Liebe Leserin, lieber Leser,
was waren die Hoffnungen groß: Ein Unternehmen fördert das für die Energiewende so wichtige Lithium aus dem Oberrheingraben, und das auch noch klimaneutral. Vulcan Energy Resources hat sich genau das auf die Fahnen geschrieben, das „Zero Carbon Lithium™ Projekt“ soll bis Ende 2025 die kommerzielle Produktion aufnehmen. Doch der Kursverlauf der Vulcan-Aktie war zuletzt ein einziges Desaster. Am Freitag verloren die Papiere noch einmal deutlich, am Montagmorgen ging es weiter zurück auf ein neues Jahrestief. Für das ambitionierte Projekt kommt es jetzt knüppeldick.
Spotpreise für Lithium im Sinkflug
Um gleich sieben weitere Prozent ging es mit den Papieren des Karlsruher Start-ups am Freitag in den Kurskeller, am Handelsplatz Frankfurt notierten sie zum Handelsschluss bei nur noch 1,41 Euro. In Stuttgart rutschte die Aktie Montag gar zwischenzeitlich auf 1,35 Euro zurück und schloss den Handelstag mit einem weiteren Minus von rund 3 Prozent. Allein im zurückliegenden Monat hat sie damit knapp ein Viertel ihres Werts eingebüßt. Innerhalb von drei Monaten ging es um unfassbare 70 Prozent abwärts.
Doch wie kann das sein? Klimaneutrales Lithium, das dringend für Batterien der Elektroautos benötigt wird, das klingt in der Tat nach einem Zukunftsprojekt. Doch laut The Motely Fool liegt die Antwort der jüngsten Misere auf der Hand. Zuletzt würden die Aktien von Vulcan Energy und anderer Branchentitel, etwa American Lithium, abverkauft, „da sich Anleger Sorgen über sinkende Lithiumpreise machten“. Die aktuellen Spotpreise seien seit Jahresbeginn deutlich gesunken „und dürften ihren Rückgang in den kommenden Monaten und Jahren fortsetzen“, so die Einschätzung.
Vulcan mit rechnet Mangel, US-Bank mit Überangebot
Dies ist laut des Berichts auf ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zurückzuführen, das nach Einschätzung der Bank of America in den Jahren 2024 und 2025 zu einem Überangebot auf dem Lithiummarkt führen werde. Cris Moreno, seit 1. Juli 2024 Managing Director und CEO bei Vulcan, sieht das langfristig anders: Bis 2030 werde Europa voraussichtlich mit einem erheblichen Lithiummangel konfrontiert sein, „der ernsthafte Auswirkungen auf die europäische Batterie- und Automobilindustrie haben könnte, falls inländische Lieferungen nicht realisiert werden“, glaubt er. Die Anleger vertrauen offenbar eher der Expertise der US- Bank.
- Dies sei ein schlechter Zeitpunkt für ein Unternehmen wie Vulcan Energy, das eine Produktionsaufnahme erst noch anstrebe, heißt es bei The Motely Fool
- Die Folge: „Vor diesem Hintergrund hat der Markt die Fortschritte des Unternehmens bei dem Projekt übersehen.“
Vulcan Energy mit neuen Meilensteinen
In der Tat hatte Vulcan Anfang September die Baugenehmigung für eine Zentrale Lithiumelektrolyse-Optimierungsanlage (CLEOP) im Frankfurter Industriepark Höchst erhalten, ein weitere Meilenstein. In der Anlage soll Lithiumchlorid in Lithiumhydroxidmonohydrat umgewandelt werden – dem Endprodukt, das anschließend in der Batterieherstellung Verwendung finden soll. Die Inbetriebnahme der Anlage sei für Ende des Jahres geplant.
Im August hatte Vulcan Energy bereits mit der Inbetriebnahme ihrer Lithiumextraktions-Optimierungsanlage (LEOP) in Landau begonnen. Die Anlage diene dem Unternehmen zur Produktqualifizierung, Optimierung sowie zur Schulung des Betriebsteams, hieß es. In der Anlage werde Lithiumchlorid gewonnen, gereinigt und konzentriert. In zwei bis drei Jahren soll die kommerzielle Förderung mit einer Kapazität von 24.000 Tonnen Lithium pro Jahr starten.
Milliardenbedarf bis zum Betriebsstart
Doch all diese Fortschritte haben nicht für positive Impulse an der Börse gesorgt, im Gegenteil. Seit Juli, als die Aktie kurzzeitig noch einmal die Marke von 3 Euro überwinden konnte, geht es immer weiter abwärts. Was den Negativtrend wohl noch verstärkt hat: Während die Lithiumpreise fallen, steigen die Investitionskosten für das Projekt an.
Bis die erste kommerzielle Anlage stehe, werde man insgesamt 1,5 Milliarden Euro brauchen, erklärte Unternehmensgründer Horst Kreuter unlängst gegenüber dem Handelsblatt – „deutlich mehr als anfangs angenommen“, so der Bericht. Da nützt es auch wenig, dass man die Kapazitäten nach eigenen Angaben für die nächsten fünf Jahre komplett verkauft hat. Volkswagen, Stellantis oder Renault sollen ebenso zu den Kunden gehören wie der LG-Konzern. Insgesamt, so schätzt man im Unternehmen, könne Vulcan Energy theoretisch 30 Prozent des europäischen Lithiumbedarfs decken.
Berenberg mit hohem Vulcan-Kursziel
Doch ob aus der Theorie auch Praxis wird, steht auf einem anderen Blatt. Hinzu kommen die gestiegenen Zinsen, was einem Unternehmen im Aufbau, das noch keinerlei Umsätze generiert, das Leben zusätzlich erschwert. Zu allem Überfluss regt sich zudem Widerstand in der Bevölkerung gegen die kilometertiefen Bohrungen. Gibt es also gar keine Hoffnung?
Doch: Einer jedenfalls glaubt weiterhin an einen Erfolg des „Projekts, Analyst Andres Castanos-Mollor von der Berenberg-Bank. Er sah das Kursziel für die Vulcan-Aktie laut Medienberichten im Juni noch bei rund 9,40 Euro, was aus heutiger Sicht fast einer Versiebenfachung des Werts entspräche.
- Das Risiko des Geschäftsmodells sei „ausreichend in den abgestürzten Kurs eingepreist“, so seine Behauptung damals
- Vielmehr sehe er „erhebliches Potenzial“, den begehrten Rohstoff lokal und günstig für die Batterie-Industrie zu liefern
Einziger Schönheitsfehler an der Rechnung: Die Berenberg-Bank ist bezüglich des Start-up nicht gerade als unabhängig einzustufen, sie hatte Vulcan Energy Ressources 2021 an die Börse gebracht.
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