Es war der größte Kurssturz des Unternehmens seit 22 Jahren: An jenem Montag im vergangenen Oktober brach die SAP-Aktie in den ersten Handelsminuten um fast 21 Prozent ein. CEO Christian Klein hatte die Aktionäre beim Q3-Zwischenbericht mit hohen Aufwendungen fürs Cloud-Geschäft, durchwachsenen Zahlen und einer nach unten korrigieren Prognose geschockt.
Wer danach die Gelegenheit genutzt hat, um beim Dax-Konzern einzusteigen, ist heute sicher nicht enttäuscht. Es hat zwar ein paar Monate gedauert, doch die SAP-Aktie hat sich vollständig vom Crash erholt und notiert derzeit wieder um die 120-Euro-Marke.
Vergangene Woche legte SAP dann einen neuen Quartalsbericht vor, von dem sich Anleger und Analysten eher unzufrieden zeigten. Werden wir beim Dax-Titel bald vermehrt Gewinnmitnahmen erleben oder kann der Software-Konzern früher als erwartet die Früchte seiner Investitionen ernten? Eine Kurz-Analyse.
Größter Ausverkauf seit 1999
Die strategische Neuausrichtung, die SAP-Chef Klein eingeleitet hat, begann mit einem krachenden Absturz der Aktie. In wenigen Minuten waren über 30 Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet worden. Mit einer derartigen Reaktion hat der 40-Jährige wohl nicht gerechnet. Doch dem jüngsten Dax-Chef muss klar gewesen sein, dass man den erfolgsverwöhnten SAP-Aktionären nicht gleich mehrere Dämpfer auf einmal zumuten darf.
Dennoch tat er genau dies: Klein kündigte an, dass Kunden nun sehr viel schneller von der margenstarken klassischen Lizenz-Software auf Cloud-Abonnements umsteigen sollen. Dafür müsse kräftig investiert werden – natürlich zu Kosten der kurzfristigen Profitabilität.
Bis 2025 plant Klein den derzeit 30-prozentigen Anteil des Cloud-Geschäfts am Konzernumsatz auf über 60 Prozent hochzuschrauben. Für den Umbau aufs Cloud-Computing sind Kosten im dreistelligen Millionenbereich vorgesehen. Dafür soll dann die operative Marge bis 2024 um vier bis fünf Prozentpunkte niedriger ausfallen als bislang prognostiziert.
Gleichzeitig schwächelten im jüngsten Q3-Report auch die Absatzzahlen beim Software-Konzern. Ausgerechnet der von Klein priorisierte Cloud-Umsatz kletterte währungsbereinigt im Vorjahresvergleich nur um 14 Prozent – so langsam wie lange nicht mehr. Das war offenbar einfach zu viel für die sensiblen SAP-Investoren, die den Quartalsbericht mit dem größten Ausverkauf der Konzern-Anteile seit 1999 quittierten.
„Weitere Beschleunigung“ beim Cloud-Wachstum
Die Erholung des Aktienkurses ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Seit Jahresbeginn entwickelte sich der wertvollste Dax-Titel besser als der Index selbst und erreichte Mitte des laufenden Monats sein altes Niveau.
Vor einer Woche legte das Unternehmen dann neue Zahlen vor, die nahelegen, dass sich die Umstellung möglicherweise schneller als erwartet bezahlt machen wird. Denn nach einem starken zweiten Quartal hat das Unternehmen seine Ziele für das laufende Geschäftsjahr ein zweites Mal angehoben.
Zwar sank der Konzernumsatz um ein Prozent auf 6,7 Milliarden Euro; aber die Erlöse im Cloud-Geschäft lagen bei fast 2,3 Milliarden Euro – währungsbereinigt ein Plus von 17 Prozent. Genauso schnell stieg auch der Auftragsbestand für das Zukunftsgeschäft des Konzerns: 250 Kunden hatten im zweiten Quartal zugestimmt, die Steuerung ihrer zentralen Geschäftsprozesse mit der SAP-Software S/4 Hana auf Cloud-Betrieb umzustellen, darunter AMD und Siemens Energy.
Bislang rüsteten überwiegend kleine und mittlere Unternehmen um. Für das zweite Halbjahr und 2024 prophezeit CEO Klein jedoch eine „weitere Beschleunigung“ beim Cloud-Wachstum. Das Interesse von Großkonzernen wachse, sagte Klein, in den nächsten sechs Monaten sei daher mit deutlich mehr großen Deals zu rechnen.
Dass die Neuausrichtung bei SAP wie angekündigt zu Lasten der Profitabilität gehen würde, hat sich im vergangenen Quartal ebenfalls bewahrheitet. Das bereinigte Betriebsergebnis fiel im Vorjahresvergleich um zwei Prozent, die bereinigten operative Marge sank um 0,3 Prozentpunkte auf 28,8 Prozent. Die Belastungen durch Forschung und Entwicklung werden im zweiten Halbjahr weiter zunehmen, hieß es zudem im neuen Report.
Noch viele Baustellen
Cloud-Computing hat sich in der IT-Branche mehr und mehr als Standardmodell durchgesetzt. Geringerer Administrationsaufwand, mehr organisatorische Flexibilität und ortsunabhängige Nutzung: Gerade in Corona-Zeiten, als von einen auf den anderen Tag ganze Belegschaften ins Home Office geschickt wurden, hat sich eine cloudbasierte Steuerung der Geschäftsprozesse als immenser Vorteil erwiesen.
Der junge SAP-Chef Christian Klein hat die Zeichen der Zeit möglicherweise noch rechtzeitig erkannt und forciert nun eine radikale Umstellung im Konzern. Das ist zunächst sehr kostspielig für den Dax-Primus, doch Klein will den Kulturwandel jetzt um jeden Preis erzwingen: Für kurzfristige Margen-Optimierung soll nicht länger der langfristige Erfolg geopfert werden.
Mit enttäuschenden Zahlen hat der Software-Konzern in der vergangenen drei Quartalen das Vertrauen vieler Aktionäre zwar verspielt. Doch sollte der Geschäftsmodell-Wechsel hin zur Cloud weiter nach Plan laufen, wird es das Unternehmen langfristig stärken. Die Technologie hat enormes Wachstumspotenzial für die Zukunft und das Abo-System generiert Vorhersehbarkeit durch monatlich planbare Einnahmen – beides wird an der Börse geschätzt und entsprechend hoch bewertet.
Bis es so weit ist, hat SAP jedoch noch viel zu tun. Die Arbeit am Kernprodukt S/4 Hana Cloud hat relativ spät begonnen. Marktforschern zufolge schneiden Konkurrenzprodukte, etwa von Oracle oder Workday, oft besser ab. Entsprechend sind mit den neuen cloudbasierten Software-Paketen noch längst nicht alle SAP-Kunden glücklich. Eine DSAG-Umfrage offenbart: In den USA sind 57 Prozent der Unternehmen seit der Umstellung zufrieden, in deutschsprachigen Raum sind es sogar nur 30 Prozent.
Der Software-Konzern wird noch eine Weile intensiv an seinen Produkten arbeiten müssen. Weitere Belege für die Wachstumsstory sind in den nächsten Quartalen ebenfalls zwingend erforderlich. Dann stehen die Chancen jedoch gut, dass SAP seine Profite bald wieder steigern und seine erfolgsverwöhnten Aktionäre glücklich machen wird.
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