Liebe Leserin, liebe Leser,
was geschieht, wenn ein Unternehmen in existenzielle Not gerät, sich von Investoren retten lässt und zugleich die Altaktionäre per Delisting aus dem Unternehmen drängt? Die Aktie wird perspektivisch wertlos, die Anleger verkaufen, sollte man meinen. Und das war in der Tat so, als Varta im Sommer den Schritt ankündigte, sich über das so genannte StaRUG-Verfahren zu sanieren. Von zuvor mehr als 10 fiel die Varta-Aktie bis auf 0,79 Euro zurück. Bis Montag allerdings hatte sie sich im Wert wieder vervielfacht, allein an den vergangenen sechs Handelstagen um sagenhafte 270 Prozent auf 5,57 Euro. Am Dienstag rutschte sie dann urplötzlich um gut 20 Prozent auf rund 4,30 Euro ab. Doch warum ist überhaupt noch jemand in Varta investiert angesichts des drohenden Totalverlusts? Es ist offenbar eine vage Hoffnung.
Varta einigte sich mit Gläubigern und Banken
Denn eine Übereinkunft zwischen Großaktionär Michael Tojner, dem Kunden Porsche und vier investierten Bankenfonds muss laut FAZ zwar noch formelle Hürden nehmen. Wahrscheinlich sei die mittelfristige Zukunft von Varta damit aber gesichert, hieß es bereits im August. „Allerdings nicht der bisherigen Aktiengesellschaft, denn die wird nach dem angestrebten Schuldenschnitt Geschichte sein“, so der damalige Bericht. Dies sei „ein bitterer Schritt für die Kleinaktionäre“. Sie seien die großen Verlierer, ihre Anteile, die noch vor drei Jahren bei 160 Euro notierten, werden wertlos.
- Die DZ Bank und Warburg Research hatten bereits im Juli auf die Pläne reagiert
- Sie setzten das Kursziel für die Varta-Aktie angesichts der Situation auf Null
Porsche steigt ein, Varta-Aktie hebt ab
Und so ist es schon mehr als verwunderlich, dass die Aktie auf die jüngste Nachricht mit irren Kurssprüngen reagierte: Sportwagenbauer Porsche übernehme wie geplant die Mehrheit an der Varta-Tochter V4Drive Battery. Die Verträge seien unterschrieben, teilte der Batteriehersteller am Mittwoch mit. Um Varta zu retten, steigt der Autobauer als zweiter Aktionär mit 30 Millionen Euro in die Muttergesellschaft Varta AG ein.
Der Konzern, der sich mit einem aggressiven Expansionskurs übernommen hatte, werde über das vorinsolvenzliche StaRUG-Verfahren entschuldet, erläuterte das Handelsblatt noch einmal. Will heißen: „Die bisherigen Aktionäre sollen dabei ihren Einsatz verlieren, nur der bisherige Mehrheitsaktionär Michael Tojner und Porsche zeichnen die neuen Aktien“. Nach Zustimmung aller erforderlichen Parteien werde der Restrukturierungsplan beim zuständigen Sanierungsgericht eingereicht. Berichten zufolge könnte das Verfahren bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Sobald der Restrukturierungsplan rechtskräftig ist, erfolgt kurz darauf das Delisting. Das Papier ist dann wertlos.
Anleger-Ausschluss braucht einen Grund
Was lässt also die Zocker derzeit in der Varta-Aktie? Sind die alle irre, wie immer wieder behauptet wird? Nicht ganz wohl, denn am Horizont glimmt ein Hoffnungsschimmer. Rchtlich gesehen ist es beim StaRUG-Verfahren kein Automatismus, dass Kleinanleger draußen bleiben müssen. Dafür braucht es vom Gesetz her einen Grund. Dieser liegt nach Ansicht der Anlegerschutzvereinigung DSW im Fall Varta schlicht darin, „dass man auf Seiten der Berater des Unternehmens und seiner Großaktionäre glaubt, dass das StaRUG eine solche Enteignung trägt“.
Doch die DSW will das dem Konzern nicht durchgehen lassen: „Diese eklatante, auch durch das StaRUG nicht angelegte oder gar gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Aktionäre stellt den Erfolg der gesamten Restrukturierung und das geplante StaRUG-Verfahren in Frage, sofern nicht doch eine Einigung gefunden werden kann“, macht die Vereinigung in einer Mitteilung deutlich.
DSW droht mit Klagen gegen Varta
„Mit der auf eine Enteignung der freien Aktionäre abzielenden Strategie der Berater des Unternehmens gefährdet man nicht nur bewusst das Sanierungsverfahren, sondern auch den Bestand der VARTA AG, vom verheerenden Signal für den Kapitalmarkt und insbesondere die Belegschaftsaktionäre ganz zu schweigen“, so die Schutzgemeinschaft. Und so will ein Bündnis um die DSW alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um gegen die Enteignung vorzugehen. Die Initiative des Restrukturierungsbeauftragten aufgreifend, sehe man folgende Möglichkeiten einer Einigung, heißt es:
- Teilnahme der freien Aktionäre an der Kapitalerhöhung mittels Bezugsrechts
- Ankauf der Bezugsrechte durch die „Neu“-Aktionäre zu einem angemessenen Preis
- Ankauf der Free-Float-Aktien zu einem angemessenen Kurs zzgl. einer Prämie für den Verzicht auf Gegenmaßnahmen
Steigt dadurch die Insolvenzgefahr?
Und die DSW droht Varta offensiv mit Klage: „Eine Einigung würde der Gesellschaft erhebliche Opportunitätskosten (Kosten für Rechtstreitigkeiten, Verzögerung des Plans bis hin zum Scheitern des Plans) einsparen“, macht sie deutlich. Denn führe keiner dieser Vorschläge zu einer einvernehmlichen Lösung, „wird das Bündnis alle rechtlichen Mittel, die die deutsche Rechtsordnung vorsieht, ausschöpfen und zeitnah Gegenmaßnahmen einleiten, die die Insolvenzgefahr für die Varta AG deutlich steigen lassen“.
Ob das Varta-Management sich davon beeindrucken lässt, ist aber fraglich. Die Firmenleitung reagiere „relativ entspannt“ auf den Vorstoß, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Aus dem Umfeld von Varta heiße es, dass man im Rahmen der Gesetze handle. „Anlegerschützer könnten die Sanierung durch Klagen verzögern, aber das ändere nichts daran, dass die Restrukturierung notwendig sei.“ Kurzum: Wer jetzt in Varta investiert (ist), geht ein hohes Risiko ein. Irre muss man dafür nicht sein. Allerdings verdammt mutig.
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