Liebe Leserin, lieber Leser,
die Aktie von Super Micro Computer kommt nicht aus dem Tal der Tränen. Am Dienstag zum Handelsschluss an der Nasdaq noch mit 49,12 US-Dollar bewertet, brachen die Papiere des US-Unternehmens am Mittwoch um rund ein Drittel ein, am Donnerstag folgte ein weiterer Rücksetzer um zwischenzeitlich 15 Prozent. Letztlich ging die Supermicro-Aktie mit einem Abschlag von 11,97 Prozent bei 29,11 Dollar aus dem US-Handel. Ein Minus von rund 40 Prozent in nur zwei Tagen hat freilich einen Grund – die Anleger haben offenbar jegliches Vertrauen verloren.
EY schmiss bei Supermicro hin
Denn Mitten in einer Affäre um angebliche Bilanz-Unregelmäßigkeiten, die die Papiere von Super Micro Computer (SMCI) bereits im Juli haben massiv einbrechen lassen, muss sich die Firma einen neuen Wirtschaftsprüfer suchen. EY habe das Mandat aufgegeben, teilte der Anbieter von Hochleistungsrechnern für Künstliche Intelligenz (KI) laut Medienberichten am Mittwoch mit. Die Suche nach einem Ersatz laufe bereits. „EY war für einen Kommentar zu diesem Thema zunächst nicht zu erreichen“, heißt es beim Handelsblatt. Die Aktie von Supermicro brach ein, es war der zweitgrößte Kurssturz der Firmengeschichte.
Super Micro Computer zufolge hatte EY Ende Juli Bedenken in Bezug auf die Unternehmensführung, die Einhaltung von Transparenzregeln und interne Kontrollen bei der Rechnungslegung angemeldet. Daraufhin habe der Konzern einen Sonderausschuss mit Untersuchungen beauftragt, heißt es in dem Bericht. In einer Pflichtmitteilung an die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC teilte Supermicro laut heise.de mit, dass EY bereits vor einer Woche die Segel gestrichen habe, „mitten in der Prüfung der Finanzunterlagen des abgelaufenen Geschäftsjahrs“. Dieses endete zum 30. Juni 2024.
Schwere Vorwürfe gegen Super Micro Computer
Einige Zwischenergebnisse stießen bei EY demnach auf erhebliches Missfallen, was in der Folge zu schweren Vorwürfen führte. Supermicro verstoße gegen zwei Grundsätze ethischen Handelns, hieß es.
- Das Unternehmen zeige weder ausreichende Integrität
- noch nehme es seine Kontrollfunktion ernst, so die Prüfer
Die Auditoren könnten den Aussagen der Supermicro-Führung und dem unternehmenseigenen Prüfgremium nicht vertrauen, so der Schluss. EY erklärte im Kündigungsschreiben laut Heise, „nicht gewillt“ zu sein, mit den Finanzberichten von Super Micro Computer in Verbindung gebracht zu werden.
Bilanzmanipulationen stehen im Raum
Obwohl das Unternehmen demnach anerkennt, dass die Entscheidung von EY endgültig ist, sei es mit dieser nicht einverstanden: Der Sonderausschuss habe noch nicht alle für die Überprüfung relevanten Informationen erhalten und die Überprüfung nicht abgeschlossen, reagierte Supermicro laut Der Aktionär auf die Entwicklung. „Nichtsdestotrotz hat das Unternehmen die von EY geäußerten Bedenken ernst genommen und wird die Ergebnisse des Sonderausschusses sowie alle empfohlenen Abhilfemaßnahmen nach Abschluss der Überprüfung sorgfältig prüfen“.
„Was Erklärungen von Wirtschaftsprüfern angeht, ist das Rücktrittsschreiben von EY so deutlich formuliert, wie ich es noch nie gesehen habe“, schrieb Nathan Anderson, der Gründer des Hedgefonds Hindenburg, laut Handelsblatt in einem Beitrag auf dem Kurznachrichtendienst X. Es war der Shortseller, der Supermicro vor einigen Monaten vorgeworfen hatte, Bilanzmanipulationen begangen zu haben. Bis heute wurde diese nicht vollständig ausgeräumt. Stattdessen verschob der Serveranbieter die Veröffentlichung seiner Jahresbilanz, um die internen Kontrollen in der Rechnungslegung zu überprüfen, wie es hieß. Laut einem Zeitungsbericht hat das US-Justizministerium inzwischen Ermittlungen gegen das US-Unternehmen eingeleitet.
Supermicro-Aktie verliert massiv
Das alles führte letztlich dazu, dass die Supermicro-Aktie innerhalb eines halben Jahres rund 60 Prozent seines Börsenwerts eingebüßt hat. Von ihrem Höchststand aus dem März, der rechnerisch bei 122,90 US-Dollar lag (im Oktober führte das Unternehmen einen Aktiensplit durch), sind die Anteilscheine sogar um annähernd 80 Prozent abgestürzt.
- Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Aktie damit noch immer knapp zweistellig im Jahresplus liegt
- Dies zeigt den ungeheuren Aufstieg davor, die der allgemeine Hype um KI-relevante Titel erfasst hatte
Supermicro droht das Delisting
Und in der Tat hat Super Micro Computer in den letzten Jahren ein Umsatz- und Gewinnwachstum verzeichnet, das laut investing.com den Durchschnitt der Technologiebranche übertrifft. „Das Unternehmen führt diesen Erfolg auf seine Position als globaler Marktführer für KI-beschleunigte Computingplattformen zurück, mit hoher Nachfrage nach seinen fortschrittlichen Anwendungen und optimierten Rack-Scale-Lösungen.“
Das alles hilft angesichts der aktuellen Situation nicht: „Wir sehen ein höheres Risiko für ein Delisting, wenn kein Wirtschaftsprüfer vorhanden ist und es schwierig sein könnte, einen neuen zu finden“, wurde die Analysten von Mizuho jetzt in Medienberichten zitiert. Das Unternehmen hat demnach bis zum 16. November Zeit, um die Konformität mit der Börse wiederherzustellen.
Von „Kaufen“ auf „Halten“ abgestuft
Bemerkenswert: Am Donnerstag senkte Argus seine mittelfristige Bewertung für die Aktie von Supermicro zwar von „Kaufen“ auf „Halten“, die langfristige Kaufempfehlung wurde jedoch beibehalten. „Der Verlust der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die laufende Untersuchung des Justizministeriums haben den Fokus von den Fundamentaldaten des Unternehmens abgelenkt“, so die Analysten.
Argus werde gar eine Wiederaufnahme von Super Micro Computer in die Kaufliste in Betracht ziehen, „sobald das Unternehmen eine neue Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ernannt, seine Einreichungen nachgeholt und die Probleme mit dem Justizministerium gelöst habt“. Ob dies tatsächlich gelingen wird, ist eine ganz andere Frage.
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