Liebe Leserin, lieber Leser,
in den vergangenen Ausgaben sind wir zusammen einen weiten Weg gegangen. Ich habe Ihnen das Konzept von Unterstützung und Widerstand vorgestellt.
Wir haben zusammen einen Blick hinter die Kulissen der charttechnischen Formation einer „Schiebezone“ geworfen. Hier ist dann klar geworden, dass ein Ausbruch aus einer solchen Formation umso „heftiger“ wird, je länger die Schiebezone existiert hat.
Denn je länger eine solche Chartformation existiert, desto mehr Kaufaufträge mit Stopp sammeln sich an der unteren Begrenzung der Zone. Das Gleiche geschieht mit Verkaufsorders an der Oberseite.
Grob skizziert stellt sich das Bild einer Schiebezone also wie folgt dar:
Bullen und Bären bilden „Haufen“
Sie sehen, dass die Schiebezone auf der Oberseite von einem horizontalen Widerstand begrenzt wird. Hier sammeln sich immer mehr Verkaufsaufträge an. Die Zahl der Trader, die in diesem Bereich einen Leerverkauf starten wollen, steigt immer mehr an. Da diese Order in der Regel mit Stopps versehen sind, steigt auch deren Zahl und die Menge an zu bewegenden Aktien immer mehr an.
Spiegelsymmetrisch verhalten sich die Bullen an der unteren Begrenzung. Auch hier werden mit jedem Tag einer intakten Schiebezone die Kauforder mehr. Und auch hier liegen die entsprechenden Stopps im Markt.
Die Zahl der zu bewegenden Aktien steigt immer mehr.
Der Ausbruch bei den Bullen kommt!
Irgendwann halten die Grenzen der Schiebezone nicht mehr komplett stand. Wenn die Kurse nun ein wenig in den ganzen Haufen an Aufträgen eindringen, werden die ersten Limits ausgeführt.
Geht es nun aber noch ein wenig weiter, geschieht das Folgende:
Die ersten Stopps werden ausgelöst. Es trifft also zuerst die Anleger und Trader, die mit einem engen Stopp ihr Risiko sehr eng begrenzen wollten.
Bei einer Kauforder bedeutet das, dass sich der Stopp in einen unlimitierten Verkaufsauftrag umwandelt.
Die Aktie werden dann umgehend zum nächsten Marktkurs verkauft.
Das wiederum erhöht den Verkaufsdruck. Die Kurse rutschen sehr oft dann noch ein Stück und treffen auf die nächsten Stopp-Aufträge. Und auch diese initiieren nun Verkäufe mit dem entsprechenden Druck auf die Notierungen.
Sie ahnen schon, was jetzt kommt. Immer mehr Stopps werden ausgeführt. Die Notierungen rutschen weiter durch. Andere, bislang unbeteiligte Marktteilnehmer nehmen das wahr und befeuern die Bewegung mit eigenen Leerverkäufen.
Das Ergebnis: Der Ausbruch nach unten ist da!
Und die Bären können das auch!
Steigen die Notierungen jedoch in den oberen Bereich der Schiebezone, geschieht das Gleiche. Manche Verkaufsorders greifen und in der weiteren Folge werden Stopps ausgelöst.
Auf der „Bärenseite“ verwandeln sich die Stopps in unlimitierte Kaufaufträge. Diese treiben die Notierungen weiter nach oben. Kommt jetzt kein weiterer nennenswerter Verkaufsdruck auf, steigen die Kurse wieder ein wenig.
Dadurch greifen weiter Verkaufsaufträge und in der Folge deren Stopps. Sind genug Stopps vorhanden, entwickelt sich diese Bewegung zu einem Ausbruch nordwärts.
Die goldenen Regeln
Fassen wir das Geschehen zusammen:
Je mehr Aktien durch die Auslösung der Stopps bewegt werden, desto heftiger ist in der Regel der Ausbruch aus der Schiebezone.
Je breiter die Schiebezone ist, desto mehr Stopps liegen an den Begrenzungen.
Daraus können Sie folgern:
Je breiter die Schiebezone ist, desto heftiger wird der Ausbruch.
Je heftiger sich der Ausbruch, desto ertragreicher ist das Kursziel. Denn ein starker Schwung trägt die Notierungen nun einmal weiter als ein „zartes Lüftchen“.
Von den Regeln zur Kurszielbestimmung
Jetzt wird es empirisch. Das bedeutet, dass wir nun von den Erfahrungen der Trader vor uns profitieren können. (Man muss das Rad ja nicht immer wieder neu erfinden.)
Es hat sich gezeigt, dass die Breite der Schiebezone direkt in die Bestimmung des Kursziels involviert ist.
Eine „Bauanleitung“ für die Kurszielbestimmung
Der erste Schritt:
Sie identifizieren eine Schiebezone. Dabei sollten Sie zuerst ein Sägezahnmuster suchen. Dieses sollte von zumindest relativ waagerechten Begrenzungen eingerahmt sein.
Auf der Unterseite findet sich die bekannte Unterstützungszone, in der sich die Aufträge der Bullen sammeln.
Auf der Oberseite ist es ein Widerstandsbereich, in dem sich die Bären mit ihren Orders „tummeln“.
Der zweite Schritt:
Sie messen die Breite der Schiebezone ab. Solange noch kein Ausbruch stattgefunden hat, ist die Formation noch nicht abgeschlossen. Damit ist das Ergebnis nur vorläufig.
Erst ein Ausbruch beendet die Schiebezone und legt damit die endgültige Breite fest.
Der dritte Schritt:
Diesen sollten Sie erst ausführen, wenn der Ausbruch bereits stattfindet.
Sie nehmen die Breite der Schiebezone und setzen diese vertikal an den tiefsten Punkt dieser Zone.
Nun müssen Sie nur noch das neue Kursziel ablesen. Dabei bin ich mir bewusst, dass sich hier einige Fehlerquellen ergeben.
Führen Sie diese Methodik durch, ergibt sich eher ein (zugegeben guter) Schätzwert als ein Rechenergebnis.
Aber bereits damit können Sie brauchbare Ergebnisse erzielen.
Ich komme in der folgenden Ausgabe noch einmal darauf zurück. Konkret:
Der „praktische“ Teil folgt in der kommenden Ausgabe. Wir berechnen zusammen das nächste „größere“ Kursziel im DAX.
Und ich werde Ihnen eine Chartart vorstellen, mit der die Kurszielberechnung einfacher und vor allem exakter stattfindet.
Herzlichst
Ihr Jörg Mahnert