Nun ist es traurige Realität: Am Montag hat Valneva mit der Europäischen Kommission einen neuen Vorvertrag unterzeichnet über die Lieferung seines Covid-19-Impfstoffs VLA2001 – zu stark reduzierten Konditionen. So werden teilnehmende EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland, Österreich, Dänemark, Finnland und Bulgarien – dem Wirkstoffentwickler im laufenden Jahr zunächst nur 1,25 Millionen Dosen abnehmen – mit der Option auf eine weitere Charge in gleicher Höhe.
Das ist natürlich nur eine mickrige Absatzmenge verglichen mit den 60 Millionen Einheiten, die der Vorvertrag mit Brüssel ursprünglich vorgesehen hatte. Nachdem die EU die Vereinbarung zunächst ganz aufgekündigt hat, musste Valneva-CEO Thomas Lingelbach vor zwei Wochen einer drastisch reduzierten Abnahmemenge zähneknirschend zustimmen.
Parallel hält Valneva noch 8 bis 10 Millionen Dosen an Beständen, um sie in internationalen Märkten direkt anzubieten. Angesichts der niedrigen Bestellmenge der Europäer hat die Biotech-Firma die VLA2001-Produktion eingestellt und prüft die damit verbundenen Vermögenswerte bezüglich „möglicher Abschreibungen“.
Keine Frage: Für das Covid-19-Programm von Valneva ist diese Entwicklung ein Desaster. Zwar ließ das Unternehmen verlauten, dass es immer noch das untere Ende seiner Finanzprognose erreichen könnte. Gleichzeitig teilt man mit, man rechne „nicht mit unmittelbaren Liquiditätsengpässen“. Allein die Erwähnung spricht indes Bände.
Viel mehr als nur ein Corona-Impfstoff
Auch wenn der überschaubare kommerzielle Erfolg von VLA2001 auch für Valneva-Anleger eine herbe Enttäuschung darstellt: Das französische Unternehmen hat weit mehr zu bieten als ein Corona-Vakzin.
Im Mai etwa hatte der Wirkstoffhersteller erfolgreich eine klinische Phase-3-Studie für seinen Impfstoffkandidaten gegen Chikungunya beendet – eine durch Mücken übertragene Viruserkrankung, die durch akut auftretendes Fieber, lähmende Schmerzen, Übelkeit und Hautausschlag gekennzeichnet ist.
Während das Hin und Her bei Valnevas Corona-Impfstoff an den Finanzmärkten hohe Wellen schlägt, wird den Fortschritten mit anderen Vakzinen an der Börse eher wenig Bedeutung beigemessen – meiner Meinung nach zu Unrecht. Da der weltweite Markt für Chikungunya-Vakzine bis 2032 auf jährlich über eine halbe Milliarde US$ geschätzt wird, wäre allein mit diesen Aussichten der aktuelle Börsenwert von einer guten Milliarde € zu rechtfertigen.
Hinzu kommen zwei bereits kommerzialisierte Reiseimpfstoffe sowie der zusammen mit dem US-Partner Pfizer entwickelte Lyme-Borreliose-Wirkstoffkandidat VLA15, der voraussichtlich im dritten Quartal in eine zulassungsrelevante Phase-3-Studie eintreten wird. Wenn alles gut läuft, wäre eine Marktzulassung theoretisch schon Ende 2024 möglich.
Spätestens der großangelegte Pfizer-Einstieg im Juni hat klar unterstrichen, dass Valneva mit seiner vielversprechenden Pipeline einiges zu bieten hat. Eine Komplettübernahme des US-Konzerns wäre nun vorstellbar, was Anteilseignern der kleinen französischen Biotech-Firma einen wahren Geldsegen bescheren könnte.
Multibagger-Fantasien vorerst begraben
Die eher trüben Aussichten für VLA2001 sind daher noch kein Grund, Valneva als Anleger den Rücken zu kehren. Das Covid-Serum ist für das Unternehmen vielmehr nur das Tüpfelchen auf dem i: Die Aktie besitzt damit ein Vervielfacher-Potenzial, das sich voraussichtlich jedoch nicht mehr manifestieren wird. Nach unten ist der Kurs hingegen durch die anderen aussichtsreichen Impfstoff-Programme abgesichert.
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