Liebe Leserin, lieber Leser,
Nel ASA hat es geschafft und sich von einer Altlast befreit: Seit Mittwoch ist die hochdefizitäre Fueling-Sparte als eigenständiges Unternehmen an der Osloer Börse gelistet. Bis zuletzt war unklar, ob der norwegische Wasserstoff-Spezialist alle Bedingungen erfüllen wird, um die seit Februar geplante Abspaltung tatsächlich umzusetzen. Doch es hat geklappt, Cavendish Hydrogen ist am Markt. Ein Befreiungsschlag allerdings war es für Nel ASA nicht, zumindest nicht an der Börse: Die Nel-Aktie rutschte sogar ins Minus, bevor sie sich wieder fing. Und auch die Cavendish-Aktie verlor.
Nel ASA: Volle Konzentration auf Elektrolyseure
Dabei tat das Nel-Management alles, um den Schritt so positiv wie nur möglich erscheinen zu lassen: „Ab heute widmet sich Nel ausschließlich der Entwicklung und Bereitstellung erstklassiger Elektrolyseure zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff“, wie man per Mitteilung wissen ließ. Nel ASA verfüge „über fast ein Jahrhundert Erfahrung in der Entwicklung von Elektrolyseuren und hat weltweit Tausende von Systemen installiert“, wie man betonte. „Aufbauend auf unserer beispiellosen Erfolgsbilanz werden wir von nun an hundert Prozent unserer Kapazität und unseres Wasserstoff-Know-hows in die Entwicklung und Bereitstellung der zuverlässigsten und energieeffizientesten Elektrolyseure investieren“, sagt Håkon Volldal, CEO von Nel.
Volldal sendete seinen ehemaligen Kollegen, die sich nun auf die Entwicklung von Wasserstofftankanlagen für schwere Nutzfahrzeuge konzentrieren, seine „besten Wünsche“. Das Spin-off Cavendish Hydrogen habe, so zeigt er sich überzeugt, eine solide Ausgangsbasis mit viel relevanter Erfahrung auf dem Markt sowie
- einen vielfältigen und starken Kundenstamm
- eine „kompetenten Organisation“ sowie
- einen engagierten Vorstand, so Volldal
Die hohe Schuldenlast der Sparte, das unprofitable Geschäftsmodell und ein in den USA anhängiges Gerichtsverfahren (der Kunde Iwatani Corporation of America hatte im Februar wegen angeblicher Mängel an ausgelieferten Wasserstofftankstellen gegen Nel geklagt), erwähnte er freilich nicht.
Nel bereitet sich auf Wachstum vor
Nach der Ausgliederung wird Nel ASA nach eigenen Angaben noch über rund 450 Mitarbeiter in Norwegen und den USA verfügen. Diese werden demnach „ihr Engagement und ihre Zeit darauf verwenden, Nels Ziel zu erreichen, Elektrolyseure „in großem Maßstab anzubieten“. Neben der Weiterentwicklung und Verbesserung seiner bestehenden PEM- und alkalischen Elektrolyseure investiert Nel laut Mitteilung stark in alkalische und PEM-Technologien der nächsten Generation. Dies im Rahmen einer Zusammenarbeit mit General Motors, die rasch voranschreite.
Im vergangenen Jahr hat Nel demnach große Schritte unternommen, um das Unternehmen auf weiteres Wachstum vorzubereiten. Die jährliche Produktionskapazität der vollautomatischen Elektrodenfertigungsanlage im norwegischen Herøya hat sich den Angaben zufolge von 500 MW auf 1 GW verdoppelt. Darüber hinaus steigerte Nel seine jährliche Produktionskapazität in seiner PEM-Fertigungsanlage in Wallingford, Connecticut, auf 500 MW. Wie in Herøya werden alle wichtigen Produktionsschritte in der Anlage in Wallingford automatisiert. Darüber hinaus sollen mehrere Produktionsprozesse, die zuvor von Subunternehmern durchgeführt wurden, ins Unternehmen selbst verlagert und optimiert werden.
Börsenwert von Nel ASA glatt halbiert
Das alles klingt gut, ist am Börsenwert des Unternehmens allerdings nur teilweise abzulesen. Sicherlich, die Nel-Aktie notiert aus dem vergangenen Monat noch immer zweistellig im Plus. Seit ihrem Zwischenhoch, ausgebildet bei rund 0,80 Euro Ende Mai als Reaktion auf einen abgeschlossenen Lizenzvertrag mit Indiens größtem privaten Unternehmen, Reliance Industries, hat sie wieder auf aktuell 0,58 Euro abgegeben.
- Ganz zu schweigen von der Bewertung Ende Juli 2023, als noch 1,23 Euro auf dem Kurszettel der Nel-Aktie standen
- Das Unternehmen hat seitdem tatsächlich noch immer mehr als die Hälfte seines Börsenwerts eingebüßt
Nur kurz profitierte die Nel-Aktie also vom Reliance-Vertrag, durch den die Norweger Zugang zu einem schnell wachsenden Markt erhalten. Über die finanziellen Details des Deals wurde allerdings nichts bekannt. Nel ist darüber hinaus eine Partnerschaft mit mehreren Unternehmen für Engineering Procurement and Construction (EPC) eingegangen, um schlüsselfertige 100-MW-Bausteine anzubieten. „Diese werden in Kürze auf dem Markt erhältlich sein“, heißt es jetzt. Doch auch diese Info konnte die Aktie nicht beflügeln.
Cavendish-Aktie fällt nach Börsengang
Dass Aktionäre, die am Freitag vergangener Woche in Besitz von Nel-Anteilen waren, für 50 Aktien jeweils eine Cavendish-Aktie als Sachdividende eingebucht bekommen, ist dabei nur ein schwacher Trost. Die Aktien des Ablegers fielen in Oslo laut Medienberichten bei ihrem Debüt zunächst um 14 Prozent gegenüber ihrem Eröffnungskurs von 29 NOK. Im Zusammenhang mit der Abspaltung des Tankunternehmens hatte Nel den Wert der zu verteilenden Aktien auf 0,63 norwegische Kronen (0,055 Euro) pro Aktie von Nel geschätzt, bei einem Verhältnis von 50:1, was demnach einem Wert von 31,60 Kronen pro Aktie von Cavendish entsprochen hätte. Daraus wurde nichts.
Der Eröffnungskurs von 29 NOK/Aktie bewertete Cavendish Hydrogen laut xm.com zunächst mit 975 Millionen NOK oder 85,66 Millionen Euro; am Vormittag lag der Aktienkurs demnach bei bei nur noch 24,8 NOK, was einer Bewertung von umgerechnet 73,27 Millionen Euro entspricht. Für Bestandsaktionäre bedeutete das, dass sie zu diesem Zeitpunkt 2,16 Euro für jeweils 50 Nel-Aktien oder 0,0432 Euro pro Aktie aufaddieren können, wurde der Dividendenabschlag doch bereits am Montag dieser Woche eingepreist. Nach einem guten Geschäft klingt das wahrlich nicht.
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