Wenn anlagewütige Investoren in die Immobilien drängen als sei dies der einzige Weg zu Kapitalerhalt und angemessener Rendite, dann geben sie damit ungewollt unseren Politikern eine Steilvorlage, die diese garantiert nutzen werden. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, doch die Zeit ist an dieser Stelle nicht das große Problem, denn Immobilien sind, wie ihr Name schon sagt, immobil.
An dieser Stelle wird einer der großen Vorteile der Immobilien sehr schnell zu einem handfesten Nachteil. Als Investor ist man in ihnen gefangen, vor allem dann, wenn ein schneller Wechsel der Anlageform angebracht wäre. Dieser ist mit Immobilien nicht darstellbar, da der Verkauf je nach Objekt und Lage auf dem Immobilienmarkt sehr leicht ein halbes Jahr oder länger in Anspruch nehmen kann.
In den Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mussten die Deutschen schon einmal die Erfahrung machen, dass ihre Traumhäuser sehr leicht zu einer Gefahr und für den Eigentümer zu einem Klotz am Bein werden können, wenn ein überschuldeter, chronisch unterfinanzierter Staat nach ihnen greift.
Was heute oftmals liebevoll Betongold genannt wird, war 1919 für die junge Weimarer Republik finanziell der letzte Rettungsanker. Nach ihm griff Finanzminister Matthias Erzberger, als er am 31. Dezember 1919 das Reichsnotopfergesetz (RNOG, RGBl. 1919, S. 2189) auf den Weg brachte. Es war nach dem verlorenen Krieg der letzte Totalangriff, der des Staates auf das verbliebene Vermögen der Deutschen.
In der Not greift der Staat nach jedem Strohhalm
Das Reichsnotopfergesetz war eine Vermögenssteuer. Es umfasste natürliche und juristische Personen gleichermaßen, wenn ihr Vermögen den Freibetrag von 5.000 Reichsmark bzw. 10.000 RM für Verheiratete überstieg. Zum Vermögen zählte alles, was die Bürger angesammelt hatten, Bargeld, Bankguthaben, Forderungen aller Art, Wertpapiere, Aktien, Anleihen, Immobilien und die Maschinen der Firmen. Der staatliche Zugriff war so total, dass er Sach- und Realvermögen gleichermaßen erfasste und progressiv besteuerte. Die Steuersätze starteten bei 10 Prozent und stiegen bis 65 Prozent, wenn das Vermögen des Steuerzahlers mehr als zwei Millionen Reichsmark umfasste.
Das Reichsnotopfergesetz war aus mehreren Gründen eine Katastrophe. Es nahm den normalen Bürgern, die ihr Kapital nicht ins Ausland hatten transferieren können, nicht nur einen großen Teil ihres Besitzes, sondern verschärfte die sozialen Spannungen, weil die Kluft zwischen Arm und Reich noch einmal massiv vergrößert wurde. Was die staatliche Steuer übrig ließ, fraß wenige Jahre später die Hyperinflation. Beides bereitete zusammen mit der Weltwirtschaftskrise am Ende des Jahrzehnts den Boden, auf dem die nationalsozialistische Machtübernahme in den Jahren 1930 bis 1933 gelingen konnte.
Die sprunghaft steigende Geldentwertung machte bis 1922 mehrere Novellierungen notwendig. Die Höchstsätze wurden angepasst und es wurde versucht, das Gesetz gerechter zu gestalten. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Kind längst unrettbar in den Brunnen gefallen. Der Grund lag darin, dass die Steuersätze für die kleineren Vermögen von ihren Besitzern meist sofort mit noch relativ werthaltigem Geld bezahlt worden waren, während den Immobilien- und Fabrikbesitzern verzinste Teilzahlungen eingeräumt wurden. Ihre Abgabenlast wurde über 30 Jahre gestreckt, im Fall der Grund- und Immobilienbesitzer sogar auf 50 Jahre.
Die sprunghaft steigenden Preise führten zu absurden Situationen. Steuerbescheide waren in dem Moment, in dem sie mühsam errechnet und ausgefertigt waren, schon wieder veraltet, weil sich der Kurs der Reichsmark zum US-Dollar, Britischen Pfund und Gold inzwischen deutlich ermäßigt hatte. Die Reichen, die einen Teil ihres Geldes ins Ausland transferiert hatten oder denen der Staat längere Zahlungsziele eingeräumt hatte, konnten selbst die höchsten Steuersätze quasi aus der Portokasse bezahlen. Geblutet hatte wieder einmal der kleine Mann. Ihm nahm man viel von dem Wenigen, das er angespart hatte, während die, die ohnehin schon viel hatten, mit kleineren Abgaben relativ glimpflich davon kamen.
Kann man es den Menschen vor diesem Hintergrund verdenken, dass 1932 auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise die Wahlplakate der NSDAP mit dem Slogan „Unsere letzte Hoffnung Hitler“ auf viele Wähler eine große Anziehungskraft ausübten?
Der Staat reagiert mit Hauszins- und Vermögenssteuer
War das Reichsnotopfer zunächst als eine einmalige Vermögensabgabe konzipiert worden, so machten die Umstände bei seiner Einführung schnell ein Umdenken der Regierung erforderlich. Schon 1922, also gut zwei Jahre vor dem Höhepunkt der Inflation wurde das Gesetz aufgegeben und durch die erst 1996 abgeschaffte Vermögenssteuer als jährliche Abgabe ersetzt. Die deutsche Regierung war nicht die einzige, die versuchte, mit immer verzweifelteren Maßnahmen Geld in ihre leeren Kassen zu spülen. In Österreich wurde der gleiche Weg beschritten. Auch hier wurde zur Sanierung des Haushalts ein staatliches Notopfer erhoben. Es scheiterte ebenso wie das Notopfer im Reich.
Weil sich in der Hyperinflation der Jahre 1923/24 Hypothekendarlehen quasi über Nacht entwertet hatten, versuchte der Weimarer Staat mit der neuen Hauszinssteuer gegenzusteuern. Das Grundeigentum der nun fast vollständig entschuldeten Besitzer von Immobilien und Grundstücken wurde mit einer Zwangsabgabe belastet.
Die Hauszinssteuer wurde von 1924 bis 1942 auf Länderebene erhoben. Ihr Ziel war es, Vermögensgewinne, die durch die Hyperinflation und die nachfolgende Währungsreform entstanden waren, wieder abzuschöpfen. Sie galt für alle Immobilienkäufe vor Juli 1918 und war damit der Vorläufer des nach dem Zweiten Weltkriegs eingeführten Lastenausgleichs. Er ist eine bleibende Mahnung an all jene, welche die Hoffnung haben, ihre Hypotheken durch eine zukünftige Inflation preiswert entschulden zu können. Mit ihm werden wir uns im nächsten Börsenausblick beschäftigen.