Liebe Leserin, Lieber Leser,
grüner Wasserstoff löst bei vielen noch immer Entzücken und freudige Zukunftsfantasien aus. Eines Tages, so die Vorstellung, soll der Kraftstoff den emissionsfreien Betrieb von Fahrzeugen, Flugzeugen und sogar Kraftwerken ermöglichen. Das spricht für eine schier unstillbare Nachfrage und dementsprechend für rosige Gewinnaussichten. In der grauen Realität des Alltags sieht das Ganze aber noch etwas anders aus. Grüner Wasserstoff wird bisher in sehr überschaubaren Mengen produziert und ist für einen wirtschaftlichen Einsatz in so ziemlich jedem erdenklichen Szenario schlicht zu teuer.
Das führt dazu, dass Unternehmen sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vor Investitionen scheuen. Zu sehen ist das aktuell bei Rwe. einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge kündigte der Versorger kürzlich an, nur dann in grünen Wasserstoff zu investieren, wenn es dafür auch staatliche Subventionen gibt. Ansonsten würde sich das Ganze nicht rechnen.
RWE: Geduld ist gefragt
RWE will damit nicht den Nutzen von Wasserstoff an sich in Frage stellen. Der Konzern vergleicht das Ganze aber mit den Anfängen der erneuerbaren Energien. So habe es laut COO Sopna Sury „zehn, 15 Jahre“ gebraucht, bis die Kosten für Wind- und Solarkraft ein wettbewerbsfähiges Niveau erreicht haben und keine Fördermittel mehr nötig waren. Beim grünen Wasserstoff wird mit ähnlichen Zeiträumen gerechnet und bis dahin möchte man offenbar nicht in Vorkasse gehen.
Einer Absage an künftige Investitionen kommt das allerdings nicht gleich. RWE ist in Sachen Wasserstoff schon seit einer Weile aktiv und wird bisherige Anstrengungen kaum rückabwickeln wollen. Zu vermuten ist, dass lediglich der Druck auf die Politik erhöht werden soll. Ob das gelingen wird, dürfte allerdings fraglich sein. Schließlich war jüngst erst wieder hervorragend zu sehen, wie die Ampelkoalition sich selbst im Weg stehen kann.
Etwas optimistischer als mancher Skeptiker gibt sich RWE bei den grundsätzlichen Aussichten für Wasserstoff. Vor einigen Tagen machte eine Studie die Runde, wonach sich die Produktion in Deutschland vermutlich nie rentieren würde. Das schätzt man beim Versorger anders ein und plant nicht umsonst, bis zum Jahr 2030 eine Produktion von zehn Gigawatt auf die Beine zu stellen.
Die Diskussionen nehmen kein Ende
Dennoch ist denkbar, dass RWE mit den nun getätigten Aussagen wieder mal eine Grundsatzdiskussion entfachen könnte. Die Energieversorgung ist aktuell eines der größten Reizthemen in der Bevölkerung. Da fällt es schwer, noch weitere Investitionen vor den Wahlen zu rechtfertigen, von denen viele auch mit der Fortführung des Status quo zufrieden wären und den menschengemachten Klimawandel teilweise ignorieren und teilweise schlicht leugnen.
Einen weiteren wunden Punkt spricht RWE damit an, dass bisher nicht genügend Aufträge vorhanden seien, um größere Investitionen zu rechtfertigen. Das ist auch an der Börse immer wieder ein heißes Thema. Nel ASA, Plug Power und Konsorten sind auf den ersten Blick eine hochinteressante Angelegenheit mit enormen Wachstumspotenzial. Doch jenes spielt sich bisher noch nahezu vollständig im Reich der Fantasie ab und gerade Großaufträge haben noch viel zu sehr Seltenheitscharakter.
Nel ASA im Rausch der Tiefe
Was RWE dieser Tage vorbringt, dürfte für die meisten Leser dieses Newsletters keine Neuigkeit sein. Die ohnehin bestehenden Zweifel gewinnen aber noch einmal an Aktualität, und das hilft Wasserstoff-Aktien kein Stück weiter. Vor diesem Hintergrund poltert die Nel ASA-Aktie heute mal wieder ungebremst in die Tiefe. Am frühen Nachmittag waren Verluste von rund zwei Prozent zu sehen und der Kurs fiel auf magere 1,01 Euro herab. Der zunehmende Verfall lässt sich nun schon seit einer Weile beobachten und jegliche vermutete Unterstützung im Chart entpuppte sich bisher als Luftnummer.
Es droht weiterhin der Sturz unter die psychologisch wichtige Linie bei einem Euro, und spätestens dort dürften dann noch weitere Anleger entnervt die Segel streichen. Bei 0,94 Euro wartet derweil das 52-Wochen-Tief und ein Unterschreiten dieser nicht mehr allzu weit entfernten Linie würde mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Verkaufssignale nach sich ziehen.
Rote Vorzeichen bei Plug Power und Co
Wie schon in den letzten Tagen suchen Anleger vergeblich nach Ausnahmen im Negativtrend. Bei Plug Power setzte sich der Ausverkauf im frühen Handel fort und es ging bis zum Nachmittag um 1,7 Prozent auf nur noch 7,90 Euro zurück. Zum ersten Mal seit der Anfang Juni begonnenen Erholung wurde damit die 8-Euro-Linie unterschritten und die weiteren Aussichten sind bestenfalls ungewiss.
Auch bei der noch recht jungen Aktie von ThyssenKrupp Nucera hat sich ein recht verlässlicher Abwärtstrend etabliert. Der fällt zwar nicht ganz so dramatisch aus wie bei vielen anderen Titeln aus dem Sektor. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass zwischenzeitliche Höchststände immer dünner ausfallen. Der Donnerstag ließ die Kurse zunächst um 0,44 Prozent sinken und es ging auf 22,66 Euro herab. Der große Heilsbringer ist das Papier damit nicht.
Hoffnung, wo bist du?
Wasserstoff-Aktien lebten lange Zeit von guten Hoffnungen, von denen aktuell aber nur wenig bis gar nichts zu sehen ist. Im besten Fall kann der Abwärtstrend sich schlagartig ins Gegenteil verkehren, sollte es endlich wieder Neuigkeiten über große Aufträge oder großzügige Förderungen der Politik geben. Das ungeduldige Warten auf solche Sensationen bringt es aber mit sich, dass es in ruhigen Zeiten eher bergab geht. Optimisten lassen sich von kurzfristigen Verwerfungen wahrscheinlich nicht aus der Ruhe bringen und setzen weiterhin, nicht zu Unrecht, auf Chancen bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus. Es fällt einem aber aktuell immer schwerer, die Zuversicht nicht zu verlieren.
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