Liebe Leserin, Lieber Leser,
Das neue Jahr startete noch mit viel Zuversicht rund um das Thema Wasserstoff, doch bisher hat sich in der Praxis viel zu wenig getan. Aus der Politik gibt es unzählige Lippenbekenntnisse, doch insgesamt scheint die Wasserstoffrevolution einzig und allein in den Köpfen ihrer Verfechter stattzufinden. Jeder weitere Tag ohne nennenswerte Fortschritte bewegt die Kurse von Wasserstoff-Aktien zuverlässig in die Tiefe.
Dabei gibt es durchaus Ideen, wie Wasserstoff wieder neues Leben eingehaucht werden könnte. Mit diesem Thema beschäftigte sich im „Tagesspiegel“ jüngst Graham Weale, seines Zeichens Professor für Energiewirtschaft am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE) an der Ruhr-Universität in Bochum. Auch Weale plädiert dafür, dass beim Ausbau mehr Tempo gemacht wird und hat vor allem einen wichtigen Aufruf im Gepäck.
Wasserstoff-Aktien: Grün oder Blau?
Aus Sicht von Wale muss eine Diskriminierung von blauem Wasserstoff unbedingt vermieden werden. Dabei handelt es sich um Wasserstoff, der mit fossilen Energien hergestellt wird, wobei anfallende CO2-Emissionen (teilweise) unterirdisch eingelagert werden. Auf diesem Wege soll vermieden werden, den Treibhauseffekt weiter anzutreiben. Grüner Wasserstoff hingegen wird einzig und allein mit erneuerbaren Energien hergestellt, bei denen keine CO2-Emissionen anfallen.
Letzteres klingt im ersten Moment aus Sicht von Klimaschützern freilich erstrebenswerter. Laut Graham Weale spreche eine Kosten-Nutzen-Analyse aber klar dafür, für den Moment den Vorzug zu geben. Es handele sich dabei um einen „relativ sauberen“ Energieträger mit einem CO2-Fußabdruck von 1,2 bis 3,9 kg CO2 je kg Wasserstoff. Im Vergleich dazu soll grauer Wasserstoff, bei dem CO2-Emissionen nicht aufgefangen werden bei 9,2 bis 11,0 kg liegen. Grüner Wasserstoff bringt es auf einen Wert von 0,5 bis 1,0 kg CO2 je kg Wasserstoff.
Weale rechnet vor, das die zusätzlichen Kosten für grünen Wasserstoff bei etwa 8,9 Euro je Kilogramm liegen würden und damit 4,90 Euro für jedes eingesparte kg CO2 aufgewendet werden müssen, was weit entfernt sei vom aktuellen CO2-Preis von 50 bis 70 Euro je Tonne (entspricht 0,05 bis 0,07 Euro je kg).
Keine Begeisterung bei FuelCell Energy
Weale bringt noch einige weitere Ideen ins Spiel, die an dieser Stelle nicht in Gänze wiedergegeben werden sollen. Doch es stellt sich schon die Frage, ob in einer ohnehin schon verfahrenen Ausgangslage neue Diskussionen über die bevorzugte Art von Wasserstoff wirklich hilfreich sein mögen. Zumindest an der Börse stört man sich hauptsächlich daran, dass zu viel geredet wird und zu wenig passiert. Die Lösung dafür sind Grundsatzdiskussionen wahrscheinlich eher nicht.
Die Enttäuschung reicht mittlerweile so weit, dass selbst gute Neuigkeiten unterzugehen scheinen. So etwa bei FuelCell Energy, welches eine neue Partnerschaft mit der University of Connecticut verkündete. Das Institut soll mit Brennstoffzellen-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von einem Megawatt beliefert werden, um um sein „Innovation Partnership Building“ (IPB) künftig unabhängig vom örtlichen Stromnetz betrieben zu können. Die Aktie reagierte darauf nicht weiter und fand sich heute Morgen mit 0,59 Euro weiterhin im Kurskeller wieder. Seit Jahresbeginn ging es um gut 60 Prozent in die Tiefe.
FuelCell Energy Aktie Chart
Nel ASA kriegt die Kurve nicht
Bei Nel ASA fallen die Verluste im gleichen Zeitraum mit 22,1 Prozent aktuell noch übersichtlicher aus. Allerdings lässt der Chart vermuten, dass der Tiefpunkt bei 0,48 Euro am Freitagmorgen noch nicht erreicht wurde. Denn in der laufenden Woche verloren die Käufer den Kampf um die Unterstützung bei 0,50 Euro. Wie Leser dieses Newsletters wissen, ist damit der Weg in Richtung 52-Wochen-Tief bei 0,37 Euro frei.
Wünschen würden die Anleger sich, dass die Politik sehr viel kraftvoller vorgeht, Subventionen verteilt oder im Zweifel einfach selbst Elektrolyseure bestellt. Stattdessen herrscht gefühlt Stillstand. Selbst wenn es mal positive Neuigkeiten gibt, beispielsweise die Zustimmung der EU zur Förderung des hiesigen Wasserstoff-Kernnetzes, fehlt dazu häufig ein verlässlicher Zeitrahmen. Viel zu oft werden die Börsianer schlicht vertröstet.
Gefahr aus den USA?
Zu der frustrierenden Lethargie könnte sich nun auch noch zusätzliche Unsicherheit mit Blick auf den US-Wahlkampf gesellen. Am Donnerstag fand das erste TV-Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump statt, welches zu den hiesigen Nachtstunden übertragen wurde. Ein erkälteter Präsident Biden hinterließ dabei nicht den besten Eindruck und es fiel ihm schwer, sich den offenkundigen Lügen und Fehlinformationen seines Widersachers zu erwehren.
Zwar ist es noch zu früh, um einen Sieger aus dem Duell zu küren. Doch in der Presse machen sich bereits Stimmen breit, die von einem schlechten Auftritt Bidens sprechen. Das könnte Trump Rückenwind verschaffen, welcher nicht unbedingt als großer Verfechter von Wasserstoff gilt. Erneuerbare Energien sind dem polternden Straftäter ein Dorn im Auge, sodass grünem Wasserstoff unter einer möglichen neuen Regentschaft eine unbequeme Zukunft bevorstehen könnte. Auf dem Weg zu den Wahlen im November deutet sich hier klar mögliche Verunsicherung für die Märkte an.
Plug Power bleibt hängen
Besonders bedrohlich dürfte das für US-Konzerne für Plug Power sein. Vielleicht liegt es auch am Wahlkampf, dass die Kurse hier zuletzt auf Tauchstation gingen. Zuletzt konnte die Aktie sich zwar bei bescheidenen 2,46 US-Dollar etwas stabilisieren. Der Abstand zum 52-Wochen-Tief fällt aber noch immer gefährlich gering aus. Für Plug Power ist die Unterstützung der Regierung elementar. Dass das Unternehmen nicht sonderlich lange auf eigenen Füßen stehen kann, wurde bereits oft genug bewiesen.
Die Anleger blicken weiterhin in eine ungewisse Zukunft, über die in Politik und Wirtschaft leidenschaftlich gestritten wird, ohne dass sich eine Lösung für die drängendsten Fragen auftun würde. Ein bisschen erinnert es an unsere hiesige Ampel-Regierung, die sich gerne mal selbst im Weg steht. Solange der Knoten nicht in der einen oder anderen Form platzt, dürften die Börsianer sich bei Wasserstoff-Aktien wohl weiterhin vornehm zurückhalten.
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