Liebe Leserin, lieber Leser,
betrachtet man lediglich den Kursverlauf der Aktie von NIO aus den zurückliegenden Tagen, könnte man von einer eher ruhigen Situation beim chinesischen Elektroauto-Start-up ausgehen. Ausgehend von 7,18 US-Dollar noch am letzten Handelstag im Oktober, hatten sich die Papiere zunächst bis zum Montag auf 8,50 Dollar verbessert, bevor es wieder zurückging. Aktuell notiert die Nio-Aktie bei 7,90 Dollar, und damit noch immer etwas höher als vor Wochenfrist. Operativ allerdings ist von Ruhe keine Spur: Die Hütte beim E-Autohersteller brennt, an mehreren Seiten.
Schlechte Absatzzahlen haben Folgen
Denn wie seit Montag bekannt ist, wird NIO aufgrund der schleppenden Geschäftsentwicklung weltweit jeden zehnten Arbeitsplatz streichen. Damit nicht genug, auch der Deutschlandchef musste gehen. Das kommt jedoch nicht allzu überraschend. Über die miserablen Verkaufszahlen des Premium-Herstellers hierzulande, der allein mit seinen Batterie-Wechselstationen einen ungeheuren Aufwand betreibt, war an dieser Stelle wiederholt berichtet worden.
- Laut Kraftfahrtbundesamt waren in den ersten drei Quartalen 2024 in Deutschland gerade einmal 885 E-Autos von NIO zugelassen worden.
- Im Oktober kamen nun 289 Neufahrzeuge dazu – und die schwachen Absatzzahlen hatten nun weitreichende Folgen
NIO wechselt auch den Deutschland-Chef aus
Denn wie das Manager Magazin berichtete, sei der bisherige Deutschland-Chef Ralph Kranz mit der Europa-Spitze von NIO aneinandergeraten, weil er mehr Zeit eingefordert haben soll, „um im Herz der westlichen Autoindustrie Fuß zu fassen“, wie es heißt. Chris Chen, Leitender der Europa-Zentrale von NIO, habe diesbezüglich laut einem Insider nun „ein Zeichen setzen“ wollen – und Kranz von seiner Aufgabe entbunden, berichtet unter anderem der Münchner Merkur. Dem Bericht zufolge haben auch Vertriebschefin Elise Chen und Servicechef Andreas Roehl das Unternehmen verlassen.
NIO erklärte indes, dass Marius Hayler künftig als Deutschland-Chef fungiere. Damit übernimmt kein Neuling die Geschicke in Deutschland: Hayler arbeitete zuletzt als General Manager der Marke in Norwegen und hat laut Unternehmen mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie. Chris Chen, Managing Director NIO Europe: „Deutschland gilt als besonders wettbewerbsintensiver Markt. Mit Marius Hayler haben wir eine der besten Personen aus den eigenen Reihen für die Umsetzung der Philosophie von NIO. Unter seiner Führung wird er den erfolgreichen Markteintritt und das Geschäft auf dem deutschen Markt weiter vorantreiben und ausbauen.“ Ob das ausreichen wird, bleibt abzuwarten.
Bis zu 3000 NIO-Mitarbeiter müssen gehen
Denn die leitenden Mitarbeiter aus Deutschland sind beileibe nicht die einzigen, die bei NIO gehen müssen, wie seit dieser Woche bekannt ist: Der defizitäre Elektroautobauer streiche zehn Prozent der Jobs und setze bei Investitionen den Rotstift an, berichtete unter anderem die Wirtschaftswoche. Von bis zu 3000 betroffenen Mitarbeitern weltweit ist die Rede.
Wegen des wachsenden Wettbewerbs müsse das Unternehmen die Effizienz steigern und die Kosten senken, teilte NIO demnach zur Begründung mit. „Dies ist eine harte, aber notwendige Entscheidung angesichts des harten Wettbewerbs“, schrieb NIO lau des Berichts an die Beschäftigten in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Mail.
NIO fährt weiter hohe Verluste ein
Und auch dabei wird es offenbar sehr fix gehen: Noch im November solle der Stellenabbau abgeschlossen werden. Zudem habe NIO die langfristigen Investitionen gekürzt. „Projekte, die nicht binnen drei Jahren zum Ergebnis beitrügen, würden aufgeschoben oder gestrichen“, so die Wirtschaftswoche. Denn der chinesische Hersteller mit Sitz in Shanghai hat demnach seine Verkaufsziele nicht nur in Deutschland weit verfehlt und schreibt weiterhin hohe Verluste.
Daran ändern auch die stets ins Positive verdrehten Mitteilungen über die Neuauslieferungen nichts. Am 1. November 2024 hatte NIO bekanntgegeben, dass im Oktober 2024 insgesamt 16.074 Fahrzeuge ausgeliefert worden seien, was einem Zuwachs von 59,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Im Vergleich zum Vormonat allerdings war die Steigerung minimal – und weit unter der ursprünglich ausgegebenen Vorgabe.
Mittleres Kursziel liegt bei 13,40 US-Dollar
Während das Start-up seine Zielgruppe also bei weitem nicht so begeistert, wie vom chinesischen Unternehmen erhofft, bleiben die Analysten insgesamt dennoch positiv gestimmt. Noch bevor NIO seine Zahlen zum dritten Quartal veröffentlicht hat, rufen sie ein durchschnittliches Kursziel von umgerechnet 13,40 US-Dollar auf. Mit anderen Worten: Stand jetzt prognostizieren die aktuell 27 Beobachter einen Kurszuwachs wieder von knapp 70 Prozent.
- 17 Analysten raten zum Kauf der NIO-Aktie
- Neun plädieren derzeit auf „Halten“
- Nur einer empfiehlt, zu verkaufen
Wie tragfähig derlei Einschätzungen sind, muss sich allerdings erst noch weisen. Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren noch lag das durchschnittliche Kursziel für die NIO-Aktie bei mehr als 50 US-Dollar. Tatsächlich notierten die Papiere zu dieser Zeit bei etwas über 40 Dollar. Doch statt weiter zuzulegen, wie von den vermeintlichen Experten prognostiziert, hat die Aktie seitdem mehr als 80 Prozent ihres Werts eingebüßt. Allein im zurückliegenden Vierteljahr ging es um rund 40 Prozent nach unten.
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