Die Provinzregierung der weltberühmten Galapagos-Inseln hat am 11. Februar die Einführung elektrischer Autos verboten. Das besagt ein Regierungsdekret, von dem ich mir aus Neugierde vor Ort eine Kopie besorgte.
In den sogenannten „Leitmedien“ werden Sie hierüber kaum etwas zu lesen bekommen. Tatsächlich ist der gesamte Vorgang aber von großem Interesse für all jene Börsianer, die sich mit der gegenwärtigen Bewertung deutscher oder ausländischer Autohersteller befassen – ganz gleich, ob mit VW oder Tesla.
Charles Darwin benutzte die Galapagos-Inseln ja bekanntlich, um seine Theorie der Evolution aufzustellen. Ich benutze diese einzigartige Inselwelt (die von 2011 bis 2015 mein Zuhause war) heute dazu, um Ihnen zu verdeutlichen, wie es zur abstrusen Bewertung etlicher börsennotierter Automobilhersteller kam, und wie Sie diese zum eigenen Vorteil ausnutzen können.
Die Galapagos-Inseln als Fallstudie
Oft wird gesagt, die Galapagos-Inseln seien ein Mikrokosmos der Welt.
Alles, was irgendwo auf der Welt im Großen stattfindet, kann auf der pazifischen Inselgruppe im Kleinen relativ leicht beobachtet, gemessen und analysiert werden. Mit nur 30.000 menschlichen Einwohnern und einer recht geringen Zahl von Tier- und Pflanzenspezies sind die Inseln das ideale Labor, um Veränderungen sowohl in der menschlichen Gesellschaft als auch im Ökosystem zu verfolgen.
Es wäre begrüßenswert, wenn irgend jemand die Galapagos-Inseln nutzen würde, um die Fehlberechnungen und die Ignoranz zu untersuchen, die zum gegenwärtigen weltweiten Hype von Elektro-Autos geführt haben. Seitdem die dortige Provinzregierung die Einführung weiterer E-Autos verboten hat, lässt sich hier eine interessante Fallstudie für ein breiteres Publikum schreiben.
Der Rest der Welt versucht ja gerade mit aller Gewalt, Autos mit herkömmlichem Verbrennungsmotor in die Geschichte zu verbannen. Ausgerechnet aber jene Inselgruppe, auf der „grüne“ E-Autos mit offenen Armen willkommen sein sollten, hat nun die Einführung weiterer Elektro-Vehikel verboten.
Wie ist das alles möglich, und welche Schlüsse sollten Anleger mit Interesse an Autoaktien daraus schließen?
Boom, Enthusiasmus & PR-Fotos – danach die Pleite!
Tatsächlich rollten die Galapagos-Inseln im Jahr 2016 den sprichwörtlichen roten Teppich aus, als es um die Einfuhr von elektrischen Autos ging.
Bis dahin konnten Einwohner der Insel ein eigenes Fahrzeug nur mit Sondergenehmigungen einführen. Um das zerbrechliche Natursystem der Inseln zu schützen, sollten bis dahin so wenige Autos eingeführt werden wie überhaupt nur möglich.
Für E-Autos wurde dann aber eine Ausnahme gemacht:
- Ab Mai 2016 konnte jeder nach freiem Herzen sein Traumauto einschiffen, solange es denn nur mit Strom betrieben wurde. Als einzige Genehmigungshürde musste man nachweisen, dass man eine Familie hatte. Wie aber auf den Inseln schon damals jeder wusste, konnten unverheiratete Singles einfach ein verheiratetes Familienmitglied vorschieben. Fragen wurde keine gestellt.
- Die Regierung veranstaltete jahrmarktartige Ausstellungen um der Bevölkerung die jüngsten E-Auto-Modelle zu präsentieren.
- Die Presse, sowohl national als auch international, überschlug sich vor Begeisterung. Grün, nachhaltig, emissionsfrei! Die als Weltnaturerbe bekannten Inseln machten es der Welt endlich mal so richtig vor!
Die Begeisterung führte zu einer Rekordzahl an importierten Autos. Wer würde schon die Chance verpassen wollen, ein eigenes Auto zu haben und gleichzeitig noch so richtig was für die Umwelt zu tun? Die Regierung ermunterte den Trend mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Allerdings: Niemand stellte die notwendigen Berechnungen an um die Aktion auf ihren Sinn, ihre Machbarkeit und ihr Gesamtresultat hin zu untersuchen.
Tatsächlich war das ganze Vorhaben von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Warum?
1: Diesel-basierte Stromerzeugung
Rund 85% des Stroms, der auf den Galapagos-Inseln verbraucht wird, stammt aus Dieselgeneratoren.
Wer also sein E-Auto aus dem Stromnetz lud, fuhr letztendlich mit Diesel.
Gesetzgebung, um den Bau eigener Solaranlagen zu ermöglichen, gab es bis dahin noch nicht.
Was nach außen hin gut aussah, war in der Tat nichts anderes als eine Verlagerung des Verbrauchs fossiler Brennstoff in Generatoren, die außer Sichtweite vor den Stadttoren stehen.
2: Mangelnde Stromkapazität
Schon vor der Einfuhr mehrerer hundert zusätzlicher Elektro-Autos ging das Stromnetz der Inseln regelmäßig in die Knie. Starkes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ohne entsprechende Investitionen in den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur geht selten gut.
Während der zwei Wochen, die ich im Februar auf Galapagos verbrachte, brach fast jeden Tag zeitweise die Stromversorgung zusammen.
Über all dem Enthusiasmus über den „grünen“ und „nachhaltigen“ Personennahverkehr hatte man vergessen, einmal eine Verbrauchs- und Kapazitätsrechnung aufzustellen.
Die Regierung schrieb in ihrem Februar-Dekret denn auch, dass es bei dem Einfuhrstopp auch um den „Schutz der Stabilität des Stromnetzes“ ginge.
Honi soy qui mal y pense.
3: Unbequeme Fakten werden unter den Teppich gekehrt
Die „grüne“ Bewegung und ihr wohlgesonnene Medien sind ja seit jeher bekannt dafür, gegebenenfalls einfach unbequeme Aspekte auszublenden, wenn es dem eigenen Zwecke dient.
So führte die praktisch restriktionsfreie Einführungsregel für E-Autos zu einem Auto-Boom, der sich auch in absoluten Zahlen auf den Inseln bemerkbar machte. Die Straßen sind merklich voller geworden. Etliche Leute, die sonst kein Auto hätten, fahren heute mit dem eigenen Wagen durch die Gegend.
Dies kollidiert mit dem lange erklärten Ziel, das Tierleben der Inseln zu schützen. Die Zahl der (zahmen) Vögel, die durch Autos ums Leben kommen, ist auf Galapagos seit Jahren ein Problem und auch als solches weit bekannt. Noch mehr Autos, noch mehr plattgefahrene Vögel? Kein Problem! E-Autos sind ja schließlich grün und nachhaltig.
E-Autos gut, Benzin-Autos böse! Oder?
Jeder Traum ist irgendwann einmal zu Ende.
Seit einigen Wochen hat die harte Realität die Galapagos-Inseln eingeholt. An Fakten und Statistiken geht am Ende halt doch kein Weg vorbei.
An den Aktienmärkten herrscht derweil noch die Illusion vor, E-Autos seien die alles entscheidende Zukunft, und Hersteller von Benzinautos ein Auslaufmodell. So stellte der bekannte Stanford-Ökonom und Buchautor Tony Seba die These auf, dass Unternehmen wie Volkswagen oder auch Shell im Jahr 2030 überhaupt nicht mehr existieren würden.
Nonstop-Medienberichterstattung über die tolle Zukunft der E-Autos hat denn auch die Aktienmarktbewertungen beeinflusst:
- Tesla & Co. werden mit himmelhohen Wachstumsprämien bewertet.
- Deutsche Autohersteller gibt es dagegen so billig wie zuletzt 2008 (z.B. KGV 5).
Solange eine These nur von ausreichend vielen Medien gebetsmühlenartig wiederholt wird, schlägt sie sich irgendwann eben auch in den Aktienbewertungen nieder. Zumindest zeitweise. Denn an der Börse gilt, wie im normalen Leben, dass irgendwann wieder die Realität einkehrt.
Könnte die Zukunft der Autobranche doch etwas anders aussehen als es die Auguren des E-Autos derzeit Glauben machen?
In meinem jüngsten Research-Report über Volkswagen fasste ich meine Sicht der Dinge bereits zusammen:
- Für E-Autos gibt es tatsächlich in manchen Bereichen einen wachsenden Markt, z.B. in Großstädten und in anderen Fällen relativ kurzer Strecken. Die großen Autohersteller müssen hierfür eine Alternative im Produktsortiment führen.
- Für etliche andere Segmente wird der Benzinmotor bis auf Weiteres die Standardlösung bleiben. Vermutlich wird dies bis in die 2030er Jahre der Fall sein, und in manchen Teilen der Welt vielleicht sogar noch viel länger. Außerdem muss sich überhaupt erst noch zeigen, ob das E-Auto die beste Alternative zum Benziner ist. Vielleicht erweist sich der Wasserstoffmotor als bessere Alternative, wenn dessen technische Entwicklung weiter vorangeschritten ist. Das Management von Toyota setzt beispielsweise darauf, dass sich E-Autos als vorübergehende Modeerscheinung erweisen und irgendwann durch Wasserstoffahrzeuge verdrängt werden. Betamax verlor ja auch den Kampf gegen VHS, obwohl es früher eingeführt wurde. Wer damals aufs falsche Pferd setze, saß anschließend auf einem wertlosen Videorekorder.
- Deutschland sieht sich ja gerne als Vorreiter bei sogenannter “grüner” Energie. Tatsächlich steht wohl auch für mein altes Heimatland ein herbes Erwachen bevor. Bei den Energiezielen für 2020 lässt sich schon heute sagen, dass Deutschland vier der fünf Ziele verfehlen wird. Derzeit stellt das Land 55% seines Stroms durch die Verbrennung von Kohle her. Wer in Deutschland ein E-Auto fährt, ist in der Regel mit Kohleantrieb unterwegs.
Zufälligerweise war Deutschlands Bundespräsident Frank Walter Steinmeier auch gerade auf Galapagos. Er reiste vier Tage nach dem Verbot der E-Autos ein. Der Pressetrupp, den Steinmeier im Schlepptau hatte, sollte die Leser in der Heimat einmal darüber informieren, was denn passiert, wenn man den großen Push zum E-Auto ohne genaue vorherige Planung durchführt. Galapagos – das Insellabor, von dem die Welt lernen kann.
Vorübergehender Wahn, an dem sich verdienen lässt
In den nächsten Jahren wird sich zeigen, dass die Umstellung des Personennahverkehrs auf E-Autos eher Jahrzehnte denn Jahre dauern wird – wenn er denn überhaupt kommt. Deutschland könnte eine Fallstudie dafür werden, wie ein Land an der Umstellung des Stromnetzes scheitert und für diverse grüne Träume den Bankrott erklären muss.
Nach dem, was ich gerade auf den Galapagos-Inseln mit eigenen Augen sah, bin ich zuversichtlicher denn je, dass auch bei der Bewertung von Autoaktien irgendwann wieder Realität einkehren wird. Das genaue Timing hierfür ist wie immer schwierig vorherzusagen. Weil man gegenwärtig aber zu geradezu unglaublich günstigen Konditionen in einige der besten Autohersteller der Welt investieren kann, wird sich das Warten lohnen.
Zwei der besten Aktien in diesem Segment, die von Volkswagen und Porsche SE, habe ich in einer 72-seitigen Studie ausführlicher analysiert. Mit Hilfe dieses englischsprachigen Berichts können sich Mitglieder meiner Website Undervalued-Shares.com ein noch tiefergehendes Bild davon machen, wie man die gegenwärtigen Verzerrungen am Aktienmarkt am besten für sich selbst nutzen kann.
Viele Grüße
Swen Lorenz
Undervalued-Shares.com