Liebe Leserinnen und Leser,
Sie dürfen sich verwundert die Augen über die Varta reiben. Die Notierungen sind binnen einer Woche um über 255 % nach oben gelaufen. Kann die Rallye in der neuen Woche weiter gehen? Keiner weiß es. Was aber sicher ist: Die Rallye wird nicht über Wochen auf diese Weise fortgesetzt werden können.
Wer hinsieht, muss feststellen, dass diese Aktie den Betrag, den die Börsen nun zahlen, nicht wert ist.
Varta: Das ist der große Irrtum
Der Irrtum oder vielmehr der Schwindel, auf dem Verkäufer der Aktie jetzt kassieren, ist die Vorstellung, bei der Varta-Aktie handele es sich noch um ein normales, lange handelbares Wertpapier.
Das ist falsch.
- Varta wird mit hoher Sicherheit in den kommenden Monaten mit dieser Aktie vom Markt genommen. Das geht aus den Sanierungsbemühungen hervor, die jetzt offenbar in diesem Punkt keine Rolle mehr zu spielen scheinen. Das Grundkapital soll auf Null herabgesetzt werden. Dann wird die alte Aktie vom Handel genommen – um eine neue Varta-Aktie zu emittieren.
- Für die neue Varta-Aktie zahlen dann die jeweiligen neuen Aktionäre (neu im Sinne des Kaufes dieser neuen Aktien) M. Tojner und dessen Gesellschaft sowie die Porsche jeweils 30 Millionen Euro. Diese Aktien werden nicht an der Börse gehandelt. Alte Aktionäre werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Gelegenheit bekommen, die Aktie zu erwerben. Kleinaktionäre haben eine Klage dagegen angekündigt. Es ist jedoch offen, wie sich die Klage durchsetzen soll. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) meinte dazu: „Wir bereiten uns jetzt ganz konkret darauf (eine Gerichtsauseinandersetzung, d. Red.) vor. Nach dieser Hauptversammmung werden wir klarer werden müssen, was denn die Konsequenzen sind, wenn das Unternehmen den Streubesitz ohne Entschädigung rausdrücken will.“ Der Streubesitz sind die aktuellen Aktionäre mit der bisherigen Aktie.
- Varta geht nach dem Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) vor. Danach können die Interessen der – bisherigen – Aktionäre aus dem Spel genommen werden. Das Verfahren sieht vor, dass es einen Schuldenschnitt geben soll, d. h. Schulden werden gekappt – und die Verlängerung von Darlehenslaufzeiten. Zudem kämen dann nach der Aktienmaßnahme, dem Herabsetzen des Grundkapitals und der Ausgabe neuer Ausgabe an zwei Aktionäre, noch einmal 60 Millionen an Darlehen dazu. Dieses Verfahren wird im Oktober wohl beim Sanierungsgericht eingereicht. Bis Januar soll es dann abgeschlossen sein.
- Die bisherigen Aktionäre, so jedenfalls erklären es die organisierten Kleinanleger, wollen zumindest Bezugsrechte für die neuen Aktien erhalten.
Diese Aussichten bedeuten allerdings für die alten Bestände an Aktien nichts Gutes. Offensichtlich würden selbst im günstigsten aller Fälle, wenn die Altaktionäre zur Entschädigung Bezugsrechte erhielten, die Verhältnisse nicht deutlich besser. Denn die vorgesehene Ausgabe der neuen Aktien im Emissionsvolumen von 2*30 Millionen Euro bedeutet eben, dass die Varta dann Bezugsrechte für 60 Millionen Euro Aktienkapital herausgeben würde. Der Aktionäre M. Tojner besittz schon heute ca. 50 % aller Altaktien. Der Streubesitz käme also auf Bezugsrechte im Wert von 30 Millionen Euro.
Um allenfalls 30 Millionen Euro Aktienwert (in Form von Bezugsrechten für Altaktionäre) geht es derzeit am Markt. Nun kommt der Taschenrechner ins Spiel.
Aktie um ein Vielfaches überbewertet
Um diese 30 Millionen Euro an Bezugsrechten – von denen nicht klar ist, ob es sie vor Gericht dann überhaupt geben kann – wird derzeit an den Märkten effektiv gerungen. Der Marktwert ist durch die jüngsten Gewinne auf über 210 Millionen Euro geklettert. Also wäre das Unternehmen auf Basis des aktuellen Aktienkurses für die Altaktie 210 Millionen Euro wert.
Der Streubesitz, der um 30 Millionen Euro Bezugsrechte ringen würde, hätte davon Aktien im aktuellen Wert von 105 Milllionen Euro. Die Rechnung ist einfach: Selbst im besten aller Fälle sind die 105 Millionen Euro (da der Streubesitz nur 49 % aller Aktien ausmacht) noch 30 Millionen Euro Bezugsrecht wert.
Nun könnte man einwenden, dass die neue Aktie nicht nur 30 Millionen Euro Bezugsrecht wert sind, sondern weit mehr, da Varta durch die Sanierung wertvoller wird. Die neue Aktie allerdings wird dann gar nicht an der Börse gehandelt. D. h., es gibt keine faire Möglichkeit, neue Aktien dann auch zu verkaufen.
Nun ist die Frage, wer heute noch mit gut 250 % (und mehr) Gewinn pro Woche um eine Aktie wettet, die ersichtlich selbst im besten Fall deutlich weniger wert sein muss. Es ist vollkommen unklar, was diejenigen, die diese Aktie aktuell – zu den immer höheren Kursen auch noch – kaufen, mit der Aktie anfangen wollten. Das bedeutet nur eines: Es wird schlicht darauf spekuliert, dass der Kurs steigt. Obwohl (fast) jeder weiß, dass es einen nahen Endpunkt geben wird.
Varta Aktie Chart
Die Kursperformance der Varta-Aktie
Nach allen Regeln der Rechenkunst haben sich diejenigen, die auf einen nachhaltigen Wertzuwachs der Aktie setzen, verkalkuliert. Es gibt nach den Rahmenbedingungen, die zur Sanierung bekannt sind, keine Aussichten auf einen dauerhaften Anstieg dieser, der heute gehandelten Aktien. Im Gegenteil: Da die Aktien selbst im besten Fall gegen Ausgabe kleiner Bezugsrechte vom Markt genommen werden, ist quasi die Obergrenze des Wertes definiert.
Nun kann, da das rechtliche Verfahren nicht abgeschlossen ist, alles anders kommen. Einen gangbaren Weg aus der ersichtlichen Kapitalvernichtung für die Aktionäre, die heute kaufen, bieten die Szenarien jedoch nicht. Es wird eindeutig spekuliert – wie lange noch?
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