Finanztrends-Autor Sascha Huber führte im Rahmen der letzten Münchener Kapitalmarkt Konferenz ein ausführliches Interview mit Uwe Brodtmann (CEO) und Jonas Enderlein (CTO) von der Solutiance AG.
Sehr geehrter Herr Brodtmann, sehr geehrter Herr Enderlein, die Solutiance gehört sicherlich noch nicht zu den großen Namen am deutschen Aktienmarkt. Ihr Auftritt auf der Münchener Kapitalmarkt Konferenz (mkk) dürfte daher sicherlich auch dazu dienen, das Unternehmen bekannter zu machen. Stellen Sie doch daher bitte Ihr Unternehmen sowie das zugrunde liegende Geschäftsmodell Ihres Unternehmens unseren Leserinnen und Lesern kurz vor!
Antwort von Uwe Brodtmann: Bevor ich zur Vorstellung des Unternehmens selbst komme, lassen Sie mich die handelnden Personen kurz vorstellen. Mein Name ist Uwe Brodtmann und ich bin der CEO der Solutiance AG. In dieser Position bin ich für die Bereiche Finanzen, Marketing und Vertrieb sowie Investor Relations verantwortlich.
Weitere Antwort von Jonas Enderlein: Mein Name ist Jonas Enderlein, ich bin der CTO der Solutiance AG und kümmere mich um die Themen Prozessoptimierung und Technologie.
Weitere Antwort von Uwe Brodtmann: Was macht das Unternehmen? Nun, die Gesellschaft ist ein Anbieter von software-basierten Dienstleistungen, einer Dienstleistungsplattform, rund um das Thema technisches Property-Management sowie technisches Facility-Management für Immobilien.
Das heißt man könnte das Unternehmen im weitesten Sinne als Immobiliendienstleister bezeichnen?
Antwort von Uwe Brodtmann: Im weitesten Sinne ist das richtig. Ich würde aber noch 4.0 dranhängen, um zu beschreiben, dass wir unsere Dienstleistungen mit Unterstützung von Software machen – und dadurch für unsere Kunden effizienter, transparenter und auch noch qualitativ besser.
Würden Sie sich denn dann als Software- bzw. Technologieunternehmen bezeichnen wollen oder nicht?
Antwort von Jonas Enderlein: Wir verfügen durchaus über einen entsprechenden Zweig innerhalb der Gesellschaft und entwickeln selbst Softwarelösungen. Somit haben wir einen starken Software-Fokus. Man sollte uns jedoch nicht als Softwareunternehmen bezeichnen, weil dies falsche Assoziationen weckt.
Sie sind ja noch in einem relativ jungen Markt tätig. Haben Sie denn da auch schon den einen oder anderen Wettbewerber? Wen sehen Sie als Ihren härtesten Rivalen an?
Antwort von Uwe Brodtmann: Tatsächlich ist der Markt gar nicht so jung. Wenn wir uns ansehen, wer unsere Wettbewerber sind, müssen wir uns immer die Frage stellen, wie können Unternehmen die Probleme, die wir für Sie lösen, anderweitig lösen? Denn die tun das ja, bspw. durch den Einsatz von Facility Managern oder Handwerkern. Zudem nutzen sie natürlich auch Software von anderen Software-Unternehmen.
Jedoch stellen wir fest, dass dieser Prozess des Facility Managements bzw. technischen Property Managements nicht ganz rund läuft. Vielmehr gehen dort immer wieder Dinge schief. So werden bspw. wichtige Fakten nicht dokumentiert. Unser Ansatz hierzu ist wirklich einzigartig. Die Kombination aus Dienstleistung vor Ort, die Übernahme von Aktivitäten (und damit Verantwortung) und das Ganze software-basiert ist etwas, was uns von allen anderen Anbietern deutlich unterscheidet.
Heute früh berichtete mir Herr Krekel von der Coreo AG, dass er bei Ihnen im Aufsichtsrat sitze. Haben Sie Herrn Krekel dort installiert wegen seines Know-hows in Sachen Immobilien?
Antwort von Uwe Brodtmann: Wir verfügen nicht nur durch Herrn Krekel über entsprechendes Know-how, sondern auch durch Fritz Meinikat. Der ist für das Immobilien Asset Management bei Hasso Plattner Capital verantwortlich.
Jetzt sind wir hier in München, kurz vor Weihnachten auf der Münchener Kapitalmarkt Konferenz (mkk), das (Geschäfts)Jahr 2018 nähert sich also langsam dem Ende. Können Sie schon irgendwas zum Verlauf des Geschäfts(Jahres) verraten? Gab es vielleicht auch irgendwelche sehr positive oder auch sehr negative Dinge, die Ihnen in Erinnerung bleiben werden?
Antwort von Uwe Brodtmann: Wir sind mit dem Verlauf des (Geschäfts)Jahres 2018 sehr zufrieden. Denn wir haben ein erhebliches Wachstum im Auftragseingang gesehen. Zudem haben wir es geschafft, in allen drei Dimensionen, in denen wir wachsen können, zuzulegen. Konkret bedeutet dies Wachstum bei der Anzahl der Kunden, bei der Anzahl der Gebäude pro Kunde sowie der Anzahl Gewerke pro Gebäude.
Wir bieten jetzt nicht mehr nur Dienstleistungen rund um die Instandhaltung von Flachdächern an, sondern verfügen jetzt über ein Produkt rund um das Thema Qualitätsmanagement von Betreiberpflichten. So konnten wir zuletzt ein rasantes Wachstum des Auftragseingangs verzeichnen. Zudem haben wir nun die ersten Kunden, die uns in Ihren Gebäuden weitere Gewerke anvertrauen. Dies dürfte daher der erste Schritt in ein stärkeres Wachstum sein.
Was aber bedeutet das in konkreten Zahlen? Wie hoch lag bzw. liegt das Umsatz- und Gewinnwachstum (sofern Sie bereits profitabel arbeiten)?
Antwort von Uwe Brodtmann: Mit diesem neuen Geschäftsfeld, das wir erst 2016 gestartet haben, stehen wir tatsächlich noch am Anfang. Das Unternehmen selbst ist allerdings viel älter und wurde bereits 1992 gegründet und dann 1997 an die Börse gebracht. Unser Altgeschäft, mit dem wir damals an die Börse gegangen sind, haben wir im Jahr 2018 veräußert, so dass wir jetzt voll auf unser Facility Management 4.0 setzen.
Der Vorgänger der Solutiance AG war die Progeo Holding AG. Aus der Progeo Holding AG haben wir durch Umfirmierung die Solutiance AG gemacht, also einfach durch eine Änderung des Namens. Das operative Geschäft der Progeo Monitoring GmbH, die Sensoren für die Überwachung von Bauwerksabdichtungen gemacht hat, haben wir im März 2018 verkauft.
Somit liegt unser Fokus jetzt ganz klar auf neuen, software-basierten Dienstleistungen auf unserer Plattform, dem Facility Scanner. Hier gelang es uns zuletzt unseren Auftragseingang deutlich zu steigern. Lag dieser 2016 noch bei gerade mal 16.000 Euro, stieg er in 2017 auf 77.000 Euro. Ende des Jahres 2018 verzeichneten wir nun schon über 500.000 Euro, inzwischen mit wiederkehrenden Aufträgen von Unternehmen, die uns weitere Gewerke dazu geben.
Würden Sie sich selbst denn noch als Startup bezeichnen? Oder würden Sie sagen, dass Sie aus dieser Phase schon ein wenig heraus sind?
Antwort von Uwe Brodtmann: Naja, wir haben sicherlich ein bisschen was eines Startups, gerade was den Spirit angeht. So ist unser Team stark gewachsen auf inzwischen 35 Mitarbeiter. Vor einem Jahr waren wir noch gerade sieben Mitarbeiter. Wir versuchen uns auch ein wenig das freie Denken zu bewahren. Unser Vorbild in dem Zusammenhang ist übrigens Amazon. Die sind auch permanent dabei, für Ihre Kunden mehr und bessere Leistungen zu entwickeln.
Auf der anderen Seite sind wir aber auch ein Unternehmen mit einer schon langjährigen Geschichte, bestehenden Kontakten sowie entsprechende Kompetenzen in Geschäftsführung und Aufsichtsrat. Somit vereinen wir so ein wenig das Beste aus beiden Welten. Ein typisches Startup sind wir daher nicht mehr.
Als nächstes würde mich interessieren, wo Sie im kommenden (Geschäfts)Jahr 2019 sowie darüber hinaus gerne mit der Solutiance hin möchten? Haben Sie da konkrete Ziele, die Sie benennen können?
Antwort von Uwe Brodtmann: Schauen wir uns mal die Auftragseingangs- sowie Umsatzzahlen an, so haben wir ja zuletzt ja rund eine Versiebenfachung hingelegt. Wir glauben jetzt aber nicht, dass wir das über die nächsten Jahre so durchhalten können.
2019 könnte unser Umsatz auf 1,5 bis 2,5 Mio. Euro anwachsen, wobei wir jedoch noch nicht profitabel sein werden. Denn wir müssen jetzt wirklich in die Entwicklung neuer Lösungen, neuer Produkte investieren. Dies finanzieren wir mit Hilfe von Mitteln der Investitionsbank des Landes Brandenburgs. So können wir die Verluste, die im Jahre 2019 anfallen, mit Hilfe unseres Eigenkapitals sowie den Fördermitteln in Höhe von drei Mio. Euro finanzieren.
Schwarze Zahlen sehen wir frühestens 2020, eher 2021. Zurzeit ist es für uns wichtiger zu wachsen, also mehr Kunden, mehr Gebäude, mehr Gewerke, weil wir darauf auch unsere Zukunft bauen, nämlich dank der Daten, die wir dabei gewinnen. Mein Kollege Jonas Enderlein wird dazu gleich sicherlich noch etwas mehr sagen können.
Unsere Umsatzprognosen für 2019 lauten auf 1,6 Mio. Euro, für 2020 dann auf 4,8 Mio. Euro sowie für 2021 auf ca. 11 Mio. Euro. Aber natürlich ist das in gewisser Weise noch ein bisschen ein Blick in die Glaskugel, insbesondere für die längerfristige Perspektive. Dank Kunden mit großen Immobilienbeständen wie Barings Capital, Capital Bay, Edeka oder Rewe sind diese jedoch durchaus nicht unrealistisch.
Grundsätzlich ist es ja so, dass der große Vorteil der Software-Unternehmen die hohe Skalierbarkeit des Geschäftsmodells ist. Zwar sehen Sie sich nicht als lupenreines Software-Unternehmen, aber auch bei Ihrem Geschäftsmodell ist wohl eine hohe Skalierbarkeit gegeben. Wie aber sieht es in Sachen Personalgewinnung aus? Mir haben zuletzt viele, besonderes Technologieunternehmen, über massive Probleme in der Personalgewinnung berichtet. Betrifft Sie das auch?
Antwort von Jonas Enderlein: In dieser Hinsicht kommt uns der Standort, an dem wir sitzen, zugute. So sind wir in Potsdam ansässig, nahe der Universität Potsdam sowie unseres Partnerinstitutes, des Hasso-Plattner-Instituts. Auch ich habe dort studiert. Es handelt sich im Prinzip um ein privates Institut, ins Leben gerufen von SAP-Mitgründer Hasso Plattner. Dort werden hochqualifizierte IT-Fachkräfte ausgebildet. Dadurch, dass wir sehr nah an diesem Institut sitzen, können wir schon Studenten für unser Unternehmen gewinnen. Nachher können wir diese dann fragen, ob sie nicht bei uns bleiben wollen, also eine Volleinstellung draus machen möchten.
Den allgemeinen Trend kann ich aber bestätigen. Es ist heutzutage ganz schön knifflig neue, gute Mitarbeiter zu finden. Daher sind wir froh, dass wir da bisher noch nicht die ganz großen Probleme in Sachen Personalgewinnung haben. Aktienoptionsprogramme sind ein anderes Thema, das wir bis dato noch nicht angegangen sind.
Aktuell werden an der Börse Megatrends wie Automatisierung/Roboterisierung, Big Data oder Künstliche Intelligenz/Machine Learning gespielt. Spielen solche Megatrends in Ihrem Unternehmen auch schon eine Rolle und wenn ja in wie weit?
Antwort von Jonas Enderlein: Doch, das entsprechende Personal gibt es schon. Denn am Institut wird auch in diesen Bereichen geforscht. Wir haben daher durchaus Leute, die sich mit Themen wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning ganz gut auskennen.
Allerdings muss man schon sagen, dass dies zum Teil einfach Buzzwords sind. Denn nur weil wir für uns einen tollen Algorithmus programmiert haben, ist ja unseren Kunden noch nicht geholfen. Es stellt sich vielmehr immer die Frage nach dem realen Anwendungsfall. Bei uns ist das beispielsweise: Wir lernen wie Menschen Schäden (an Immobilien) begutachten und welche Gegenmaßnahmen sie dann ergreifen.
Wir haben also ein bestimmtes Schadensbild an einem Gebäude. Dann haben wir da einen Experten sitzen, der eine Bewertung vornimmt. Das tut er natürlich auf Basis seiner langjährigen Erfahrungen, weil er das schon zwanzig oder dreißig Jahre getan hat. Aber unser Algorithmus lernt im Hintergrund, was eine angemessene Gegenmaßnahme für ein bestimmtes Schadensbild ist.
In einem ersten Schritt macht der Algorithmus dann Vorschläge. In einem zweiten Schritt kann er solche Maßnahmen auch vollautomatisiert selbst planen. Da wachsen wir zurzeit immer mehr rein. Allerdings bedeutet das auch, dass wir eine entsprechende Datenbasis aufbauen müssen. Man muss Erfahrungen sammeln, man muss immer mehr Aufträge abwickeln.
Insofern ja, Künstliche Intelligenz ist definitiv ein großes Thema bei uns. Aber wir starten immer vom Problem aus, denn wir müssen und wollen dem Kunden Lösungen anbieten.
Was Sie dort gebracht haben ist definitiv ein schönes Beispiel. Das heißt aber letztlich auch, dass manche Mitarbeiter sich über kurz oder lang selbst überflüssig machen, im Beispiel der Experte, der die Schäden an Immobilien begutachtet. Machen Sie den Mitarbeitern das auch klar?
Antwort von Jonas Enderlein: Das ist jetzt aber sehr, sehr weit in die Zukunft gedacht. Was ich für realistisch halte ist, dass wir in den nächsten Jahren ein System bekommen, dass entsprechende Vorschläge machen kann. Klar, das langfristige Ziel ist die vollständige Automation, aber das wird wohl noch einige Jahre dauern. So lange werden wir diesen Mitarbeiter noch brauchen, zum Teil sicherlich auch in anderen Bereichen. Daher ist die gewisse Entlastung, für die die Computer sorgen können, erst einmal für alle Seiten positiv.
Lassen Sie mich abschließend vielleicht noch zur Börse und damit Ihrer Aktie kommen. Wie sind Sie mit der Bewertung durch die Anleger an der Börse zufrieden und wo wollen Sie da noch hin? Oder anders gefragt: Welche Marktkapitalisierung können Sie sich vorstellen, wenn Sie Ihr bisher in Aussicht gestelltes Wachstum auch tatsächlich realisieren können? Wie groß ist also Ihrer Meinung nach das Kurspotenzial?
Antwort von Uwe Brodtmann: Wenn wir uns mal ansehen, wo wir jetzt stehen… aktuell machen wir vielleicht ca. 350.000 Euro Umsatz und schreiben noch tiefrote Zahlen. Dann müsste man eigentlich sofort die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und die Bewertung als völlig verrückt klassifizieren. Denn warum sollte eine Firma mit diesen Kennzahlen mehr als 10 Mio. Euro wert sein?
Schaut man sich dann mal an, wie Venture Capital finanzierte Unternehmen der gleichen Art bewertet werden, müsste man im Peer Group-Vergleich eine Unterbewertung feststellen. Wie man ein Unternehmen wie das unsere bewerten kann, da gibt es halt völlig verschiedene Möglichkeiten. Wir glauben daher, dass die Aktie – wenn wir unsere gigantischen Wachstumsmöglichkeiten wahrnehmen können – noch viel Kurspotenzial aufweist.
Sollte die Aktie tatsächlich durchstarten, würden wir früher oder später auch einen Wechsel des Börsensegments in Betracht ziehen und so durchaus auch ein Index-Listing anstreben. Noch sind wir davon aber ein Stück weit entfernt.
Herr Brodtmann, Herr Enderlein, ich bedanke mich sehr für dieses hochinteressante Gespräch.