Liebe Leserin, Lieber Leser,
bei der derzeitigen Verfassung vieler Wasserstoff-Aktien kann es schon mal vorkommen, dass mancher Beobachter vom Glauben abfällt. Das Versprechen der großen Wasserstoff-Revolution konnte noch immer nicht eingelöst werden. Stattdessen werden Zweifel lauter, ob sich die milliardenschweren Investitionen in das Segment überhaupt jemals auszahlen werden. Doch nicht nur der Autor dieser Zeilen kann sich seinen Optimismus bewahren. Auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard gab laut einem Bericht der Nachrichtenagentur „dpa“ kürzlich zum Besten, dass sie von grünem Wasserstoff „überzeugt“ sei.
Bis heute erlebe sie, dass es bei Projekten wie dem Norddeutschen Reallabor (NRL) „Unkenrufe“ gebe. Dennoch hält die SPD-Politikerin Wasserstoff für den richtigen Weg bei der Dekarbonisierung und verweist auf ambitionierte Ziele. So soll das NRL dazu beitragen, bis zu 350.000 Tonnen CO2 einzusparen und eine Elektrolysekapazität von bis zu 42 Megawatt ermöglichen. Das klingt hübsch, ist für Anleger aber freilich nicht unbedingt etwas Neues.
Toyota und BMW bleiben Wasserstoff treu
Schöne Worte aus der Politik gibt es bei Wasserstoff immer wieder zu vernehmen. Doch versehen sind sie viel zu häufig mit Formulierungen wie „bis zu“, „in einigen Jahren“ und dergleichen mehr. Allzu konkret möchte aber niemand werden, was ein Stück weit auch nachvollziehbar ist. Schließlich gibt es etliche Fragezeichen und kaum ein politischer Akteur möchte den Wählerinnen und Wählern etwas versprechen, was am Ende nicht auch eingehalten werden kann. Gleichwohl würde man sich gerade an der Börse ein bisschen mehr Tatendrang wünschen.
Das gilt auch mit Blick auf Unternehmen aus dem Sektor, die ihre Versprechen aus der Vergangenheit oftmals nicht in die Tat umsetzen konnten. Dennoch tut es gut, wenn große Player sich offen zu Wasserstoff und damit verbundenen Chancen bekennen. So richtig ist dies im Falle von Toyota und BMW zuletzt nicht geschehen. Zumindest gerüchteweise scheinen die beiden Unternehmen aber an Wasserstoff-Autos festzuhalten und wollen diesbezüglich wohl eine bereits bestehende Partnerschaft ausbauen.
Toyota Aktie Chart
Mehr Wasserstoff-Komponenten für BMW?
Dies will das Wirtschaftsmagazin „Nikkei Asia“ in Erfahrung gebracht haben und verweist dazu auf Insider. Jenen zufolge soll der japanische Autobauer seinen bayrischen Kollegen wohl noch mehr Komponenten für Wasserstoff-Autos liefern, darunter etwa Brennstoffzellenmodule. Letztere sollen dann „in einigen Jahren“ in die Serienfertigungen gehen, und da findet sich schon wieder ein solche vage und an den Märkten unliebsame Formulieren.
Vielleicht wird sich das aber in den nächsten Wochen noch ändern, denn erwartet wird eine offizielle Ankündigung über die erweiterte Partnerschaft für Anfang September. Für den Moment halten sich Toyota und BMW bedeckt. Keines der beiden Unternehmen wollte die Gerücht kommentieren. Damit gibt es weder eine Bestätigung noch ein klares Dementi.
Bei Nel ASA wird das Eis dünner
Während hier und dort immerhin diskutiert und gehofft wird, scheint sich bei der Aktie von Nel ASA nur noch wenig bis überhaupt nichts mehr zu tun. Seit fast vier Wochen beobachten die Anteilseigner nun, wie der Titel sich bei etwa 0,46 Euro festbeißt. Im Chart scheinen negative Indikatoren dabei immer präsenter zu werden. Heute Morgen ging es leicht bis auf 0,45 Euro in die Tiefe. Das ist kein Beinbruch, aber das Eis wird definitiv dünner und einem Test des 52-Wochen-Tiefs bei 0,37 Euro steht leider nur wenig im Weg.
Die aufregendste Neuigkeit stammt derzeit von der ehemaligen Tochter Everfuel, welche ein vergleichsweise großzügiges Übernahmeangebot erhalten hat. Der Aktienkurs legte in der Folge um rund 50 Prozent bis auf 1,08 Euro zu. Wie zu erwarten war, scheint das Papier hier nun aber festgefroren zu sein. Am Freitagmorgen gab es bei Everfuel kaum noch Bewegung zu sehen.
Plug Power bleibt abtriebslos
Ein recht ähnliches Bild zeigt sich bei Plug Power, nur eben ohne vorherigen Kurssprung. Stattdessen mussten die Anteilseigner jüngst den Sturz unter 2 US-Dollar verkraften, von dem das Papier sich auch nicht erholen zu wollen scheint. Am Freitag standen per Handelsschluss 1,94 Dollar auf dem Ticker und damit genauso viel wie tags zuvor. Lediglich nachbörslich konnte der Titel um 1,5 Prozent zulegen, was aus technischer Sicht aber nicht weiter ins Gewicht fällt.
Mit Enttäuschungen und leeren Versprechen kennt Plug Power sich bestens aus. Zwar hält das Management sich erfreulicherweise seit einiger Zeit zurück, wenn es um abenteuerliche bis unmögliche Zukunftsprognosen geht. Doch eine Kombination von nicht eingehaltenen Prognosen und enttäuschenden Zahlen hat viel Vertrauen zerstört. Dieses zurückzugewinnen, könnte sich als eine wahre Mammutaufgabe entpuppen.
Wer wird Recht behalten?
Die Diskussionen um Wasserstoff werden wohl noch sehr lange weitergehen und wer am Ende Recht behalten mag, das wird sich erst im Nachhinein feststellen lassen. Trotz aller vorhandenen Chancen ist es aber eben so, dass die Befürworter momentan ein wenig in der Bringschuld sind. Sowohl Politik als auch Wirtschaft sind gefragt, bei ihren Investitionen in Wasserstoff das Tempo deutlich zu erhöhen. Denn ohne beherzte Fortschritte bleibt es bei viel zu hohen Preisen, kaum vorhandenen Kapazitäten für grünen Wasserstoff und einem insgesamt traurigen Bild. Skeptiker haben es da nicht schwer, sich Argumente für ein mögliches Scheitern aus dem Ärmel zu schütteln. Trösten kann das Pro-Lager sich vielleicht damit, dass auch das Flugzeug, Automobile und selbst das Internet während ihrer Anfänge offen angezweifelt wurden. Doch die Kurse von Wasserstoff-Aktien bewegen solche Anekdoten auch nicht in die Höhe.
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