Unser heutiger Interviewpartner ist der CFO der Noratis AG, André Speth.
Die Noratis AG ist Bestandsentwickler von Wohnimmobilien in Deutschland. Die Gesellschaft investiert insbesondere in die Aufwertung von in die Jahre gekommenen Werkswohnungen, Quartieren und Siedlungen in Mittel- und Kleinstädten, sowie in Randlagen von Ballungsgebieten. Der Fokus liegt sowohl darauf den Objektwert zu steigern, als auch das Wohnklima nachhaltig zu verbessern.
Herr Speth, seit unserem ersten Interview ist nun fast 1 Jahr vergangen. Was hat sich bei Ihnen seitdem verändert?
A. Speth: Die Noratis AG hat ihren Immobilienbestand in den vergangenen Quartalen deutlich ausgebaut. Zum Jahresende 2020 ist unser Immobilienbestand auf über 3.600 Einheiten gestiegen, ein Plus von 50 % gegenüber dem Vorjahr. Damit haben wir einen großen Schritt gemacht, bereits aus der Bestandshaltung nachhaltig profitabel zu sein. Der Verkauf entwickelter Immobilien bleibt jedoch weiterhin eine Säule unseres Geschäftsmodells. Davon abgesehen haben wir im Herbst unsere Noratis 5,5%-Unternehmensanleihe 20/25 (ISIN: DE000A3H2TV6) aufgelegt, die ebenfalls an der Börse handelbar ist. Anleger können nunmehr also sowohl auf der Eigenkapital-, als auch auf der Fremdkapitalseite in Noratis investieren.
Vor kurzem hat die Noratis AG nun einen Portfolioankauf von 60 Wohnungen in Bremen gemeldet. Können Sie weiterhin günstig Wohnungen einkaufen?
A. Speth: Dafür gibt es sogar mehrere Gründe Herr Möbus: Wir kaufen abseits der großen Metropolen, also typischerweise in Randlagen und am Rande von Ballungszentren. Die Objekte können dabei gerne in die Jahre gekommen sein und kaufmännisches oder technisches Entwicklungspotenzial aufweisen. Zudem kaufen wir bevorzugt kleinere Portfolios bis 400 Einheiten. Bei diesen Transaktionen ist der Wettbewerb in der Regel weniger intensiv als bei großen Portfolios, obwohl wir uns auch Transaktionen bis rund 1.000 Einheiten anschauen. Außerdem verfügen wir über ein hervorragendes Netzwerk in der Branche und über einen guten Ruf als verlässlicher Partner. Wir können deshalb weiter Objekte zu attraktiven Konditionen erwerben und wollen dies auch unverändert bundesweit tun.
Wie in der Einleitung beschrieben, gilt die Noratis AG als Bestandsentwickler. Erläutern Sie bitte, was darunter zu verstehen ist. Welche Merkmale können Sie herausstellen?
A. Speth: Wir entwickeln vorhandene Wohnimmobilien so, dass attraktiver, bezahlbarer Wohnraum erhalten bzw. geschaffen wird. Das bedeutet, dass wir die Objekte behutsam aufwerten, indem wir Außenanlagen attraktiver gestalten, technische Erneuerungen vornehmen, energetisch verbessern und leerstehende Wohnungen modernisieren. Wir reden hier nicht von Luxussanierungen, sondern von Wohnungen mit einem guten Wohnwert, die sich eine breite Schicht von Mietern leisten kann. Gerne sollen zudem vorhandene Mieter im Objekt wohnen bleiben. Durch diesen Ansatz kombinieren wir die Vorteile aus der Bestandshaltung, wie stabile, planbare Mieteinnahmen, mit den Vorteilen der Immobilienentwicklung hinsichtlich höherer Renditen. Aber eben ohne die typischen Risiken eines Objektentwicklers.
Vielen Dank für diese Ausführung. Im vergangenen Corona-Jahr haben Sie vergleichsweise wenige Wohnungen verkauft. Können Sie hier auf die Hintergründe eingehen?
A. Speth: Wir hatten für 2020 das Ziel ausgerufen, den Immobilienbestand deutlich auszubauen und hierfür temporär auch auf größere Immobilienverkäufe zu verzichten. Durch den im März 2020 erfolgten Einstieg der Merz Real Estate hatten wir zudem einen Ankeraktionär gewonnen, der das geplante Wachstum auch finanziell unterstützt. Wir hätten also deutlich mehr verkaufen können, haben uns aber bewusst dagegen entschieden. Mit der Ausweitung unseres Immobilienbestands 2020 um rund 50% haben wir dann auch ein sehr erfreuliches Wachstum erreicht.
Auch lässt sich entnehmen, dass Sie im laufenden Geschäftsjahr bereits über 300 Wohnungen verkauft haben. Werden wir 2021 ein deutlich höheres Ergebnis als 2020 sehen? Wie wird sich dieser Verkauf auf die Zahlen auswirken?
A. Speth: Wir haben häufig erklärt, dass wir nur temporär auf größere Objektverkäufe verzichten wollen und haben deshalb 2021 wieder mit Veräußerungen begonnen. Durch die Verkäufe realisieren wir unsere Entwicklerrendite, mit anderen Worten, sie sind eine wichtige Säule unseres Ergebnisses. Als Prognose haben wir entsprechend für 2021 veröffentlicht, dass wir ein deutlich höheres EBIT und EBT gegenüber dem Vorjahr erwarten. Dabei wollen wir aber auch den Immobilienbestand trotz der Verkäufe weiter ausbauen.
Wie Sie bereits erwähnt haben, ist die Merz Real Estate ein Ankeraktionär des Unternehmens. Welchen Einfluss wird dieser auf das Unternehmen haben? Wo sehen Sie die Noratis AG dadurch in 3 Jahren?
A. Speth: Wir freuen uns, mit Merz Real Estate einen Ankeraktionär an unserer Seite zu haben, der dieselben Werte vertritt wie wir, insbesondere den Multi-Stakeholder Ansatz. Dieser besagt, dass wir als Noratis Mehrwert für alle Stakeholder schaffen wollen, von Investoren und Aktionären über Geschäftspartner und Mitarbeiter bis hin zu bestehenden und zukünftigen Mietern.
Außerdem möchte Merz den Wachstumskurs der Noratis AG auch finanziell begleiten. Aktuell hält Merz rund 49 % der Anteile und hat sich beim Einstieg im vergangenen Jahr dazu verpflichtet, über Kapitalmaßnahmen bis Ende 2024 insgesamt bis zu 50 Mio. Euro Eigenkapital zu investieren. Hiervon ist erst ein Teil genutzt worden. Damit verfügen wir bei unserem geplanten weiteren Wachstum über Planungssicherheit. Mindestens ebenso wichtig ist uns das anhaltend hohe Vertrauen unserer Streubesitzaktionäre. Das zeigt sich unter anderem daran, dass bei der Kapitalmaßnahme im vergangenen Herbst von der Abnahmeverpflichtung des Ankeraktionärs nicht Gebrauch gemacht werden musste und sämtliche Aktien erfolgreich platziert werden konnten.
Das freut mich zu hören! Zum Abschluss habe ich nun noch eine Frage an Sie, Herr Speth. Wer oder was hat Sie in der Pandemie besonders beeindruckt?
A. Speth: Die Pandemie hat noch einmal bestätigt, dass unser Geschäftsmodell – also die behutsame Aufwertung von Wohnimmobilien im Interesse aller Stakeholder – nicht nur nachhaltig und rentabel ist, sondern eben auch krisensicher. Beeindruckend zu sehen war auch, mit welchem Engagement unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die schwierigen Umstände gemeistert haben – zu Hause, im Büro und vor Ort. Ihr Einsatz hat es uns ermöglicht, auch in den vergangenen 1,5 Jahren zu wachsen, technische und kaufmännische Herausforderungen zu meistern, unsere Immobilien aufzuwerten und so spürbaren Mehrwert zu schaffen für unsere Mieter ebenso wie für unsere Investoren.
Vielen Dank für das Interview. Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeitern weiterhin alles Gute für die Zukunft!