Liebe Leserin, lieber Leser,
wer am Wochenende im Netz den Aktienkurs von TUI checkte, lief Gefahr, glatt vom Stuhl zu fallen: Ein Tagesplus von unfassbaren 832,45 Prozent auf 17,32 Euro meldete beispielsweise Google Finance. Und boerse.de titelte „TUI-Aktie mit neuem 3-Jahres-Hoch“, was angesichts dieser Performance keine Überraschung gewesen wäre. Von wegen, das war blanker Unsinn. Denn die TUI-Aktie hatte am Freitag nicht an Wert dazugewonnen, sondern im Gegenteil deutlich abgegeben. Wie ist das zu erklären?
TUI-Aktie gibt nach Zusammenlegung ab
Wie an dieser Stelle mehrfach erwähnt, hatte TUI am Freitag eine Zusammenlegung (Reverse Split) im Verhältnis 1:10 ihrer Aktien vorgenommen. Aus zehn Anteilscheinen des Reisekonzerns wurde an diesem Tag also einer, der Wert hat sich im Moment der Umstellung daher verzehnfacht. Dies ist der Grund, warum der Vergleich zum letzten Kursstand vom Donnerstag die Algorithmen der vermeintlichen Künstlichen Intelligenz (KI) überforderte, computergenerierte Texte in Ermangelung der Hintergründe daher einen massiven Wertzuwachs „halluzinierten“, wie dies in der Fachsprache heißt. Tatsächlich aber war die Aktie des Reisekonzerns, wie in den Vortagen bereits, weiter gefallen.
2,00 Euro lautete der Tageshöchststand der Papiere von TUI noch am Dienstag, 1,89 Euro waren sie am Mittwoch zum Xetra-Handelsschluss wert, der letzte Schlusskurs nach alter Berechnung belief sich am Donnerstag auf 1,86 Euro – nach neuer demnach 18,60 Euro. In der Tat eröffnete die TUI-Aktie am Freitag etwas tiefer bei 18,40 Euro und stieg zunächst leicht. Doch dann kam es zur Trendumkehr, die Papiere gaben mehr und mehr ab, um sich am Ende bei besagten 17,32 Euro ins Wochenende zu verabschieden.
- Die Anteilscheine hatten zum Vortag somit fast sieben Prozent verloren
- Seit ihrem Zwischenhoch am Dienstag beläuft sich das Minus gar auf gut 13 Prozent
Voraussetzung für geplante Kapitalerhöhung
Dabei hatte sich die Aktie in den Tagen zuvor noch wacker geschlagen, nachdem die Hauptversammlung der TUI AG den Weg für die Aktienzusammenlegung am 14. Februar mit großer Mehrheit geebnet hatte. Die Aktienanzahl insgesamt verringerte sich von zuvor rund 1,79 Milliarden Aktien auf ein Zehntel und damit auch die Aktienanzahl jedes Anteilseigners. „Das ändert theoretisch nichts am wirtschaftlichen Wert des jeweiligen Aktienpakets, aber praktisch sehr wohl“, hieß es nach der Abstimmung bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Denn als zweiter Schritt ist von TUI eine Kapitalerhöhung geplant, mit dessen Erlös der durch die Corona in Schieflage geratene Touristikkonzern die Staatshilfen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bis Ende des Jahres zurückzahlen will. „Und nur wenn die Aktionäre ihr Bezugsrecht auch ausüben und zusätzliche Aktien kaufen, bleibt ihr Anteil am Kapital gleich groß“, heißt es dazu in der FAZ. Möglicherweise war die drohende Verwässerung der Grund, dass die Papiere um die entscheidende Phase herum dann doch noch nachgaben.
Analysten mit unterschiedlichen TUI-Kurszielen
Mehrere Analysten hatten einen Rücksetzer bei der Aktie vorausgesagt, zum Teil noch sehr viel extremer. So hatte etwa die UBS die Aktie nach den zur Hauptversammlung ebenfalls vorgestellten Quartalszahlen auf “Sell” mit einem Kursziel von lediglich 99 britischen Pence belassen, was 1,12 Euro entspricht. Barclays Capital siedelte die faire Bewertung nur unwesentlich höher an. Etwas zuversichtlicher zeigten sich Deutsche Bank und das Analysehaus Jefferies. Die Kursziele nach neuer Berechnung im Überblick:
Kursziel | Kurspotenzial | |
UBS | 11,20 Euro | -35,5% |
Bernstein Research | 20,00 Euro | +15,3% |
Barclays Capital | 14,20 Euro | -18,1% |
Deutsche Bank | 19,00 Euro | +10,9% |
TUI-Chef: „Jetzt sind wir eindeutig zurück!“
Bislang vertrauten die Anleger aber eher dem TUI-Management, das von einer spürbaren Erholung am Reisemarkt sprach: „Ja – diese Jahrhundert-Pandemie hat auch uns aus der Bahn geworfen“, räumte der neue TUI-Vorstandsvorsitzende Sebastian Ebel vor den Aktionären ein. Das zurückliegende Geschäftsjahr sei trotz des Neustarts des Tourismus „weiter ein schwieriges Jahr“ gewesen. Im Frühsommer aber habe sich das Umfeld wieder normalisiert, sagte der TUI-Chef. Mit einem starken Sommerquartal habe das schwierige Jahr dann einen versöhnlichen Abschluss gefunden. „Jetzt sind wir eindeutig zurück!“, so Ebel.
Und in der Tat hatte TUI bis zum Ende des Geschäftsjahrs 2021/22 (30. September) 16,7 Millionen Gäste gezählt, mit denen 16,5 Milliarden Euro Umsatz erzielt wurde. Dabei wurde laut FAZ ein positives operatives Ergebnis von 409 Millionen erwirtschaftet, nachdem im Vorjahr ein operativer Verlust von noch 2,1 Milliarden Euro in den Büchern gestanden hatte. Und die Entwicklung geht weiter:
- 3,3 Millionen Gäste sind nun im 1. Quartal 2024 mit der TUI in den Urlaub gereist
- Das waren eine Million mehr als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
- Der Umsatz stieg derweil um 1,4 Milliarden auf 3,8 Milliarden Euro
Reisepreise sind deutlich gestiegen
„Durch die zusätzlich gute Nachfrage wurde das saisonal übliche Minus beim bereinigten EBIT auf -153 Millionen Euro nahezu halbiert (Vorjahr: -274 Millionen Euro)“, teilte das Unternehmen mit. Das lag zweifellos auch an den gestiegenen Preisen fürs Reisen. Diese liegen für den Winter 2022/23 laut TUI derzeit 8 Prozent über dem Preisniveau des Vorjahres. Im Vergleich zum Winter vor der Pandemie sind sie sogar um 29 Prozent gestiegen.
Und auch die Aktie ist mittelfristig weiter im Plus. Nach einem leichten Zugewinn am Montag im frühen Handel beträgt der Aufschlag aus den zurückliegenden drei Monaten aktuell knapp zehn Prozent. Aufs Jahr gesehen steht allerdings ein Minus von mehr als einem Drittel.
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