Der vergangene Mittwoch hatte für Siemens Energy-Investoren so gut angefangen: Die EU stellte ihr neues, noch ambitionierteres Klimapaket „Fit for 55“ vor. Die darin verschärften CO2-Ziele versprechen gute Perspektiven für den DAX-Konzern, da erneuerbare Energien und neue Stromleitungen in den kommenden Jahren noch gefragter sein werden.
Am selben Tag ereilte die Investoren jedoch die Hiobsbotschaft aus dem Hause des Tochterunternehmens Siemens Gamesa. Der spanische Windanlagenbauer, an dem Siemens Energy 67 Prozent der Anteile hält, senkte für das laufende Geschäftsjahr (per Ende September) seine Prognose: Statt mit einer bereinigten Rendite von drei Prozent rechnet das Unternehmen nun bestenfalls mit der schwarzen Null. Möglicherweise bedeutet es für die Spanier das zweite Jahr hintereinander mit operativen Verlusten.
Auch mittelfristig trübt sich dadurch der Ausblick bei Gamesa ein: Die Spanier ließen durchblicken, dass der Turnaround im Onshore-Geschäft mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Ob das bisherige Ziel, bis 2024 eine operative Marge von acht bis zehn Prozent zu erreichen, in Gefahr ist, wollte das Unternehmen jedoch nicht kommentieren.
Die operativen Probleme von Gamesa zwangen auch die deutsche Muttergesellschaft dazu, ihr Gewinnziel für das laufende Jahr zu korrigieren. Demnach wird bei Siemens Energy die Rendite vor Sondereffekten unter den anvisierten drei bis fünf Prozent bleiben.
Die Aktienkurse beider Konzerne sackten in der Folge deutlich ab. Der Gamesa-Titel ging am Tag der Gewinnwarnung mit einem Minus von 17 Prozent aus dem Handel und hat somit seit Anfang Januar bereits ein Drittel an Wert eingebüßt. Die im Leitindex DAX notierte Siemens-Energy-Aktie verlor über 11 Prozent. Auch bei anderen Windanlagenbauern lösten die schlechten Nachrichten aus dem Hause Siemens einen Verkauf aus: Die Kurse des Hamburger Konzerns Nordex und des dänischen Marktführers Vestas fielen um je 7,5 Prozent.
Hausgemachte Probleme
Seitdem Siemens seine Windkraft-Sparte 2017 mit dem spanischen Konkurrenten Gamesa zusammengeschlossen hat, überraschte der neue Konzern bereits mehrmals mit Gewinnwarnungen. Bei den Münchenern steigt nun der Unmut über die spanische Tochter und auch Investoren sehen den Windkraftanlagen-Hersteller mit wachsender Sorge.
Wie alle Anbieter in der Branche leidet Gamesa unter den stark gestiegenen Preisen für Rohstoffe wie Stahl und Kupfer. So klagt Gamesa-Chef Andreas Nauen darüber, dass sich die Gespräche über die Weitergabe der Preiserhöhungen an Kunden schwierig gestalten. Zudem gebe es Corona-bedingte Nachschubprobleme und Projekt-Verzögerungen.
Die größten Baustellen bei Gamesa sind jedoch hausgemacht. So hakt es gewaltig beim Hochlauf der neuen Windkraftanlagen-Generation 5.X. Beim ersten Großauftrag in Brasilien war zum Teil eine lokale Fertigung erforderlich, was Gamesa unerwartete Schwierigkeiten bereitete und die Kosten steigen ließ. Auf das unrentable Projekt musste der Konzern zuletzt 229 Millionen Euro abschreiben.
Schon im vergangenen Geschäftsjahr hatte die Siemens-Energy-Tochter Ärger mit defizitären Aufträgen: Als die Spanier in Norwegen fünf große Windparks installieren wollten, hat der skandinavische Winter dem Unternehmen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Die jüngsten Pleiten bei Gamesa machen deutlich, dass sich das Unternehmen in einer gravierenden Krise befindet. Um seine Onshore-Sparte in den Griff zu bekommen, hatte Siemens zuvor den Chef bei der spanischen Tochterfirma ausgetauscht. Für Ordnung sorgen sollte Andreas Nauen, der zuvor den erfolgreicheren Offshore-Bereich des Konzerns geführt hatte. Er soll Insidern zufolge seitdem viel bewegt haben bei Gamesa, doch letztendlich wird auch er am Erfolg gemessen.
Komplettübernahme notwendig
Nicht nur die Siemens-Energiefirmen haben in der Windkraftbranche derzeit zu kämpfen. Neben den hohen Rohstoffpreisen zehrte in den vergangenen Jahren ein harter Preiswettbewerb an den Margen der Hersteller. So ist zuletzt auch der Marktführer Vestas nur knapp an einer Gewinnwarnung vorbeigerutscht. Auch Nordex steht vor großen Herausforderungen: Anfang des Monats hat der Windkraftanlagenbauer die Anleger mit einer Kapitalerhöhung geschockt.
Langfristig sind die Perspektiven für Siemens Energy und Co. jedoch gut. Damit die EU ihre neuen Klimaziele erreichen kann, sind laut Branchenverband Wind Europe in den nächsten 10 Jahren 450 Gigawatt an neuen Windkraftkapazitäten erforderlich. Aktuell kommen jährlich etwa 15 Gigawatt hinzu, somit gibt es viel Aufwärtspotenzial.
Entsprechend soll die Zukunft von Siemens Energy beim Windkraft-Geschäft des Tochterunternehmens liegen. Aus dem Hoffnungsträger Siemens Gamesa ist für den deutschen Energiekonzern jedoch ein Sorgenkind geworden. Nachdem die Spanier Vorstände verschlissen haben und sich ihr Projektmanagement chronisch überfordert gezeigt hat, wachsen auch am Kapitalmarkt die Zweifel darüber, ob Siemens Gamesa die Wende schaffen kann.
Der Mutterkonzern befindet sich derweil mitten im Umbruch weg von Kohle und Gas hin zu grüner Energie. Auf das defizitäre Treiben der spanischen Tochter hat Siemens Energy mit seiner Zwei-Drittel-Mehrheit jedoch nur bedingten Zugriff, Gamesa ist schließlich ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen.
Siemens-Energy-CEO Christian Bruch sagte kürzlich, dass der Kauf der restlichen Anteile des Tochterkonzerns derzeit keine Option sei. Für eine Komplettübernahme fehlt Siemens Energy nach Einschätzung von Branchenkreisen derzeit das Geld. Wenn der deutsche Konzern die Anleger jedoch glaubhaft davon überzeugen will, den Turnaround im Onshore-Geschäft packen zu können, muss er das unrentable Eigenleben der Spanier endlich beenden.
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