Aufgrund der aktuellen Corona-Beschränkungen startet Finanztrends.info nun den direkten Dialog mit den Vorständen verschiedenster Unternehmen durch regelmäßige Interviews. Unser heutiger Interviewpartner ist der CEO von Schaltbau, Albrecht Köhler.
Herr Köhler hat uns einen tieferen Einblick in die aktuelle Unternehmenssituation ermöglicht. Die Schaltbau GmbH Gruppe entwickelt und fertigt elektromechanische Komponenten und innovative Führerstände für Bahntechnik und Industrie.
Herr Köhler, vielen Dank das Sie sich heute Zeit genommen haben. Der Markt wurde ja bekanntlich von Hilfsprogrammen überflutet, erwarten Sie nachhaltige Änderungen bei den Finanzierungsbedingungen?
Herr Köhler: Wir haben bereits frühzeitig und umfassend auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert, die sich durch COVID-19 für unsere Geschäftstätigkeit absehbar ergeben. Das betrifft natürlich zunächst die Prognose für 2020, in der wir die unterschiedlichen Auswirkungen auf unsere vier Segmente Bode, Schaltbau, PINTSCH und SBRS recht gut antizipiert haben. Das hat uns der Geschäftsverlauf im 1. Halbjahr bestätigt. Mit unseren umfangreichen Restrukturierungs- und Optimierungsmaßnahmen aus dem Vorjahr verfügen wir auch über die notwendige Stabilität, um den aktuellen Herausforderungen durch COVID-19 erfolgreich zu begegnen. Mittelfristig sehen wir uns dann aber wieder klar auf dem Wachstumspfad.
Eine Veränderung der Finanzierungsbedingungen haben wir für uns daher nicht registriert. In der zweiten Junihälfte haben wir unsere bestehende Konsortialkreditlinie um 60 Mio. Euro auf nunmehr 172 Mio. Euro erhöht. Hierzu wurde die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als zusätzlicher Konsortialpartner zu gleichen Konditionen wie bei der seit Juni 2019 bestehenden ursprünglichen Finanzierung aufgenommen, wie es das Programm 855 im Rahmen der KfW-Corona-Hilfe vorsieht. Dadurch haben wir unsere operative Geschäftstätigkeit vor dem Hintergrund des unsicheren Marktumfelds vorsorglich abgesichert. Dabei sind die kurzfristigen Herausforderungen der COVID-19-Pandemie von uns gut verstanden und werden im Detail gemanagt, um unsere Verpflichtungen bestmöglich zu erfüllen und unserer unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden.
Natürlich muss man sich absichern, wo man nur kann. Was hat sich denn insgesamt durch die Pandemie bei Schaltbau verändert?
Herr Köhler: Die COVID-19-Krise belastet unsere Geschäftstätigkeit in den Segmenten Schaltbau und Bode weltweit, während die kleineren Segmente PINTSCH und SBRS bisher kaum negative COVID-19-Auswirkungen zu verzeichnen haben.
Mit Ausbruch der Krise im Januar 2020 musste unser chinesisches Produktionswerk in XIAN über mehrere Wochen bis Ende Februar schließen. Ab dem 23. März 2020 musste auch unser italienisches Tochterunternehmen SPII die Produktionstätigkeit vollständig einstellen. Am 4. April 2020 ist die Produktion in Italien wegen der Einstufung der SPII als systemrelevant allerdings schon wieder angelaufen und die Produktion in China läuft inzwischen ebenfalls wieder mit einer aktuellen Auslastung von rund 80 Prozent. In diesem Segment zeigen sich auch deutliche Bremsspuren im kurzzyklischen Geschäft – insbesondere bei etablierten Kundengruppen aus dem industriellen Umfeld. Diese Beeinträchtigungen im Schaltbau-Segment haben unsere Profitabilität auf Konzernebene deutlich belastet.
Aufgrund der Ankündigung der Bushersteller MAN, Iveco und Evobus, die Produktion vorübergehend einzustellen, haben wir ab dem 20. März 2020 auch im Bode-Segment eine Teilwerksschließung im Busbereich durchgeführt, die sich bis in das zweite Quartal gezogen hat. Darüber hinaus war und ist die Lieferkette für Rail und Road über unsere polnische RAWAG-Konzerngesellschaft aufgrund der sehr strengen polnischen „Lock-Down-Regelungen“ teilweise unterbrochen bzw. gestört.
Ursprünglich, also ohne den Einfluss von COVID-19, hatten wir für das Geschäftsjahr 2020 mit einem Umsatz in der Bandbreite von 520 bis 540 Mio. Euro bei einer EBIT-Marge von 6 bis 7 Prozent auf Konzernebene geplant. In unserer Prognose erwarten wir allerdings einen Konzernumsatz zwischen 460 und 500 Mio. Euro bei einer EBIT-Marge von rund 4 Prozent.
Und welche Maßnahmen mussten Sie dadurch treffen?
Herr Köhler: Neben der bereits erwähnten vorsorglichen Erhöhung unserer Liquiditätsausstattung haben wir natürlich auch alle anderen angemessenen Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen. Das beginnt bei der Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Aufrechterhaltung unseres Geschäftsbetriebs mit klar definierten Notfallplänen, Schichteinteilungen, Home-Office-Regelungen, usw. und setzt sich in kurzfristigem Gegensteuern zur bestmöglichen Kompensation innerhalb des Produkt-Mix fort. Auf der Kostenseite haben wir uns auf möglichst sozialverträgliche Maßnahmen wie Urlaubs- und Überstundenabbau, Kurzarbeit-Regelungen, etc. konzentriert, wo immer das erforderlich war.
Wie sehen hier die langfristigen Folgen aus?
Herr Köhler: Die langfristigen Folgen bestimmen sich im Wesentlichen durch die weitere Entwicklung der einzelnen Marktsegmente, in denen die Schaltbau-Produkte Verwendung finden. Das können wir momentan im Einzelfall noch nicht hinreichend abschätzen. Ein Beispiel: Zeitraum und Dynamik der Wiederaufnahme von Busreisen werden sicherlich Auswirkungen auf den Anbietermarkt der entsprechenden Reiseveranstalter haben, und damit auch auf die künftigen Neubestellungen von Reisebussen, in denen Bode-Türen eingebaut werden. Wir bemühen uns gerade um eine Kompensation dieses Marktsegments durch eine Intensivierung des Geschäfts mit Stadtbussen, die im ÖPNV eingesetzt werden, sowie Türsystemen für Schienenfahrzeuge.
Eine interessante Strategie, somit versuchen Sie Ihre Kapazitäten, im Rahmen der Möglichkeiten, bestens auszunutzen. Kommen wir zur nächsten Frage: Was unterscheidet Sie von den Wettbewerbern der Branche? Können Sie mir mögliche Vor- und Nachteile aufzeigen?
Herr Köhler: Nach unserer Restrukturierung im vergangenen Jahr, verfügen wir in der aktuellen Aufstellung der Schaltbau-Gruppe mit den Kernmarken Schaltbau, Bode, PINTSCH und SBRS über eine sehr stabile, nachhaltige Wachstumsbasis. Einerseits tragen wir in unserem Kernmarkt Rail & Road mit unserer 90-jährigen Erfahrung und Innovationskraft dazu bei, dass Personen und Güter auch künftig sicher unterwegs sein können. Als Technologiepartner der Bahnbranche bieten wir hochwertige Produkte und innovative Lösungen für Schienenfahrzeuge und einen zuverlässigen Bahnbetrieb. Mit unseren effizienten Lösungen sorgen wir aber auch für Sicherheit und Komfort in Bussen und Nutzfahrzeugen.
Im Wachstumsmarkt New Mobility treiben wir durch sicheres Trennen hoher Spannungen in Elektrofahrzeugen, schnelles Wiederaufladen im Individual- und Massenverkehr und smarte Einstiegssysteme die nachhaltige Mobilität von morgen voran. Als international aufgestellter Technologiekonzern nutzen wir unsere breite Branchen- und Markterfahrung auch im New Energy Markt bei der Entwicklung von effizienten Lösungen für die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energien. Als Gleichstromexperten bieten wir darüber hinaus optimale Lösungen für den effizienten Betrieb industrieller Anlagen. Sie werden vor allem dort eingesetzt, wo es auf größtmögliche Sicherheit für Mensch und Maschine ankommt.
Sie haben bereits die „nachhaltige Mobilität von morgen“ angesprochen, wo sehen Sie Ihr Unternehmen in 5 Jahren?
Herr Köhler: Mittelfristig sehen wir uns nach wie vor auf einem dynamischen, weitgehend organischen Wachstumspfad. Sämtliche Wachstumstreiber sind weiterhin intakt und werden möglicherweise in der sogenannten „neuen Normalität“ sogar noch an Bedeutung gewinnen. Ein Beispiel: Die „nach-COVID-19-Ära“ wird zu veränderten Anforderungen an Einstiegssystemen in Bahnen und Bussen führen. Es wird in Zukunft verstärkt darum gehen, Berührungen mit potenziellen Übertragungsflächen, wie Türöffnern, Haltewunsch-Tastern oder Fahrkartenautomaten zu vermeiden. Daher haben kontaktlose Einstiegssysteme für den Passagierbetrieb das Potenzial, sich noch schneller als ursprünglich erwartet im öffentlichen Personennahverkehr durchzusetzen. Den dazugehörigen Technologie-Trend haben wir mit unserer Bode-Tochtergesellschaft begründet.
Die Elektromobilität bietet aber sicher das größte Wachstumspotential für uns: in modernen Elektrofahrzeugen sind Gleichstrom-Hochleistungsbatteriesysteme von bis zu 1.000 Volt verbaut und im Gefahrenfall muss die Hochspannungsbatterie vom Hochvolt-Netz mitsamt allen elektrischen Komponenten des Fahrzeuges getrennt werden. Die von Schaltbau hierfür entwickelten Schütze stellen einen elementar wichtigen Baustein des Sicherheitskonzepts im elektrischen Stromkreis eines E-Fahrzeugs dar.
In 5 Jahren sehen wir daher ein Umsatzpotential für die Schaltbau-Gruppe von 800 bis 900 Mio. Euro, welches wir mit einer deutlich verbesserten EBIT-Marge von 8 bis 12 Prozent bedienen können.
Das hört sich alles sehr spannend an! Ich merke Sie orientieren sich sehr nah an der aktuellen Zeit. Zum Abschluss habe ich noch eine letzte Frage für Sie: Aus welchen Gründen sollten nun Anleger in Schaltbau investieren?
Herr Köhler: Mit unseren Tochterunternehmen in den vier gleichnamigen Segmenten Bode, Schaltbau, PINTSCH und SBRS besetzen wir international führende Marktpositionen mit starken Marken. Die Restrukturierung und Refinanzierung des Fremdkapitals haben wir erfolgreich abgeschlossen und Bilanzrisiken eliminiert. Wir verfügen über stabile Kundenbeziehungen bei einer technologisch erfolgreichen Plattform-Strategie für unsere Produkte im Kernmarkt Rail. Die großen Investitionsprogramme für die Schiene in Deutschland und Europa werden sich mittelfristig positiv auf unser Wachstum auswirken. Darüber hinaus profitieren wir von einem attraktiven Marktumfeld, das zunehmend von Megatrends wie Urbanisierung und Digitalisierung sowie von der politisch gewollten Mobilitätswende getragen wird. Die Renaissance der Gleichstromtechnologie in einer zunehmenden Anzahl von Anwendungen bietet für unsere Technologie ein überdurchschnittliches Wachstumspotential, insbesondere in der Elektromobilität und im Bereich New Energy.
Vielen Dank für das ausführliche Interview und den Einblick in Ihr Unternehmen. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute für die Zukunft, Herr Köhler.