Liebe Leserin, Lieber Leser,
das Wasserstoffkernnetz ist endlich genehmigt und alle Beteiligten versuchen sich gerade darin, Zuversicht zu verbreiten. Nun endlich sollen rund um Wasserstoff große Fortschritte gelingen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern werden große Anstrengungen unternommen. In dem Bundesland sind vier Abschnitte für das Kernnetz vorgesehen. Wie der „NDR“ berichtet, fehlt allerdings ein wichtiges Teilstück. Die ursprünglich geplante Pipeline von Rostock bis nach Brandenburg und Berlin soll nun nur noch nach Glasewitz bei Güstrow führen. Betreiber Ontras begründete diese Entscheidung bereits im Sommer mit fehlenden Abnehmern.
Ohne die Leitungen werden sich aber auch kaum Abnehmer finden können, womit wir wieder beim klassischen Henne-Ei-Problem ankommen. Jenes erkennt in Sachen Wasserstoff auch der Landesverband Erneuerbare Energien in Mecklenburg-Vorpommern und dessen Vorsitzender Johann-Georg Jaeger hat dafür sogar einen Lösungsvorschlag, wie er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur verriet. Seiner Ansicht nach wäre es ein legitimer Weg, während der Anlaufphase Wasserstoff in das bestehende Erdgasnetz beizumengen. CO2-freier Wasserstoff würde dann zwar nicht nur als solcher genutzt, doch es ließe sich die Produktion und der Netzanschluss von Produzenten in einem ersten Schritt sicherstellen.
TotalEnergies sagt leise Servus
Das klingt in der Tag nach einem nicht uninteressanten Kompromiss, der politisch momentan aber nicht gewollt zu sein scheint. Das Henne-Ei-Problem wird uns also wohl noch etwas länger verfolgen. Welche Konsequenzen dies nach sich ziehen kann, das zeigt sich ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern, und zwar in der einzigen Großstadt des nördlichen Bundeslandes: Rostock. Dort eröffnete TotalEnergies vor rund sieben Jahren seine erste Wasserstofftankstelle für Pkw und schickte sich einst an, das weltweit größte Netz für solche Tankstellen zu errichten.
Nun rudert das Unternehmen aber zurück und kündigte laut „NDR“ an, den Standort wieder abzureißen. Begründet wird dies mit der mangelnden Nachfrage. Es findet sich schlicht kaum jemand, der das Ganze in Anspruch nehmen würde und die geringe Nachfrage nach Wasserstoff-Autos lässt auch keine Trendwende erkennen. Der Wegfall der einzigen Wasserstofftankstelle in Mecklenburg-Vorpommern wird wiederum kaum die Nachfrage anziehen lassen. Es ist und bleibt ein Teufelskreis.
Nel ASA gibt wieder nach
Wie dieser sich irgendwann durchbrechen lassen könnte, daran verzweifeln momentan selbst Experten. Vermutlich braucht es ganz einfach noch sehr viel mehr Förderungen seitens des Staates, der sich aber mit klammen Kassen und Schuldenbremse abmüht. Die Wirtschaft schaut dabei ruhig zu und zieht ihre eigenen Schlüsse. Die lauten derzeit nur selten, größere Order bei Wasserstoffunternehmen zu tätigen.
Letzteres bleibt auch weiterhin das Kernproblem von Nel ASA und kurze Lichtblicke scheinen da schnell wieder in Vergessenheit zu geraten. Die abgestürzte Aktie der Norweger konnte kürzlich wieder etwas hinzugewinnen und sich bis auf 0,40 Euro steigern, nachdem der Zuschlag für eine millionenschwere Förderung der EU an Land gezogen werden konnte. Doch die Bullen wollten darauf anscheinend nicht weiter aufbauen. Stattdessen wurden heute Morgen Gewinne mitgenommen und der Kurs gab um 3,5 Prozent bis auf 0,38 Euro zum Vormittag nach. Nach Trendwende sieht es hier leider noch immer nicht aus.
Nel ASA Aktie Chart
Plug Power und die Furcht vor dem November
Zumindest etwas weiter nördlich notiert derzeit Plug Power, strahlt dabei aber keinerlei Stabilität aus. Im Gegenteil: die Kurse schwanken seit einer ganzen Weile munter hin und her, was auch an dem nahenden November liegen dürfte. Denn der kommende Monat könnte in gleich zweierlei Hinsicht richtungsentscheidende Entwicklungen mit sich bringen.
Zunächst stehen am 5. November die Wahlen in den USA an und der bekennende Klimawandelleugner konnte in den Umfragen zuletzt wieder leicht zulegen. Jeder kann sich selbst ausmalen, ob und wie viel eine Regierung unter Trump in Projekte investieren würde, die sich die Reduktion von CO2-Emission zum Ziel gemacht haben. Trump rezitierte bezüglich seiner Vorstellungen des Öfteren den bekannten Wahlslogan der Republikaner, der da lautet: „Drill, baby, drill!“
Zu erwarten sind also eher neue Bohrprojekte für Öl und Gas und das Zusammenstreichen von Mitteln für erneuerbare Energien. Nun ist die Wahl noch lange nicht gelaufen. Doch allein die Aussicht auf eine mögliche Rückkehr des verurteilten Straftäters Donald Trump ins Weiße Haus dürfte manchem Anleger den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Nur zwei Tage nach der Wahl stehen dann auch schon Quartalszahlen von Plug Power an und die vergangenen Jahre liefern eindrucksvolle Beispiele dafür, welche Kursstürzte nach so einem Ereignis zustande kommen können.
Im roten Bereich
Die Stimmung will vor diesem Hintergrund weiterhin nicht recht steigen und trotz des einen oder anderen Erholungsversuchs an der Börse dominieren rote Vorzeichen im Wasserstoffsegment in einer fast schon lächerlichen Art und Weise. Die Nel ASA-Aktie gab seit Jahresbeginn um knapp 38 Prozent nach und sie kommt schon von einem eher deprimierenden Niveau. Plug Power verlor im selben Zeitraum um 52 Prozent an Wert, bei ITM Power sind es immer noch bedenkliche 27 Prozent. Die ehemalige Nel-Tochter Cavendisch Hydrogen schaffte es sogar, in nicht einmal fünf Monaten nach ihrem Börsengang um über 60 Prozent in die Tiefe zu stürzen.
Betont werden von Unternehmen und Politiker gebetsmühlenartig die langfristigen Chancen, die sich bei Wasserstoff noch verstecken. Darauf hinzuweisen, ist auch nicht verkehrt und grundsätzlich könnte hier ohne Weiteres ein gigantischer Markt mit schwindelerregenden Gewinnchancen entstehen. Doch solange es nicht gelingt, die größten Hindernisse aus dem Weg zu räumen, wird auch die gefühlt immer größere Skepsis nicht verschwinden.
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