Liebe Leserin, Lieber Leser,
bei Wasserstoff-Aktien zeigt sich aktuell ein bunt gemischtes Bild, bei dem von großer Freude bis hin zu nagender Skepsis alles dabei ist. Irgendwo dazwischen dürfte der Autobauer Stellantis liegen, der kürzlich den bereits Anfang September angekündigten Transporter Movano in einer Wasserstoff-Variante genauer vorstellte. Völlig neu ist die Fahrzeugkategorie für die Tochter Opel nicht. Es werden aber zahlreiche Verbesserungen angekündigt, und das nicht nur im Vergleich zu anderen Wasserstoff-Gefährten.
Selbstbewusst weist Opel auch auf Vorzüge gegenüber der rein elektrischen Variante des Movano hin. Deren Reichweite soll mit Wasserstoff-Antrieb um 80 km übertroffen werden und so bei bis zu 500 km nach WLTP liegen. Noch dazu wird versprochen, dass das Füllen des Tanks in nur wenigen Minuten und damit sehr viel schneller als das Aufladen eines leeren Akkus möglich sei. Weniger als fünf Minuten sollen für einen Betankungsvorgang ausreichen.
Stellantis Aktie Chart
ThyssenKrupp: Ein böses Omen?
Damit das funktioniert, braucht es allerdings natürlich eine Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe und damit weitreichende Fortschritte beim bisher eher schleppenden Hochlauf der Wasserstoff-Industrie. Ob es damit in absehbarer Zeit noch etwas wird, daran scheinen einige Beobachter so ihre Zweifel zu haben. Für schlechte Stimmung sorgt aktuell, dass bei Thyssenkrupp der Bau eines grünen Stahlwerks in Duisburg wohl teurer als ursprünglich gedacht werden wird. Der Konzern geht zwar nach eigener Aussage noch davon aus, dass das Projekt gestemmt werden kann. Wie teuer es letztlich werden wird und ob sich am Zeitplan etwas ändert, wurde aber nicht en Detail besprochen.
Schon kleine Verzögerungen bei dem Mammutprojekt könnten weitreichende Folgen nach sich ziehen, da damit einer der größten Abnehmer von grünem Wasserstoff in Deutschland auszufallen droht. Der Energieökonom Graham Weale von der Ruhr Universität Bochum warnt davor, dass es bei einem Scheitern der Anlage erheblich länger dauern könnte, bis der Wasserstoffhochlauf in Deutschland richtig Fahrt aufnimmt. Über entsprechende Worte gegenüber Journalisten berichtete kürzlich die „FAZ“.
Angebot und Nachfrage
Die Argumentationskette dahinter ist nur allzu gut nachzuvollziehen. Aktuell ist das größte Problem von grünem Wasserstoff noch, dass er kaum verfügbar und bedingt dadurch im Vergleich zu fossilen Brennstoffen noch viel zu teuer ist. Viele Unternehmen scheuen aber Investitionen, um daran etwas zu ändern. Denn es fehlt noch an potenziellen Kunden, welche in Zukunft auch im großen Stil Wasserstoff einkaufen wollen und dafür im besten Fall Garantien aussprechen. Eine nachhaltige Lösung für dieses klassische Henne-Ei-Problem ist weiterhin nicht in Sicht. Sollte ThyssenKrupp seine Pläne zurückschrauben oder gar einstellen, könnte es aber in die ganz falsche Richtung gehen.
Gefragt wäre an dieser Stelle eigentlich die Politik, die aber selbst unter klammen Kassen leidet und in einer tief zerstrittenen Koalition festhängt. Zumindest an der Börse scheint niemand mehr darauf zu hoffen, dass es in der aktuellen Legislaturperiode noch echte Durchbrüche zu sehen geben wird. Zwar hat die Ampel-Koalition durchaus einiges bewegt und etwa das gigantische Wasserstoff-Kernnetz auf den Weg gebracht. Der Blick auf die Aktienkurse aus dem Segment verrät aber eindeutig, dass die Börsianer sich noch mehr erwartet hatten.
Plug Power geht mit gutem Beispiel voran
Wie schnell die Stimmung drehen kann, wenn es fundamental wieder etwas besser läuft, zeigt aktuell Plug Power sehr eindrucksvoll. Der US-Konzern konnte sich kürzlich einen weiteren Auftrag über PEM-Elektrolyseure mit einer Kapazität von 25 Megawatt sichern. Geliefert werden sollen jene an ein Joint Venture von BP und Iberdrola. Kurz zuvor konnte ein ähnlicher Auftrag aus Portugal an Land gezogen werden. Zusätzlichen Rückenwind gibt es von der Notenbank Fed, welche den Leitzins gestern überraschend stark drückte und damit endlich die langersehnte Zinswende einläutete.
Solche Meldungen treffen bei den leidgeplagten Investoren direkt ins Schwarze. Da ist es keine Überraschung, dass die Erholung bei der Plug Power-Aktie weiter anhält. Am Mittwoch verhielt der Titel sich zwar noch eher unspektakulär. Heute Morgen ging es aber an den hiesigen Handelsplätzen um kräftige 7,1 Prozent bis auf 1,99 Euro aufwärts. Der Abstand zum erst kürzlich erzielten 52-Wochen-Tief bei 1,46 Euro weitet sich aus und mit dem höchsten Kurs seit etwa vier Wochen machen sich leise Anzeichen eines möglichen Comebacks bemerkbar.
Bei Nel ASA fehlt nicht mehr viel
Allerdings sollten Anleger sich nicht zu sehr von der plötzlichen Euphorie überwältigen lassen, denn noch operiert Plug Power klar im roten Bereich. Der Druck scheint zwar etwas nachzulassen. Es darf aber gerne noch mehr Aufträge geben, und das vorzugsweise in einer noch höheren Frequenz. Ansonsten droht die aktuelle Erholung, im langfristigen Chart unbemerkt unterzugehen.
Selbiges triff auch auf Erholungsversuche von Nel ASA zu, welche das Papier heute Morgen bis auf 0,48 Euro trieben. Einmal mehr wagen die Bullen sich an die Linie bei 0,50 Euro heran, angetrieben durch nicht viel mehr als eine allgemein freundlichere Marktstimmung. Da die Käufer hier aber schon des Öfteren scheiterten, bleibt die Aufwärtsbewegung mit nicht unerheblichen Zweifeln verbunden.
Auf dem Weg, aber nicht am Ziel
Nun hilft es freilich auch nicht, jeden Anflug von guter Laune gleich wieder mit skeptischen Worten totreden zu wollen. Doch fehlt es eben leider an Signalen, welche im Segment eine grundsätzliche Trendwende in Aussicht stellen würden. Zu empfehlen ist letztlich, kurzfristige Kursgewinne zu genießen, darauf aber nicht unbedingt gleich eine nachhaltige Anlagestrategie aufbauen zu wollen. Für den Erfolg von Wasserstoff ist letzten Endes ein enges Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Politik und Verbrauchern gefragt. Ich persönlich sehe dies bislang noch nicht als vollumfänglich erfüllt an, auch wenn es hier und dort in die richtige Richtung gehen mag.
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