$773 Milliarden ist Tesla an der Börse wert, mehr als die Börsenwerte der vier nachfolgenden Autobauer kumuliert. Eine mindestens mutige Bewertung für den mit 0.8% globalen Marktanteil kommerziell noch eher mäßig erfolgreichen Autobauer aus Kalifornien. Andere Faktoren lassen aber eine zumindest hohe Bewertung rechtfertigen: Mindestens sechs Jahre technischer Vorsprung gegenüber VW und Toyota bescheinigt man dem innovativen Autobauer[1].
Des Weiteren vertreibt er seine Autos direkt an den Konsumenten, während die Konkurrenz 10-12% Marge an Autohändler abgeben muss[2]. Die Vertriebskosten bei deutschen Autobauern liegen bei 25% (ibid.). Kosten, die Tesla nicht hat – und damit die Fantasien der Anleger beflügelt. Die Investitionen für den Aufbau einer globalen Automarke waren gleichzeitig überschaubar. In Deutschland durfte Opel in zwei Jahrzehnten $20 Mrd Verlust anhäufen[3], ohne dass medial mit der Wimper gezuckt wurde.
Dagegen erscheint Teslas kumuliertes Defizit von $5.66 Mrd[4] nicht sonderlich üppig, ja sogar sparsam. Der größte Wettbewerber BYD aus der Volksrepublik China kämpfte lange mit Tesla darum, wer der größte Elektroautobauer der Welt ist. Seitdem die chinesische Regierung jedoch für BYD die Subventionen gekürzt hat, geht es hier bergab[5].
Der Präzedenzfall
Im Januar 2000 war AOL nicht nur ein aufstrebendes Internetunternehmen, sondern feierte die größte Unternehmensübernahme in der US-Geschichte. Für $182 Mrd wurde das Traditionsunternehmen Time Warner mit den Marken Time Magazine, CNN, und Warner Bros. geschluckt. Das Technologieunternehmen AOL mit gerade einmal 30 Mio Abonnenten war damals erst 15 Jahre alt. Nach Erreichen des Höchststandes der Dotcom-Blase im März 2000 waren weitere Übernahmen erstmal unmöglich. Sie zeigt aber, in welchem Maße hochstrebende Innovationsfirmen auch Traditionsunternehmen nur aufgrund ihrer Börsenbewertung übernehmen können – gewollt oder ungewollt.
Strategische Ratio
Teslas Schwäche ist derzeit, den Bedarf an seinem Produkt auch operativ abzudecken. Die Firma könnte mehr Autos verkaufen, wenn sie genug produzierte. Im Aufbau einer effizienten Produktion ist Mercedes Weltmeister. BMW als Übernahmekandidat wird wohl am Votum des Mehrheitsaktionärs der Familie Quandt scheitern. Eine Übernahme von VW erscheint durch die Staatsbeteiligung auch ausgeschlossen.
Die Aktienkurse deutscher Staatsbeteiligungen um Commerzbank und Lufthansa weisen zudem keine rumreiche Historie auf. Übernahmen in Japan führen regelmäßig zu unkontrollierbaren Kulturkämpfen. Es verbleibt Mercedes Benz. Jüngst verkündete die Daimler AG, ihr Geschäfts mit Trucks und Citylinern abzuspalten[6] und gesondert an die Börse zu bringen. Der Wert dieser Neulistung wird auf €35 Mrd geschätzt.
Verbleiben etwa €30 Mrd auf die neugeschaffene Mercedes Banz AG selbst. Ein Wert, für den Tesla etwa 5% seiner Aktien tauschen müsste, setzt man eine 30%-iges Markup vor die Übernahme voraus. Würde ein Übernahmeangebot im Raum stehen, müsste so mancher Daimler-Aktionär wohl schwer ringen zu haben, ob er seine bestehenden Aktien nicht gerne tauscht. Die Daimler AG Aktie ist im STOXX Europe 600 Auto Index beim Wachstum regelmäßig auf den hintersten Plätzen zu finden.
Aussicht
Elon Musk müsste für eine Übernahme von Daimler nicht einmal seine Aktionäre um Erlaubnis fragen[7]. Die SEC verlangt eine Aktionärsversammlung für eine Übernahme nur dann, wenn der Übernahmekandidat mehr als 20% des eigenen Börsenwerts wert ist. Einen Wert, den die Daimler AG bei weitem nicht erreicht.
Elon Musk hätte auf einen Schlag nicht nur seinen Börsenwert gerechtfertigt, sondern auch erfolgreich Schwerpunkte in Zentraleuropa und China gesetzt. Misst man das Tempo der deutschen Autobauer bei der Einführung von Elektrofahrzeugen, könnte der Merger mit Tesla vielleicht sogar dafür sorgen, dass Mercedes die einzige Automarke aus Deutschland bleibt. Abschrecken könnte Tesla hingegen die Verschuldung der Daimler AG.
In 2019 stehen knapp €240 Mrd Verbindlichkeiten einem Vorsteuergewinn von €3.3 Mrd gegenüber[8]. Der Kurs der Daimler AG Aktie wird kurzfristig definitiv von der Aufteilung in zwei gelistete Gesellschaften profitieren. Und wer weiß, vielleicht ist man durch diesen Wert auch demnächst Aktionär bei Tesla.
[1] https://asia.nikkei.com/Spotlight/Most-read-in-2020/Tesla-teardown-finds-electronics-6-years-ahead-of-Toyota-and-VW
[2] https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/manufacturing/Deloitte_2015_I_es_final.pdf
[3] https://www.nzz.ch/wirtschaft/unternehmen/nach-88-jahren-unter-general-motors-opels-letzte-chance-ld.149470
[4] https://www.macrotrends.net/stocks/charts/TSLA/tesla/retained-earnings-accumulated-deficit
[5] https://www.welt.de/wirtschaft/article205574103/Absatzrekord-Drei-Jahre-Vorsprung-Tesla-deklassiert-deutsche-E-Autos.html
[6] https://www.ft.com/content/64910c9a-75c4-4e7b-9ca6-2d35c009498d
[7] https://www.reuters.com/article/us-tesla-electric-breakingviews-idUSKBN28D2ER
[8] https://www.wsj.com/market-data/quotes/DE/XBER/DAI/financials/annual/balance-sheet
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