Sehr geehrter Herr Speth, bei der Noratis AG handelt es sich um ein Immobilienunternehmen. In diesem Bereich tummeln sich viele Firmen, die allesamt ein leicht unterschiedliches Geschäftsmodell aufweisen. Erläutern Sie unseren Leserinnen und Lesern daher vielleicht zunächst einmal das Geschäftsmodell von Noratis.
Antwort von André Speth: Sehr gerne. Wir als Noratis AG bezeichnen uns selbst als Bestandsentwickler. Das bedeutet, dass wir ausschließlich Wohnimmobilienbestände in ganz Deutschland erwerben und dabei das Ziel verfolgen, diese Liegenschaften nach einer erfolgreichen Entwicklung weiter zu veräußern. Somit müssen alle unsere Projekte ein sogenanntes Entwicklungspotenzial aufweisen, was kaufmännisch und/oder technisch sein kann und welches wir heben möchten.
Wir setzen dabei ganz bewusst fast ausschließlich auf Wohnimmobilien, wobei wir großen Wert auf die Feststellung legen, dass es sich um bezahlbaren Wohnraum handelt. Die durchschnittliche monatliche Miete liegt bei uns bei ca. 6 Euro/qm. Vom Produkt her sind wir also durchaus vergleichbar mit den großen börsennotierten Bestandshaltern.
Unser Fokus liegt zudem auf Sekundärlagen, das heißt wir tummeln uns schwerpunktmäßig nicht in den A-Städten. Die Ausnahme ist hier Frankfurt (Main), aber auch nur, weil dies unser Heimatmarkt ist. Dies tun wir, weil es hier weniger Wettbewerb und höhere Renditen zu erzielen gibt. Unser Ziel ist immer, dass unsere Projekte vom ersten Tag an ihre Betriebs- und Kapitalkosten decken können.
Wir versuchen also das Beste aus den beiden Welten Bestandshalter und Projektentwickler zu vereinen. So haben wir die Stabilität eines Bestandshalters bei einer gleichzeitig höheren Renditeerwartung durch die Projektentwicklungen.
Aktuell wurden in Berlin ja, angestoßen von Juso-Chef Kevin Kühnert, zuletzt sogar Enteignungen ernsthaft diskutiert. Wie bewerten Sie solche Aussagen?
Antwort von André Speth: Naja, das waren zum Teil schon sehr extreme Aussagen, die ich nicht kommentieren möchte. Ich glaube aber schon, dass auch Wohnen in der Privatwirtschaft sehr gut funktionieren kann. Bei uns funktioniert es auch, so dass wir wirklich viele gute Beispiele vorweisen können, bei denen wir für alle einen Mehrwert geschaffen haben.
Ich bin allerdings durchaus schon dafür, dass es auch öffentliche Angebote gibt. Ein Mix, so wie es ihn ja heute schon gibt, ist daher sicherlich nicht verkehrt. Aber solch extreme Positionen wie Sie Herr Kühnert vertritt, nun ja, davon halte ich unabhängig davon, dass ich in dieser Branche tätig bin, nicht viel.
Wie wollen Sie in diesem zurzeit spannungsgeladenen Umfeld eigentlich in Zukunft wachsen? Kaufen Sie weitere Objekte oder Projekte hinzu? Oder versuchen Sie die Mieten zu erhöhen?
Antwort von André Speth: In der Regel erzielen wir den wesentlichen Teil unserer Gewinne durch Verkäufe. Dennoch sind wir de facto ein Nettokäufer, das heißt wir kaufen mehr zu als wir verkaufen. So konnten wir im Lauf der Jahre unseren Immobilienbestand trotz Verkäufe sukzessive immer weiter ausbauen, was auch ein Ziel von uns ist.
Der Markt ist natürlich riesig. Sie müssen sich vorstellen, dass wir ca. 42 Mio. Wohnungen in Deutschland haben. Der größte Teil dieser Wohnungen ist älter als 1990. In der Regel wurde und wird hier nicht genug hier investiert, so dass die Wohnungen in aller Regel nicht den heutigen Qualitätsstandards entsprechen. Denn die meisten Immobilieninvestoren möchten einfach nur die Miete kassieren und keine grundlegenden Sanierungsmaßnahmen durchführen.
Daher werden wohl immer wieder neue Immobilien auf den Markt kommen, die wir bedienen und weiter entwickeln können. Auf der anderen Seite gibt es kein neues Angebot. Denn komplett neue Angebote wären Neubauten. Neubauten können sie heutzutage jedoch nicht unter 10 Euro/qm/Monat vermieten, es sei denn, sie akzeptieren negative Renditen. Somit treffen wir mit unserem Geschäftsmodell den Zahn der Zeit. Wir erschaffen und erhalten bezahlbaren Wohnraum!
Wie sahen denn Ihre Geschäftszahlen zuletzt aus? Sie als Finanzvorstand des Unternehmens können da doch sicherlich mehr verraten, oder?
Antwort von André Speth: In 2018 erzielten wir etwas weniger Umsatz als im Vorjahr, konkret hat sich der Umsatz von 68 auf rund 56 Mio. Euro reduziert. Dafür ging jedoch unser Gewinn nach oben, weil unsere Marge auf die Immobilienverkäufe gestiegen ist. Für dieses Jahr prognostizieren wir eine Umsatzsteigerung bei einem gleichzeitigen Margenrückgang, so dass sich der Gewinn wohl erneut auf dem Niveau der beiden Vorjahre einpendeln dürfte.
Wie kommen Sie zu einer solch vorsichtigen Prognose? Glauben Sie, dass der Boom am Immobilienmarkt langsam abebben könnte?
Antwort von André Speth: In der Tat glaube ich, dass wir nicht mehr die enormen Steigerungen wie in der jüngsten Vergangenheit sehen werden. Der Markt selbst ist aber noch intakt, einen Crash erwarte ich daher nicht. Aber eine Normalisierung würde dem Markt sicherlich nicht schaden, ganz im Gegenteil.
Herr Speth, ich bedanke mich für das nette Gespräch und wünsche Ihnen auch weiterhin viel Erfolg!