Liebe Leser,
wer sein Depot mit dividendenstarken Aktien bestücken möchte, der sollte nicht nur im deutschsprachigen Raum auf die Suche gehen, denn viele interessante Kandidaten finden sich außerhalb der Landesgrenzen. Dabei sollte der Blick nicht nur über den großen Teich auf die Wall Street gerichtet werden. Auch die eigenen Augen gen Osten auf den russischen Aktienmarkt zu richten, kann sehr vorteilhaft sein.
An der Börse in Moskau notierte Wertpapiere zu handeln ist für die meisten Anleger nicht die erste Wahl, denn die Risiken sind gewiss nicht zu vernachlässigen. Den hohen Risiken stehen aber auch sehr hohe Chancen gegenüber. Wenn Sie als Anleger hier clever vorgehen, winken nicht nur hohe Dividenden, sondern auch attraktive Kursgewinne.
Am deutschen Aktienmarkt waren bei den Anlegern in den letzten Monaten Aktien wie ThyssenKrupp und Lufthansa recht beliebt. Beide Firmen leiden unter der Corona-Pandemie und kämpfen darum, die Krise zu überleben. Dividenden sollte man hier momentan eher nicht erwarten. Wenn beide Unternehmen nicht untergehen, ist schon viel erreicht.
Ganz anders ist die Lage bei Aeroflot und Severstal. Die russische Airline werden Sie vermutlich zumindest dem Namen nach kennen. Dass diese über eine Flugzeugflotte verfügt, die moderner ist als jene der Lufthansa, dürfte Sie vermutlich überraschen. Nicht überraschend ist, dass sich auch der Aeroflot-Kurs in der Krise halbiert hat. Der Lufthansa-Kurs hat sich seit dem Hoch aus dem Januar 2018 fast geviertelt.
Niedrige KGVs, hohe Dividenden
Überraschen dürfte Sie auch, dass Aeroflot vor der Krise Jahr für Jahr Dividenden von vier bis sechs Prozent ausgeschüttet hat, während die Lufthansa-Aktionäre mit deutlich geringeren Auszahlungen abgespeist wurden. Noch extremer fiel der Unterschied bei den Dividenden aus, wenn Severstal mit ThyssenKrupp verglichen wurde, denn die Dividendenrendite von Severstal war solide zweistellig.
Sie beträgt auch jetzt noch 7,2 Prozent, obwohl sich der Kurs seit Mai 2020 verdoppelt hat. Am 31. Mai sollen übrigens wieder 46,77 Rubel zur Auszahlung kommen. Das ist etwas weniger als im Vorjahr, als 53,61 Rubel ausgeschüttet wurden, und ergibt auf den aktuellen Kurs eine Rendite von knapp 2,6 Prozent.
Wie kommt man da auf eine Gesamtrendite von 7,2 Prozent? Nun, normalerweise schütten russische Unternehmen ihre Dividenden im halbjährlichen Rhythmus aus. Severstal hat jedoch im September 2020 eine Sonderdividende ausgeschüttet. Allerdings lag die Ausschüttungsquote weit über den Einnahmen. Wenn das der Fall ist, sollte man als Dividendenjäger immer vorsichtig werden.
Außerdem haben sich die Notierungen seit Mai 2020 glatt verdoppelt. Ein günstiges und interessantes Schnäppchen ist die Aktie damit nicht mehr und kaufen würde ich persönlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder Severstal noch Aeroflot. Doch den russischen Aktienmarkt beobachte ich derzeit dennoch sehr intensiv. Möglicherweise ergeben sich schon in Kürze interessante Chancen.
Kaufen, wenn die Kanonen donnern
Wie alle fast alle Schwellenländer ist auch die Börse in Moskau sehr stark vom Zustrom oder Abfluss ausländischer Gelder geprägt. Sie können sich das Ganze wie einen engen Flaschenhals vorstellen: Strömen ausländische Investments in großer Zahl ins Land, wird es eng und die Kurse steigen sprunghaft an.
Das System funktioniert aber auch in die Gegenrichtung. Ziehen die Ausländer ihr Geld ab, reichen die Käufe der Russen nicht aus, um die Verluste zu kompensieren. Die Folge sind herbe Verluste. Wer als Anleger in diesem beständigen Auf und Ab langfristig gewinnen will, der muss zwangsläufig antizyklisch vorgehen, also kaufen, wenn keiner die russischen Dividendenperlen haben will und verkaufen, wenn alle Welt an die Börsen in Moskau drängt.
Im vergangenen Jahr sind die Kurse vor allem in der zweite Jahreshälfte stark angestiegen. Seit einigen Wochen kommen die Notierungen jedoch deutlich zurück. Schuld ist die Politik des Kreml. An der Grenze zur Ukraine fahren Panzer auf und seit Donald Trump nicht mehr im Weißen Haus sitzt, muss jeden Tag mit neuen Sanktionen der Amerikaner gerechnet werden. Gazprom und die Ostseepipeline sind hierzulande gewiss das bekannteste Beispiel.
Sollten neue Sanktionen kommen, könnte es an der Börse in Moskau sehr schnell ungemütlich werden. Dann sollten Sie nicht unbedingt sogleich kaufen, wohl aber den russischen Aktienmarkt sehr genau beobachten, und wenn es tatsächlich nach einiger Zeit Schnäppchen einzusammeln gibt, dann auch beherzt zugreifen. Die Besonderheiten, die es dabei zu beachten gilt, werde ich Ihnen in einer der nächsten Ausgaben vorstellen.
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