stets -, in Beteiligungen von Unternehmen investieren, die ihrerseits den Markt über Jahre beherrschen. Sie sollten ihre Kunden kennen, sie sollten ihre Beschaffungsbedingungen unabhängig von staatlichen Rahmenbedingungen gestalten können und sie sollten auch im Absatz ihrer Produkte weitgehend unabhängig von der Politik agieren können. All dies könnte auf Wirecard zutreffen, einen der Boomwerte der vergangenen Jahre. Ein Zahlungsdienstleister, der in der Abwicklung von Finanzvorgängen hilft und beschleunigt.
Wirecard ist in den vergangenen Wochen kräftig abgestürzt. Das Unternehmen hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG damit beauftragt, ein bilanzielles Problem – die Financial Times sprach sinngemäß eher von Unregelmäßigkeiten – aufzuklären. In der Bilanz früherer Jahre wurden Umsätze mit Drittanbietern verbucht, die es so gar nicht gegeben haben soll, so der Vorwurf. Die KPMG hat diesen Vorgang am Ende nicht abschließend beurteilen können, da der Drittanbieter die Daten verweigerte.
Wirecard sah in der ansonsten als ordentlich testierten Bilanz insgesamt damit eine Bestätigung dessen, was das Unternehmen vorab propagiert hatte: Die vorgeblichen Fehler seien nicht gefunden worden, da die KPMG ja ein Urteil zu diesen Punkten nicht abgeben wollte. Eine erstaunliche Interpretation, die a) zu dem weiteren Kursabsturz führte, b) zu neuen Investitionen in Short-Positionen auf diese Aktie durch Hedgefonds und c) mich zum eigentlichen Punkt der Gedanken führt:
Der Markt funktioniert dauerhaft vor allem deshalb, weil der Handel Kooperation erfordert. A und B müssen, wenn sie freiwillig handeln, wohl oder übel miteinander übereinkommen. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, hat der Professor für Medienwissenschaften Norbert Bolz in einer bemerkenswerten Arbeit sinngemäß als größte Friedensgarantie bezeichnet. Das aber setzt wiederum Vertrauen voraus.
Wirecard hat unabhängig davon, ob die Bilanz am Ende in dem bewussten Punkt manipuliert wurde oder nicht, im gesamten Umgang mit diesem Problem (und vielen anderen Meldungen bis hin zur jüngst erneut verschobenen Hauptversammlung) Vertrauen verspielt. Schon deshalb würde ich für längere Sicht auf keinen Fall in das Unternehmen Wirecard investieren. Möglicherweise steigt der Kurs, möglicherweise auch stark – doch das Unternehmen kommuniziert mit seinen Eigentümern und potenziellen Eigentümern (Aktionären) einfach schlecht.
Deshalb sind die Chancen eines solchen Unternehmens für mich nicht kalkulierbar. Wer macht es besser? Sehr gut jedenfalls macht es Warren Buffett, der kürzlich die virtuelle Hauptversammlung von Berkshire Hathaway leitete. Vielleicht hat Warren Buffett nicht immer die spektakulärsten Zocker-Unternehmen im Depot von Berkshire Hathaway. Seit vielen Jahrzehnten aber schlägt er mit Berkshire Hathaway den Markt – und erzählt in Anlegerbriefen und auf der jährlichen Hauptversammlung, warum dies gelingt. Wenn Sie auch in unsicheren Zeiten investieren möchten: Berkshire Hathaway, hier die B-Aktie, lohnt sich immer.
Mit freundlichen Grüßen,