Einswerden mit der virtuellen Welt: Was jahrelang der Science-Fiction-Literatur vorbehalten war, ist heute Wirklichkeit. Angetrieben wird die Virtualisierung vor allem durch zwei Konzepte: die virtuelle Realität (Virtual Reality; VR) und die erweiterte Realität (Augmented Reality; AR).
Bei der virtuellen Realität wird die physische Welt komplett ausgeblendet. Der Nutzer muss eine spezielle VR-Brille tragen, damit er in die virtuelle Umgebung abtauchen kann. So kann er beispielsweise in computergenerierten Unterwasserwelten mit Walen schwimmen, ein Schiffswrack erkunden oder gegen Monsterhorden kämpfen. Umso besser diese künstlich erschaffenen Welten werden, desto höher ist der Grad an Immersion.
Unter der erweiterten Realität versteht man hingegen ein Zusammenspiel von digitalem und analogem Leben. In der Regel funktionieren AR-Lösungen ebenfalls über spezielle Brille. Der Clou: Setzt ein Nutzer eine solche AR-Brille auf, verschwindet die reale Welt im Gegensatz zur VR nicht.
Vielmehr wird das physische Bild mit zusätzlichen digitalen Informationen zur Umgebung gespeist. Einem Lagerarbeiter etwa kann somit angezeigt werden, in welchem Regal das gesuchte Ersatzteil zu finden ist. Und der Mechaniker kann nützliche Informationen über das technische Bauteil erhalten, das er reparieren soll.
Deshalb ist vor allem die AR-Technologie nicht bloß eine reine Spielerei. Längst setzen Industriekonzerne solche Lösungen ein, auch um das Personal gefahrenfrei zu schulen. Das Potenzial der Technologie ist jedenfalls enorm und wird künftig nahezu die gesamte Wirtschaft umfassen.
Profiteure sind die großen Tech-Konzerne, die VR- und AR-Brillen entwickeln und somit das Grundgerüst dieser wachstumsstarken Entwicklung stellen. Im Folgenden wollen wir Ihnen 3 dieser Big Player-Aktien vorstellen.
Facebook – VR-Primus will nachlegen
Das Thema VR und AR stand bei Investoren des Social-Media-Konzerns lange Zeit nicht im Vordergrund. Durch die Übernahme des US-Start-up Oculus kam es 2014 dann zur Wende. Oculus entwickelt die gleichnamige VR-Brille, die vor allem im Gaming-Bereich zum Einsatz kommt.
Inzwischen ist die Facebook-Tochter Marktführerin bei den VR-Brillen. Allein im vierten Quartal 2020 wurden 1,1 Millionen Stück der neuen „Oculus Quest 2“ weltweit abgesetzt. Gleichzeitig können die Gamer bei immer mehr Videospielen Oculus nutzen, um Teil der virtuellen Realität zu werden. Branchenkenner gehen davon aus, dass künftig nahezu alle 3D-Spiele eine solche VR-Funktion anbieten werden.
Doch allein mit VR will sich Facebook freilich nicht zufriedengeben. Vor einigen Monate kündigte der Tech-Konzern auch eine eigene AR-Brille an, die noch im laufenden Jahr auf den Markt kommen soll. Entwickelt wird das Gerät zusammen mit dem italienischen Brillenhersteller Luxottica, bekannt durch Marken wie Ray-Ban.
Besonders interessant: Facebook will seine AR-Brille mit einem sogenannten neuronalen Armband kombinieren. Dieses soll die Nervensignale des Nutzers, die das Gehirn zum Beispiel während des Tippens an die Finger sendet, erkennen können. In Kombination mit der AR-Brille soll die Steuerung der erweiterten Realität dadurch intuitiver und einfacher werden.
Dass VR und AR künftig zu einem noch wichtigeren Standbein des Konzerns werden sollen, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Meldung. Demnach arbeiten bei Facebook inzwischen 10.000 Mitarbeiter an Lösungen rund um VR und AR. Das ist etwa ein Fünftel der gesamten Belegschaft. Zum Vergleich: Vor vier Jahren waren es gerade einmal 1.000 Menschen.
Microsoft – Soldaten und Hologramme
Microsoft ist seit 2015 mit seiner HoloLens-Brille im Bereich der Augmented Reality tätig. Das Gerät ist vor allem für Industriekunden gedacht. Entsprechend teuer ist die Brille im Vergleich zur Oculus, die eher auf Privatnutzer abzielt.
Neben der Industrie scheint die HoloLens, die inzwischen in der zweiten Generation verfügbar ist, auch bei staatlichen Kunden auf Anklang zu stoßen. Erst Ende März wurde bekannt, dass das US-Verteidigungsministerium 120.000 Exemplare der Datenbrille geordert hat. Diese sollen zusammen mit Cloud-Diensten und KI-Lösungen die Soldaten im Kampfeinsatz unterstützen, aber auch bei Übungen helfen.
Für Infanteriesoldaten könne man damit eine Mixed-Reality-Trainingsumgebung schaffen, in der die Soldaten vor dem Kampfeinsatz üben können, so das Pentagon. Ein besonders realistisches Kriegs-Videospiel also.
Geht es um Realismus hat Microsoft noch ein weiteres Ass im Ärmel. Anfang März stellte der Konzern die Plattform „Microsoft Mesh“ vor. Darüber sollen künftig unter anderem dreidimensionale Video-Streams an AR-Brillen übertragen werden.
Der Clou: Dank der Plattform können künftig physisch weit entfernte Gesprächspartner in einer virtuellen Umgebung nebeneinander erscheinen und zum Beispiel ein 3D-Objekt begutachten. Die Anwender bekommen so den Eindruck, sich gemeinsam in einem Raum aufzuhalten, selbst wenn sie sich eigentlich auf verschiedenen Kontinenten befinden.
Erscheinen kann der holographische Gesprächspartner nicht nur als Avatar, also als künstlich kreierte Spielfigur. Auch eine Holo-Portation des menschlichen Abbilds soll mit Mesh und den AR-Brillen in Zukunft möglich sein.
In einem Präsentationsvideo zeigt Microsoft beispielsweise eine reale Scheune, in der sich vier Personen befinden. Zwei davon sind physisch zugegen und die anderen beiden als Hologramm. Dabei betrachten die Personen das virtuelle 3D-Modell eines Autos, bzw. dessen Innenleben.
In einer anderen Sequenz stehen drei Personen vor einem realen Tisch, auf dem eine virtuelle Animation eines Flughafens zu sehen ist. Eine Person ist tatsächlich vor Ort, eine weitere erscheint als Avatar und die dritte als holographische Nachbildung ihrer selbst.
Microsoft zielt mit Mesh insbesondere auf betriebliche Anwendungen ab – etwa bei Treffen von Ingenieuren, Architekten oder Logistikplanern. Ingenieurstudenten könnten sich zum Beispiel als Avatar um ein holographisches Modell versammeln und Komponenten des Motors entfernen, um zu schauen, was darunter liegt.
Apple – Hype vorprogrammiert
Im Unterschied zu Facebook und Microsoft hat Apple bislang keine eigene VR- oder AR-Brille auf den Markt gebracht. Das soll sich aber schon bald ändern. Nach Angaben des stets gut informierten Apple-Analysten Mark Gurman arbeitet der Konzern derzeit gleich an mehreren Geräten.
Demnach will der Tech-Gigant alsbald ein Modell mit dem Codenamen N301 vorstellen, das sowohl VR- als auch AR-Funktionen beinhalten und 2024 erscheinen soll. Das zweite Produkt N421 wird laut Gurman eine reine AR-Brille sein, die frühestens 2024 auf den Markt kommen soll.
Der ebenfalls renommierte Apple-Analyst Ming-Chi Kuo hat erst kürzlich über erste technische Eckdaten dieser wohl geplanten AR-Brille berichtet. Demnach sollen in dem Gerät bis zu 15 Kameras integriert sein. Die beachtliche Anzahl an Kameras soll bewirken, dass die Brille bzw. das Headset nicht nur Daten von außerhalb sammelt, sondern auch die Augenbewegungen des Anwenders im Detail verfolgt.
Damit dürfte Apple seine Konkurrenten übertrumpfen, werden in gängigen VR- oder AR-Sets aktuell doch nur zwei bis fünf Kameras verwendet. Laut den Analysten will Apple mit der AR-Brille sowohl Firmen- als auch Privatkunden ansprechen.
Für Apple ergibt sich hier ohne Zweifel enormes Potenzial. Zum einen kann der Konzern die virtuelle und erweiterte Realität nutzen, um das inzwischen umfangreiche Produkt- und Dienstleistungsportfolio mit weiteren innovativen Gadgets zu bereichern.
Zum anderen dürfte die zugkräftigte Apfel-Marke dafür sorgen, dass der Marktstart zu einem beachtlichen Hype wird. Kaum einer der Millionen Fans dürfte es nicht entgehen lassen wollen, künftig via Apple-Brille in die virtuelle Realität einzutauchen.