Liebe Leserin, Lieber Leser,
Wasserstoff wird derzeit ganz klar als Zukunftstechnologie behandelt. Diese Bezeichnung hat für die meisten einen positiven Touch. Es klingt aufregend, neu und für die Börsianer nach Wachstumschance. Die Betonung liegt aber noch ganz klar auf „Zukunft“, und das bringt es mit sich, dass gegenwärtig noch nicht viel zu sehen ist. Für den Geschmack der meisten Anleger geht es mit Wasserstoff ganz eindeutig zu langsam voran. Die jüngsten Entwicklungen im Sektor haben diesen Eindruck eher noch verstärkt.
An den Börsen scheint sich da immer mehr ein Sturm zusammenzubrauen. Noch sind Wasserstoff-Aktien nicht ins Bodenlose abgestürzt. Der Blick auf den Chart in den letzten Tagen verheißt aber nichts Gutes und zumindest aus technischer Sicht lässt sich ein veritabler Crash mittlerweile nicht mehr mit Sicherheit ausschließen. Was läuft da bloß schief?
Nel ASA hält sich bedeckt
Zum einen fehlt es den Aktionären schlicht an neuen Aufträgen aus der Branche. Nel ASA punktete zwar bei den letzten Quartalszahlen noch mit überraschend guten Ergebnissen und vermeldete zudem gleich zwei neue Großprojekte. Seither herrscht an der Nachrichtenfront aber wieder pure Langeweile. Über Auftragseingänge wird seit Wochen nicht berichtet und es erhärtet sich einmal mehr der Eindruck, dass solche eher die Ausnahme denn die Regel sind.
Bei den Anlegern nährt das selbstredend wieder Zweifel an den hübschen Wachstumsaussichten, die an sich noch immer vorhanden sind. Die Nel ASA-Aktie kämpft seit Tagen um die wahrscheinlich letzte charttechnische Unterstützung. Die Käufer geraten dabei immer mehr in die Defensive. Am Mittwochmittag standen nur noch 1,04 Euro auf der Anzeigetafel, nachdem es um 1,84 Prozent in die Tiefe ging. Der Chart lässt nichts Gutes erahnen. Sollte die Aktie nicht möglichst schnell Halt finden, droht der Sturz in Pennystock-Gefilde, was automatisch weitere Verkaufssignale generieren würde.
Plug Power braucht etwas länger
Die Konkurrenz in Form von Plug Power hilft auch nicht eben dabei, bei den Anlegern wieder Zuversicht zu säen. Nicht nur waren die Quartalszahlen (mal wieder) eine große Enttäuschung. Das Unternehmen musste auch diverse Projekte nach hinten verschieben. Was eigentlich noch in diesem Jahr fertig sollte, wird nun etwas schwammig für 2024 in Aussicht gestellt. Anleger sind es gewohnt, dass im Wasserstoff-Sektor Geduld gefragt ist. Wenn dann aber bei ohnehin langen Planungszeiträumen immer wieder Verzögerungen auftreten, stellt das die Nerven der Investoren schwer auf die Probe. Längst nicht jeder kann dem standhalten.
Kleinere Erholungen in den letzten Tagen können da auch bei Plug Power nicht über die Abwärtstendenz hinwegtäuschen. Auf Monatssicht ging es schon wieder um 28,4 Prozent abwärts und zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Artikels waren magere 8,16 Euro zu bewundern. Die im Juni gestartete Erholung droht sich komplett in Luft aufzulösen und das 52-Wochen-Tief ist nicht mehr allzu weit entfernt.
Auch ITM Power schwächelt
Zumindest für etwas Hoffnung sorgte für eine Weile noch die ITM Power-Aktie, der es aber derzeit auch wieder schwer an Schwung fehlt. Der Höhenflug aus dem Juli ist schwer am Bröckeln. Heute Morgen ging es um mehr als sechs Prozent in die Tiefe und der Kurs landete zunächst bei übersichtlichen 1,06 Euro. Da fällt schnell ins Auge, dass auch hier der Sturz in Pennystock-Gefilde droht, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Halt wird die ITM Power-Aktie unterhalb der 1-Euro-Marke so schnell kaum finden können.
Es scheint fast so, als hätten die Märkte sich gegen Wasserstoff-Aktien verschworen. Nicht nur enttäuschende oder ausbleibende Nachrichten befördern den Pessimismus. Dazu gesellt sich ein insgesamt mehr als schlecht gelaunter Markt, bei dem die Börsianer spekulative Aktien meiden wie der Teufel das Weihwasser. Da stellt sich die berechtigte Frage, ob aktuell überhaupt noch irgendetwas für Wasserstoff-Aktien spricht. Abseits der langfristigen Chancen gibt es da leider nur wenig vorzuweisen.
Gegen den Trend setzen?
Da wäre einzig noch das Argument, dass sich Investments immer dann besonders lohnen, wenn alle anderen das Weite suchen. Vergleichen lässt sich das mit den immer wieder vorgetragenen Geschichten darüber, was aus einem Euro geworden wäre, hätte man diesen zur Jahrtausendwende in Apple-Aktien investiert oder davon im Jahr 2010 10 bis 20 Bitcoin gekauft. So viele hätten Anleger damals tatsächlich für nur einen Euro bekommen. Der Traum, dass Wasserstoff-Aktien einen ähnlich rasanten Anstieg bis zum kommenden Jahrzehnt hinlegen werden, lebt noch immer weiter.
Nicht einmal zu Unrecht, denn Potenzial verbirgt sich hinter dem alternativen Kraftstoff zur Genüge. Allerdings hat das Ganze so seine Tücken. Zum einen lässt sich nicht vorhersagen, ob es zwischenzeitlich nicht noch einmal deutlich günstigere Einstiegspreise zu sehen geben wird. Zum anderen steht in den Sternen, wer am Ende als Sieger vom Platz gehen wird und wer eine möglichen Konsolidierung zum Opfer fallen könnte. Das sind schlicht zu viele Ungewissheiten, als dass Anleger sich auf irgendetwas blind verlassen könnten.
Durchhalten!
Doch für Untergangsfantasien gibt es derzeit noch keinen Grund. Mit Wasserstoff geht es nicht ganz so rasant vorwärts, wie es sich der eine oder andere erhofft haben mag. In zahlreichen Wirtschaftsbereichen wird aber für die Zukunft schon fest damit gerechnet und der Kraftstoff dürfte über kurz oder (wahrscheinlich eher) lang unverzichtbar werden. Auch die aktuelle Schwächephase wird irgendwann überstanden sein. Durchhalteparolen sind zwar zugegebenermaßen ein schwacher Trost. Doch sie existieren in diesem speziellen Fall nicht ohne Grund.
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