Rechtlich scheint die Sache eigentlich klar zu sein: Wenn Sie eine Aktie eines Unternehmens erwerben, kaufen Sie automatisch einen Anteil an dieser Firma. Das macht Sie formal zum Miteigentümer. Sie werden aber in der Praxis schnell feststellen, dass Ihnen daraus weitaus weniger Rechte erwachsen, als wenn Sie zum Beispiel Eigentümer einer Immobilie oder eines Pkws werden.
Dies hängt natürlich auch von der Höhe Ihrer Kapitalanlage und der daraus resultierenden Beteiligung am Unternehmen ab. Wenn Sie in eine kleine Start-up-Aktiengesellschaft frühzeitig 1 Million Euro investieren, dürfte Ihnen das weitaus mehr Mitspracherecht ermöglichen, als es bei einem Investment in gleicher Höhe bei der Mercedes-Benz-Aktie oder der Amazon-Aktie der Fall wäre. Denn da bleiben Sie selbst mit 1 Mio. Euro ein ganz kleiner Fisch im großen Haifischbecken.
Klar: Die meisten von uns investieren Geld in Aktien, um mit dieser Kapitalanlage Vermögen aufzubauen. Doch der Erwerb eines Anteilscheins bedeutet mehr als nur eine Geldtransaktion. Dennoch unterliegen viele Anleger einem gewissen Irrglauben, welche Rechte Ihnen denn nun genau aus dem Kauf einer Aktien zuteilwerden. Wenden wir uns den populärsten Irrtümern zu.
Irrtum Nr. 1: Platz da – hier kommt der neue Boss!
Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade ein paar Aktien eines deutschen Großkonzerns wie Siemens erworben. Und dann denken Sie sich, es sei eine gute Idee, zur Konzernzentrale nach München zu fahren, um mal nach dem Rechten zu sehen. Weil: Das ist ja jetzt Ihr Unternehmen. Schließlich besitzen Sie Anteile daran.
Was würde passieren? Vermutlich würde Sie bereits der Pförtner wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen und nach Hause schicken. Oder – sollten Sie hartnäckig auf Ihr vermeintliches Recht pochen – den Sicherheitsdienst/die Polizei rufen, welche Sie mehr oder weniger freundlich aus dem Gebäude komplimentieren würden.
Okay, natürlich war diese Beschreibung übertrieben. In den allerseltensten Fällen dürften Aktionäre solch eine Verhaltensweise an den Tag legen. Aber es kommt durchaus vor, dass Anleger nach dem Kauf von Aktien glauben, dies sei nun „ihr“ Unternehmen. Und dann ganz verdutzt reagieren, wenn sich der Vorstand einen feuchten Kehricht um deren Kritik an einer Geschäftsentscheidung kümmert.
Als normaler Aktionär haben Sie in der Regel begrenzte Möglichkeiten, direkt auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens einzuwirken. Stattdessen setzen Sie Ihr Vertrauen in die Unternehmensleitung und hoffen auf eine gute Rendite. Wenn Sie mit Vorstand und seinen Entscheidungen nicht zufrieden sind, können Sie Ihre Aktien jederzeit verkaufen, um auszusteigen.
Zudem sollten Sie in Betracht ziehen, dass insbesondere leitende Angestellte eines Unternehmens – teilweise auch komplette Belegschaften – Inhaber von Aktien sind. Das sollte in der Regel Anreiz genug sein, um den Aktienkurs des Unternehmens zu steigern.
Selbstverständlich sind die Vorstände dessen ungeachtet nicht vor Fehlentscheidungen oder schwierigen Marktherausforderungen gefeit, an denen sie scheitern. Kritik an der Geschäftsführung ist also durchaus erlaubt und angebracht. Diese dürfen Sie dann auf der Aktionärsversammlung anbringen. Denn dort ist der Ort, an dem die Aktionäre jedes Jahr aufs Neue darüber abstimmen, ob sie den Vorstand „entlasten“ – sprich: die Tätigkeit gutheißen – oder eben nicht.
Im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzen schließlich die Großaktionäre oder deren Vertreter, die das Geschäftsgebaren des Vorstands kontrollieren sollen. Sie können über die Verlängerung der Vorstandsverträge bestimmen, gegebenenfalls neue Vorstände anheuern oder auch Vorstandsmitglieder feuern.
Irrtum Nr. 2: Wieso bekomme ich keinen Rabatt?
Bei manchem Aktionär keimt die Hoffnung auf, dass er sich durch den Erwerb von Anteilsscheinen nun auch kräftige Rabatte bei den Produkten oder Dienstleistungen gesichert hat. In den meisten Fällen erhalten die Eigentümer von Aktien aber nur das Recht, an der Rentabilität des Unternehmens teilzuhaben und können durch den Aktienkursanstieg profitieren.
Es stimmt zwar, dass bestimmte Unternehmen zum Beispiel bei Hauptversammlungen Preisnachlässe für ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Ein prominentes Beispiel wäre Warren Buffetts Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway, die solche Aktionen beim jährlichen Aktionärstreffen in Omaha, Nebraska, für ihre Beteiligungsgesellschaften durchführt. Diese Rabatte sind aber eher als „Goodies“ gemeint, um die Stimmung zu heben. Sie sind keineswegs verpflichtend.
Darüber hinaus wäre eine solche Unternehmenspolitik eher geschäftsschädigend und überhaupt nicht in Ihrem Interesse als Anleger. Denn als Aktionär wünschen Sie sich ja in erster Linie, dass der Kurswert des Unternehmens dank höherer Produktivität, mehr Marktanteilen etc. steigt und die Aktiengesellschaft mehr Gewinne in Form von Dividenden ausschütten kann.
Wenn nun ein Unternehmen, das vielleicht Millionen von Aktionären hat, diesen allen Rabatte gewährt, könnte dies zu einem erheblichen Einnahmeverlust führen. Die Umsätze und Gewinne schrumpfen, damit vermutlich auch der Kurswert und die Dividende. Mit Ihrem sukzessiven Vermögensaufbau wäre dann schnell Essig.
Irrtum Nr. 3: Das gehört jetzt mir!
Jetzt kommen wir zu einem Punkt, der nach dem allgemeinen Rechtsverständnis vielleicht schwieriger nachzuvollziehen ist. Ja, Sie sind als Aktionär Miteigentümer eines Unternehmens. Aber Sie haben keinerlei direkten Anspruch auf das Eigentum des Unternehmens, also auf Immobilien, Möbel, Maschinen, Computer etc.
Als Aktionär haben Sie bestenfalls ein Anrecht darauf, einen Teil der Gewinne des Unternehmens in Form von Dividenden zu erhalten. Und wenn das Unternehmen keine Gewinne im letzten Geschäftsjahr erzielt hat oder der Vorstand beschließt, die Gewinne zum Beispiel zur Gänze in das Geschäft zu reinvestieren, können Sie nichts dagegen tun. Sie müssen es hinnehmen und Ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Indirekten Anspruch auf die Vermögenswerte einer Aktiengesellschaft haben Sie nur im Worst-Case-Szenario, nämlich wenn die Firma pleite geht. Dann versucht der Insolvenzverwalter alle Werte, derer er habhaft werden kann, zu veräußern und aus der Verkaufssumme die Anteilseigner zu entschädigen.
In der Realität besteht allerdings häufig das Problem, dass ein Unternehmen zuvor seine wertvollen Sachwerte – zum Beispiel Immobilien – als Sicherheit für Kredite hinterlegt hat. Dann hat der Gläubiger – wie etwa eine Bank – ein Vorrecht darauf, aus der Konkursmasse bedient zu werden, und Sie als Aktionär schauen womöglich in die Röhre.
Als Aktieninhaber tragen Sie also quasi ein unternehmerisches Risiko, obwohl Sie gar keinen Einfluss auf das operative Geschäft haben. Immerhin können Sie sich jederzeit von Ihren Anteilen trennen, wenn Sie einen Käufer finden. Ihre Unternehmensbeteiligung verpflichtet Sie folglich zu nichts. Das ist ein Unterschied zu Vorständen solcher Aktiengesellschaften, die sich mitunter vertraglich verpflichten, bestimmte Sperrfristen einzuhalten, bevor sie Aktien veräußern, oder erst Aktien als Boni erhalten, wenn sie konkrete Vertragsziele erreicht haben.