Zu Steinhoff gibt es ja eine regelrechte Nachrichten-Flut. Da gilt es, in dieser Informations-Flut die wichtigen von den unwichtigen Nachrichten zu trennen. Was meiner Ansicht nach wichtig zu wissen ist sind diese 3 Punkte:
Bis Monatsende läuft eine Frist, in der laut Steinhoff dies gilt: Große Gläubiger haben zugestimmt, nichts zu unternehmen, was zur Insolvenz von Steinhoff führen wird. Hier gilt es zu beachten, dass der 30. Juni der kommende Samstag ist.
Bis dahin sollte sich Steinhoff also mit den diversen Gläubigern geeinigt haben bzw. neue Finanzquellen erschlossen haben.
Eine Analyse in dem Sinne „es wird so kommen“ kann es meiner Ansicht nach derzeit nicht geben – ganz einfach deshalb, weil wir es hier mit diversen Punkten zu tun haben, die schlicht und einfach unbekannt sind.
Entscheidung unter Unsicherheit bedeutet aber auch, dass es hier um Wahrscheinlichkeiten geht, nicht mehr und nicht weniger. Was ich damit meine:
Bei der Einschätzung der Lage bei Steinhoff skizziere ich mir mehrere mögliche Szenarien und überlege, was für Auswirkungen dieses Szenario auf den Aktienkurs haben könnte.
So gibt es das Szenario, das Steinhoff sich mit den Gläubigern einigt und die Liquidität für eine Fortführung des operativen Geschäfts gewährleistet ist. Wenn es also nicht zur Insolvenz kommt, dann könnte die Aktie mit Hilfe von „normaler“ Fundamentaldaten-Analyse bewertet werden. Dabei gibt es allerdings einen großen Haken: Die Zahlen für das vorige Geschäftsjahr sind immer noch nicht veröffentlich. Auch dann wäre also eine seriöse Analyse der Aktie bis auf weiteres (bis neue Zahlen da sind) kaum möglich.
Die Frage wäre auch, was so eine Einigung „kosten“ würde – auch und insbesondere aus Sicht der Alt-Aktionäre. Ein Beispiel: Eine Einigung mit großen Gläubigern könnte vorsehen (nur ein Gedankenspiel), dass diese auf einen Teil ihrer Forderungen – zum Beispiel die Hälfte – verzichten. Im Gegenzug könnten sie für den Forderungsverzicht neu ausgegebene Steinhoff-Aktien erhalten. Was würde das nun bedeuten, wenn z.B. für eine Milliarde Euro Forderung neue Steinhoff-Aktien ausgegeben werden? Nun, wenn es eine solch umfangreiche Kapitalerhöhung geben würde, wäre die Frage, wie viele Aktien die Gläubiger dafür erhalten würden. Möglich wäre dann z.B. eine Zuteilung von Aktien zum Kurs von 8 Cents pro Stück. Wenn dann eine Milliarde Euro Forderung in neue Aktien umgewandelt würde, wären das 12,5 Mrd. neue Steinhoff-Aktien. Das wäre dann schon ein Vielfaches der derzeitigen Aktien-Anzahl, die im Bereich von 4,23 Mrd. Stück liegen sollte.
Dies ist nur ein Gedankenspiel meinerseits, das aufzeigen soll, was ein solcher „debt-to-equity-swap“ (so heißt das auf Neudeutsch) bewirken könnte. Der Anteil der Alt-Aktionäre würde massiv verwässert. So könnte eine scheinbar positive Nachricht (Einigung mit Gläubigern! Debt to equity-swap!) für die Alt-Aktionäre dennoch eine schlechte Lösung sein.
Aber besser eine schlechte Lösung als ein Totalverlust?
Nun, um das zu beantworten, wäre es wichtig zu wissen, was es dann in einer Insolvenz für die Steinhoff-Aktionäre geben würde (wenn überhaupt etwas).
Dazu gilt es die Vermögensgegenstände – pardon, „Assets“ nennt man das ja heutzutage – gegenüber den Schulden abzuwägen.
Und es gilt zu beachten, dass Eigenkapital (= Aktien) nachrangig ist gegenüber Fremdkapital (= Anleihen, Bankschulden etc. pp.). Mit anderen Worten: Erst halten die anderen die Hände auf, dann am Ende kommen irgendwann die Aktionäre.
Wie sieht es denn aus im Hinblick auf Vermögensgegenstände und Schulden?
Da hat Steinhoff erfreulicherweise eine Präsentation online gestellt, die im Mai vor den Gläubigern gehalten wurde. Demnach hat Steinhoff externe Schulden in Höhe von 9,6 Mrd. Euro. Der Löwenanteil davon (9,1 Mrd. Euro) übrigens in der Region „Europa“.
Die eine Seite – Schulden – kann also ziemlich genau beziffert werden (zumindest zum Stand der Präsentation).
Aber die andere Seite ist das Problem – siehe oben. Denn die Zahlen für das vorige Geschäftsjahr fehlen. In dem Geschäftsbericht würden sich diverse Angaben zu den Aktiva finden – wenn es diesen Geschäftsbericht denn geben würde. Pustekuchen.
Und dann erinnere ich mich auch noch daran, dass es Anfang April Nachrichten zu einer Tochter von Steinhoff namens „Hemisphere“ gab. In der ist laut Steinhoff ziemliches Immobilien-Vermögen des Konzerns enthalten – Immobilien in Deutschland, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden…
Der Wert? Steinhoff hatte „geschätzt“ (Februar 2018), dass diese Immobilien 2,2 Mrd. Euro wert sind. Anfang April dann hatte ein Prüfungs-Unternehmen die Ansicht vertreten, dass diese Immobilien aber nur 1,1 Mrd. Euro wert sind.
Wer hat nun Recht? Da es keinen testierten Jahresabschluss gibt und damit keine verlässliche Angabe zu den Assets, lässt sich so nicht annähernd eine mögliche Insolvenzquote berechnen.
Klarstellung
Und auch hier gilt: Dies ist meine rein subjektive Einschätzung und keine Aufforderung an Sie, diese Aktie zu verkaufen oder zu kaufen. Betrachten Sie meine Zeilen als Gedankenanstoß, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um Ihr Geld – verantwortlich dafür sind Sie ganz alleine.
Zum Autor
Michael Vaupel, Diplom-Volkswirt und Historiker (M.A.), Autor mehrerer Fachbücher. Seine Einstellung: „Gewinn um jeden Preis verachte ich. Natürlich möchte ich Gewinner-Investments und profitable Trades empfehlen. Doch keineswegs solche, welche die Umwelt oder die Gemeinschaft schädigen.“ Sein Finanzblog ist lesenswert: www.ethische-rendite.de
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