Liebe Leserinnen und Leser,
Sie haben wahrscheinlich schon von Nio Inc. gehört, einem Pionier auf dem chinesischen Markt für Premium-Elektrofahrzeuge – wohlgemerkt, dem größten EV-Markt der Welt. NIO wurde im Jahr 2014 gegründet und ist Chinas führender Herausforderer von Tesla. Es ist eines von über 30 EV Startups in China.
Bevor Sie sich überlegen in dieses Unternehmen zu investieren, schlage ich vor, dass wir uns ein wenig Zeit nehmen das Top-Management und Ihre Visionen zu verstehen.
Chinas Elon Musk
Der CEO und Gründer von NIO ist William Li. Er wird als der Elon Musk von China bezeichnet, und das aus sehr guten Gründen. Wie Musk hat er zahlreiche Unternehmen in der Internet- und Automobilbranche mitgegründet und in sie investiert.
Aber im Gegensatz zu Musk spricht er nicht fließend Englisch. Die Arbeitssprache von Li ist Mandarin. Das ist kein Problem, aber eher eine kleine Herausforderung. Insbesondere weil Marketing und Kommunikation in der Elektroautoindustrie sehr wichtig geworden sind.
CEOs müssen in der Lage sein, mit Nutzern über Online- und Offline-Kanäle kontinuierlich in Kontakt zu treten, und zwar auf eine Art und Weise, die für Autohersteller wie Daimler, BMW und VW unüblich ist.
Zumindest in Amerika und Europa könnte dies NIOs Fähigkeit aufhalten, notwendige Finanzierungen zu sichern, qualifizierte Mitarbeiter anzuziehen sowie solide Partnerschaften mit Fertigungspartnern und Zulieferern zu pflegen.
Hier muss ich allerdings hinzufügen, dass Herr Li sich dessen sehr bewusst ist. Er spricht ehrlich und offen über diese Herausforderung.
In einem Interview mit Bloomberg Technology im Jahr 2019 erklärt Li in Mandarin, dass die Investoren den langfristigen Wert von NIO noch nicht verstanden haben. Und ich denke, dass viele Stakeholder aufgrund von Sprachbarrieren Schwierigkeiten haben werden, seine Genialität zu begreifen.
Mit einer englischen Übersetzung lässt sich zum Beispiel ableiten, dass Ihr chinesischer Name, Weilai (蔚来), „Blue Sky Coming“ bedeutet. Tatsächlich steckt das Mission Statement, eine umweltfreundlichere Zukunft zu schaffen, schon im Firmennamen. Sehr clever, wenn Sie mich fragen – werden das Kunden allerdings auf anhieb verstehen?
Eine neue Zeit braucht neue Antworten.
Li bezeichnet die Frage:
Was bedeuten die Produkte und Dienstleistungen von NIO, sowie die NIO-Community, für die Kunden in den USA und in Europa? als eines der wichtigsten Fragen für NIOs Zukunft. In der Tat, wie Li diese Frage beantworten wird, könnte über NIOs langfristigen Erfolg entscheiden.
Um eine Community aufzubauen hat NIO bisher schicke Showrooms eingerichtet, die gleichzeitig als Bibliotheken, Cafés und gemeinsame Büroräume dienen (manchmal direkt gegenüber von Tesla-Showrooms).
Aber dies ist nicht wirklich eine nachhaltige Strategie, insbesondere nicht während eines Lockdowns, wenn niemand sie besuchen darf und es Geld kostet, sie aufrechtzuerhalten.
Li beschwichtigt Investoren damit, dass sein Unternehmen nicht mehr als ein Jahrzehnt brauchen wird, um Gewinne zu erzielen (Tesla hat 16 Jahre gebraucht, um profitabel zu sein).
Er vergleicht seine Firma mit einem Kleinkind: Einem 4- oder 5-jährigen kann man schließlich nicht zumuten schon Geld zu verdienen. Stimmt. Management-Experten sagen gerne dazu, dass in den ersten vier Jahren nach der Gründung kein Unternehmen Gewinne produziert. Selbst Mozart hat erst mit vier Jahren angefangen, Musik zu schreiben.
Die Quintessenz
Insofern sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, NIO als eine langfristige Investition betrachten. Es ist eine riskante Investition, nicht weil das Top-Management unfähig oder unehrlich ist (das Gegenteil ist der Fall), sondern weil sich der Markt für Elektrofahrzeuge bisher als schwierig und „Englisch“ erweist.
Zeitschriften wie The Economist erzählen freimütig, dass NIO keinen eindeutigen Paten in der chinesischen Regierung hat. Es konkurriert mit einer Reihe von EV-Startups, wie Byton und Xpeng um Finanzierung.
Es gibt keine Garantie, ob überhaupt alle von ihnen überleben werden. Außerdem können ausländische EV-Konkurrenten, wie Tesla, jetzt eine Fabrik in Shanghai ohne einen Joint-Venture-Partner bauen.
Das allein verschärft den Wettbewerb und reduziert ihren Preisvorteil. Dies ist eine Folge des Versprechens von Präsident Xi Jingping aus dem Jahr 2018, Chinas Wirtschaft weiter zu öffnen und Importzölle auf Produkte zu senken.
Die Quintessenz ist diese: Das Management hinter dem chinesischen Tesla ist fähig und hat eine große Vision. Nicht umsonst gehört der in Edinburgh ansässige Fondsmanager Baillie Gifford zu den Aktionären (Baillie Gifford ist der größte institutionelle Investor in Tesla).
Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sowohl der chinesische als auch der englische EV-Markt stark durchwachsen ist. Top-Management braucht eine einzigartige Strategie, um den Markt zu durchdringen. Es könnte noch eine ganze Weile dauern, bis das Unternehmen ein Stern am Himmel wird – wenn überhaupt.
Disclaimer: Finanztrends weist daraufhin, dass es sich hierbei um keine Anlageberatung handelt und der hier dargestellte Text lediglich die Meinungen des Autors darstellt. Jegliche Investitionsentscheidung muss durch den/die Leser*in selbst getroffen werden.
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