Liebe Leserin, Lieber Leser,
seit nahezu einem Jahrzehnt beschäftige ich mich nun schon täglich mit Wasserstoff-Aktien und habe dabei diverse Stimmungsschwankungen miterlebt. Vor einigen Jahren noch herrschte der Optimismus vor, obschon die Zahlen der meistbeachteten Akteure nicht besser als heute aussahen. Dennoch waren nicht nur Anleger fest davon überzeugt, dass der Durchbruch nur noch wenige Jahre auf sich warten lassen würde. Auch Analysten rechneten mit einem eben solchen Szenario.
Doch die Stimmung ist insbesondere in den letzten beiden Jahren massiv umgeschlagen. Es scheint, als habe es doch die eine oder andere Enttäuschung zu viel gegeben. Dazu gesellen sich politische Unsicherheiten und die Tatsache, dass viele Regierungen das Thema Wasserstoff eher stiefmütterlich behandeln. Dass der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur nicht von heute auf morgen geschieht, liegt klar auf der Hand. Hohe Investitionen und rote Zahlen können verziehen werden. Was die Marktakteure aber wurmt, das ist die fehlende Perspektive.
Nel ASA findet keinen Boden
Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist die vielbeachtete Aktie von Nel ASA. Gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts holte jene noch zu einer schwer beeindruckenden Rallye aus und ließ sich nicht einmal durch die Corona-Pandemie aufhalten. Von Anfang 2019 bis Anfang 2021 ging es um über 600 Prozent (!) in die Höhe und oberhalb von 3 Euro wurden historische Höchststände erreicht. Darauf folgte die große Depression, welche sich bis heute hinzuziehen scheint. So recht glauben wollte anfangs noch nicht jeder daran, dass die schlechte Stimmung sich verfestigen würde.
Ich erinnere mich gut an diverse Zuschriften, die mir Fehleinschätzungen unterstellten. Besonders erhöht war die Frequenz, als die Nel ASA-Aktie monatelang um die Unterstützung bei 1,20 Euro kämpfte. Immer mal wieder gab es kleinere Sprünge in Richtung Norden zu sehen, was letztlich von einigen Beobachtern doch zu schnell als Ausbruch interpretiert wurde. Heute wären die Anleger heilfroh, wenn das Papier auch nur in die Nähe damaliger Tiefstände kommen würde.
Nel ASA Aktie Chart
Ein mahnendes Beispiel
Ich bin nicht stolz darauf, dass meine Warnungen bezüglich der Risiken bei Nel ASA sich als zutreffend erwiesen. Denn erstens liege ich bei anderen Aktien oft genug falsch, und zweitens würde ich mich sehr viel mehr für die Anleger freuen, wenn ich mit unschönen Prognosen danebenliegen würde. Bei Wasserstoff-Aktien gilt dies im Besonderen, da damit neben hübschen Renditen auch enorme Fortschritte in Sachen Umweltschutz und Unabhängigkeit in Energiefragen verbunden sind.
Trotz der noch immer vorhandenen Chancen sind die Kursentwicklungen aus der Vergangenheit bis heute als eine Warnung zu verstehen. Aktuell kämpfen die Bullen bei Nel ASA verbissen darum, wenigstens die Linie bei 0,30 Euro noch zu halten. Besonders viel Verlass ist darauf nicht. Sofern es nicht endlich ansehnliche Auftragseingänge oder andere positive Signale gibt, rechne zumindest ich persönlich mit einer weiteren Fortsetzung des Abwärtstrends, so ungern ich dieses Szenario auch beobachten würde.
Die sehr viel negativere Stimmung macht sich mittlerweile auch bei den Analysten bemerkbar. Jene waren um teils astronomisch hohe Kursziele bei Nel ASA selten verlegen. Heute halten selbst die größten Optimisten bestenfalls 1 Euro für machbar. Das wäre eine deutliche Steigerung zum letzten Schlusskurs, aber im Vergleich zu vergangenen Jahren noch immer traurig. Derweil empfehlen mittlerweile laut der Plattform „Marketscreener“ neun Experten die Aktie zum Verkauf und nur noch zwei Analysten raten weiterhin zum Kauf.
Finanzspritze für Daimler Truck
Gute Neuigkeiten konnte nun immerhin Daimler Truck vermelden. Die aktuelle Bundesregierung bewegt sich ihrem unrühmlichen Ende entgegen, doch Förderungen für Wasserstoff-Lkw konnten noch überreicht werden. Bund und Länder gönnten Daimler Truck ganze 226 Millionen Euro für die Entwicklung eines Fahrzeugs, von dem ein Prototyp dem Unternehmen zufolge schon mehr als 1.000 Kilometer weit fahren konnte. Der mittlerweile parteilose Bundesverkehrsminister Volker Wissing sieht in Wasserstoff nicht nur eine wichtige Technologie, um Klimaziele zu erreichen. Er hält das Ganze auch für elementar, um die hiesige Industrie zukunftsfähig halten zu können.
Die Börse reagiert weniger euphorisch und bei Daimler Truck spielt Wasserstoff weiterhin eine untergeordnete Rolle. In einem schwachen Handel rutschte die Aktie heute Morgen um 2,5 Prozent bis auf 35,54 Euro in die Tiefe. Seit rund zwei Wochen hängt der Titel schon in einer Korrektur fest, konnte zuvor aber auch eine recht ansehnliche Erholung aufs Parkett zaubern.
Plug Power und SFC Energy bleiben glücklos
Zumindest den Versuch einer Erholung gab es gestern bei der Aktie von Plug Power zu sehen, die um 6,4 Prozent bis auf 1,99 US-Dollar zulegen konnte. An die 2-Dollar-Linie trauen die Bullen sich jedoch nicht ganz heran. Nachbörslich ging es wieder um ein Prozent auf 1,97 Dollar in die Tiefe. Die mehr als schwachen Fundamentalzahlen geben eine Rallye schlicht nicht her.
Allerdings sind auch Gewinne noch längst kein Garant für steigende Kurse. Das zeigt die Aktie von SFC Energy überdeutlich. Das Unternehmen konnte im vergangenen Quartal wieder einmal ein hübsches Wachstum vorweisen und aktualisierte kürzlich die Ziele für das laufende Niveau auf ein respektables Niveau. Dem Aktienkurs hilft es kein Stück weiter. Jener gab heute Morgen um etwa drei Prozent nach und scheint nach dem Unterschreiten der 20-Euro-Linie im freien Fall zu sein. Als dieser Artikel entstand, standen gerade einmal 17,46 Euro auf dem Ticker.
Was bringt die Zukunft?
Es kann derzeit sehr schnell der Eindruck entstehen, dass Wasserstoff sich auf dem absteigenden Ast befinden würde. Das Ganze ist nach heutigem Stand zu teuer, kaum verfügbar und die größten Kritiker sprechen schon von einem grundsätzlichen Scheitern. Doch ebenso, wie sich Optimisten vor einigen Jahren mit ihren utopischen Zukunftsszenarien irrten, so könnten aktuell die Untergangspropheten ebenfalls weit danebenliegen. Die Wahrheit liegt in der Regel irgendwo in der Mitte und wenn wir davon ausgehen, lassen sich bei Wasserstoff-Aktien zumindest langfristig weiterhin Chancen erkennen.
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