Liebe Leserin, Lieber Leser,
endlich gibt es Gewissheit. Am gestrigen Donnerstag verkündete die EZB hochoffiziell, die Zinsen erstmals seit Beginn der Inflationswelle wieder nach unten zu bewegen. Zwar fiel der Zinsschritt mit 25 Basispunkten überschaubar aus. Die Hoffnung ist allerdings, dass damit nun endlich die lang erwartete Zinswende eingeleitet wurde. Eine solche würde sich für Wasserstoff-Aktien als hilfreich erweisen. Schließlich müssen die Unternehmen bis heute kräftig investieren und erhalten dafür zunächst nur sehr überschaubare, zum Teil sogar überhaupt keine Einnahmen.
So richtig gefeiert wurde die Zinssenkung allerdings nicht. Das liegt zum einen daran, dass sie schon seit Wochen mehr oder minder als eingepreist gilt. Darüber hinaus gehen die Meinungen aber auch darüber auseinander, ob es sich schon um den richtigen Zeitpunkt handelt. Kritiker befürchten, dass die Währungshüter womöglich zu früh gehandelt haben könnten. Schließlich ist die Inflation noch immer über dem angestrebten Ziel der Notenbanker, in einigen Ländern wie Spanien sogar deutlich.
Zinswende oder Schlingerkurs?
Sollte die Inflation nun wieder weiter nach oben gehen, so könnte dies die EZB unter Druck setzen und im Fall der Fälle zum Handeln zwingen. Es bleibt damit die Möglichkeit im Raum, dass die Zinswende letztlich zu einer abwechslungsreichen Angelegenheit wird, und das nicht im positiven Sinne. Schlimmstenfalls könnten sich Zinserhöhungen und Zinssenkungen munter abwechseln, was an der Börse für enorme Unsicherheit sorgen würde.
Zumindest in den Augen der Skeptiker hat die EZB also womöglich zu früh gehandelt, was den Verantwortlichen auch direkt angekreidet wird. Schließlich hat das Institut im Prinzip nur einen einzigen Job: die Inflation auf einem erträglichen Niveau zu handeln. Genau das ist in den letzten beiden Jahren aber mehr schlecht als recht, manchmal auch überhaupt nicht gelungen.
ITM Power mit vorläufigen Zahlen
Es reicht noch nicht ganz, um an der Börse für einen Höhensprung der Anlegerstimmung zu sorgen. ITM Power versuchte, die etwas günstigeren Zinsen noch mit eigenen Neuigkeiten auszuschmücken. Recht überraschend stellten die Briten vorläufige Zahlen für das per April geendete Geschäftsjahr in Aussicht. Bei den wichtigsten Kennzahlen scheint man überzeugen zu können.
Die Umsätze sollen zwischen 16 und 16,5 Millionen Pfund (ca. 19 bis 19,4 Millionen Euro) und damit in der oberen Hälfte der eigenen Prognose liegen. Auf Jahressicht entspricht dies einem Zuwachs von über 300 Prozent. Noch bessere Neuigkeiten gibt es aber anscheinend mit Blick auf das EBITDA. Es werden zwar noch immer rote Zahlen erwartet; die Verluste sollen aber sehr viel geringer ausfallen. Umgerechnet 46 bis 52 Millionen Euro an Verlust wird es wohl geben und damit weniger als halb so viel wie noch ein Jahr zuvor.
Keine Partystimmung an der Börse
Trotz dieser erfreulichen Kunde bleiben die Aktionäre noch immer vorsichtig. Die ITM Power-Aktie konnte heute Morgen nur kurzzeitig Kursgewinne erzielen, rutschte bis zum Vormittag aber wieder zurück auf den Schlusskurs vom Vortag in Höhe von 0,74 Euro. Der wichtige Widerstand bei 0,80 Euro, an dem ITM Power erst kürzlich wieder scheiterte, bleibt damit erst einmal in der Ferne. Dabei wären die Argumente für einen Angriff momentan eigentlich besser als noch vor einigen Tagen.
ITM Power Aktie Chart
Auch bei Nel ASA ist die Euphorie weitgehend verflogen. Obschon niedrigere Zinsen als eine Wohltat für die Norweger gelten, tappt die Aktie weiterhin rund um die Marke von 0,65 Euro auf der Stelle. Auf der einen Seite sorgen die Bullen hier für einen bequemen Puffer bis zur nächsten Unterstützungszone. Doch es fehlt eben auch vollständig an neuerlichen Ambitionen für einen Angriff in Richtung Norden.
Plug Power reiht sich ein
Die Bewegungsunlust ist auch bei Plug Power zu spüren, was aber vielleicht noch nachvollziehbarer ist als bei den europäischen Kollegen. Schließlich ziert die Fed sich bisher noch mit Zinssenkungen und selbst Optimisten erwarten solche in den USA frühestens im September. Darüber hinaus wurde kürzlich bekannt, dass ein US-Senator die Vergabe einer Kreditlinie durch die US-Energiebehörde gerne auf den Prüfstand stellen möchte. Es ergibt sich darauf keine akute Bedrohung für die Plug Power-Aktie, wohl aber ein eher flaues Gefühlt in der Magengegend der Aktionäre.
Im Ergebnis bekommt die Plug Power-Aktie es mit der wichtigen Unterstützung bei 3 US-Dollar zu, welche am Donnerstag intraday schon ab und an unterschritten wurde. Nur mit Mühe und Not konnte der Titel sich noch auf exakt 3 Dollar retten und nachbörslich etwas aufholen. Euphorie sieht aber definitiv anders aus.
Wo bleiben die Neuigkeiten?
Die Börsianer haben Wasserstoff-Aktien in der jüngeren Vergangenheit einen kleinen Vertrauensvorschuss gegönnt. Noch immer ist die Stimmung etwas besser als noch vor einigen Wochen und neue Negativrekorde sind glücklicherweise ein eher seltener Anblick. Ungeduldig gewartet wird nun darauf, dass sich aus mancher Absichtserklärung auch ein konkreter Auftrag ergibt oder die Unternehmen für frische Order auch mal harte Zahlen nennen. Es braucht weitere Neuigkeiten, um den zaghaften Aufwärtstrend im Wasserstoffsegment zu festigen. Sollten solche jedoch ausbleiben, könnte es sich mit der neuen Zuversicht schnell erledigt haben und jetzt wissen wir auch, dass sinkende Zinsen allein noch lange nicht der Schlüsse auf dem Weg zurück zu alter Größe sind.
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