Liebe Leserin, Lieber Leser,
unverändert schlägt dem Wasserstoff-Sektor momentan eine enorme Welle an Skepsis entgegen. Wenig schmeichelhafte Worte findet etwa Hans-Josef Fell. Fell ist heute Präsident der Energy Watch Group und war von 1998 bis 2013 Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen. Im PV Magazin spricht er darüber, wie Wasserstoff schon seit Jahrzehnten gefördert werde, ohne dass sich daraus jemals ein Durchbruch entwickelt habe.
Einen solchen vermutet Fell auch für die Zukunft nicht. Die Technik sei zu komplex und teuer, um mit anderen Alternativen zu konkurrieren. Für die Zukunft hält er Investitionen in direkte Verwendung von Strom für sinnvoll, also beispielsweise E-Autos und dergleichen. Zudem verweist er auch auf die Börse als Beleg dafür, wie enttäuschend Wasserstoff sich in den letzten Jahren entwickelt habe. Als Beispiel dafür sucht er sich das kanadische Unternehmen Ballard Power heraus. Seit 44 Jahren an der Börse gelistet habe jenes stets nur Verluste produziert und sich nur mit staatlichen Förderungen und immer neuen Kapitalerhöhungen über Wasser halten können.
Werden die Pläne von E.ON durchkreuzt?
Nun handelt es sich dabei freilich nur um eine Meinung von vielen und es gibt noch immer genügend Fürsprecher für Wasserstoff. Schließlich werden Bereiche wie die Stahlproduktion kaum rein elektrisch befeuert werden können und auch die Energieversorgung ist allein mit Wind und Sonne kaum verlässlich umzusetzen. Nicht umsonst setzt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf den Bau neuer Gaskraftwerke, die perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden sollen.
Zu den optimistischen Naturen zählt wohl auch E.ON, wo schon seit einer Weile mit allem Nachdruck daran gearbeitet wird, Wasserstoff endlich in die Breite zu bewegen. Zu diesem Zweck ist der hiesige Versorger vor rund zwei Jahren eine Partnerschaft mit Fortescue Future Industries (FFI) aus Australien eingegangen. Ziel des Ganzen war eine sogenannte „Wasserstoff-Brücke“. Bis 2023 sollten fünf Millionen Tonnen jährlich ihren Weg nach Europa finden. Das entspräche rund einem Drittel der Heizenergie, die Deutschland vor dem Ukraine-Krieg aus Russland importiert hat.
EON Aktie Chart
Wie die „WirtschaftsWoche“ berichtet, scheint es bei dem Projekt aber Probleme zu geben. Schon in diesem Jahr sollten eigentlich 200.000 Tonnen grüner Wasserstoff in Richtung Europa geschickt werden. Laut FFI wird daraus aber wohl nichts, da es Probleme mit einem Drittland gebe. Um welches Land es sich dabei handelt und welche Probleme genau auftreten, wurde nicht weiter ausgeführt. Auch E.ON hält sich zu dem Thema bedeckt.
Große Sorge um Nel ASA
Herauszulesen ist aus dem Ganzen aber, dass die Wasserstoff-Produktion ins Stocken zu kommen scheint. Von den einst so großen Zielen ist nur noch erstaunlich wenig zu hören. Das mag auch daran liegen, dass es schlicht an entsprechenden Aufträgen mangelt. Gerade Nel ASA könnte darüber so manches Liedchen trällern. Die Norweger sind an der Börse mehr oder ins Bodenlose gestürzt, nachdem neue Order Seltenheitswert bekommen haben und kürzlich sogar eine (vorübergehende) Stornierung vermeldet werden musste.
Nun blicken die Anleger sorgenvoll auf die Quartalszahlen, die in der kommenden Woche anstehen. Im Vorfeld ist von Optimismus leider nicht allzu viel zu bemerken. Am Freitag geht es mit weiteren Verlusten in den Handel und am Vormittag rutschte der Titel nach Abschlägen von knapp fünf Prozent auf ein neues Jahrestief bei 0,40 Euro. Der Support nach unten wird hier immer dünner und es droht der Fall auf historische Tiefststände unterhalb von 0,30 Euro. Umso wichtiger ist es nun, dass Nel bei den Zahlen irgendetwas in der Hand haben wird, was den Anteilseignern wieder Zuversicht schenken könnte.
Plug Power im Sog der Tiefe
Nicht viel besser sieht es bei Plug Power aus. Vom gestrigen KI-Hype hat der Wasserstoff-Sektor leider so überhaupt nichts abbekommen. Würde man es nicht besser wissen, könnte glatt der Gedanke aufkommen, dass mittlerweile auch die letzten Glücksritter in Richtung Nvidia und Konsorten abgezogen sind. Plug Power stürzte gestern an der Heimatbörse um über acht Prozent in die Tiefe und näherte sich damit der Linie bei 3 US-Dollar an. Tags darauf ging es hierzulande weiter abwärts. Am Freitagvormittag waren Abschläge von 4,3 Prozent zu verzeichnen; der Kurs pendelte sich bei mageren 2,93 Euro ein.
Auch Plug Power wird in der nächsten Woche seine Bücher öffnen und die Furcht vor einer weiteren Enttäuschung ist spürbar. Zwar punktete das US-Unternehmen im laufenden Jahr mit mancher erfreulicher Entwicklung. Ob sich dies auch in den Bilanzen bemerkbar machen wird, daran scheint es aber auf Anlegerseite erhebliche Zweifel zu geben. Von der Erholung der letzten Wochen ist leider nicht mehr allzu viel übriggeblieben.
Ein trauriger Anblick
Der einst so stark gefeierte Wasserstoff-Sektor erlebt an der Börse eine Fortsetzung einer Konsolidierung, die sich schon seit Längerem beobachten lässt. Das gibt den Skeptikern freilich Rückenwind und mit jedem weiteren Kursrutsch wird eine wie auch immer geartete Erholung umso schwieriger. Im derzeitigen Umfeld reichen vollmundige Versprechungen längst nicht mehr aus, um das Geschehen wieder in die richtige Richtung umzulenken. Gefragt sind stattdessen harte Fakten und steigende Umsätze, um den Glauben an Wasserstoff an der Börse wiederherzustellen. Eben darum fühlt es sich fast ein wenig an, als stünde den vielbeachteten Unternehmen Nel ASA und Plug Power mit den anstehenden Zahlen die letzte Chance für eine Rehabilitierung bevor. Dass da im Vorfeld viel Nervosität herrscht, ist nur nachvollziehbar.
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