Liebe Leserin, lieber Leser,
die nächste, ernüchternde Woche liegt hinter der Aktie von Nel ASA. Noch stark in den Montag gestartet, als am Handelsplatz Frankfurt für die Papiere des norwegischen Wasserstoff-Spezialisten wieder knapp 1,20 Euro aufgerufen worden waren, rutschte sie bis zum Wochenende auf 1,13 Euro zurück. Dazwischen allerdings lag nicht nur die virtuelle Hauptversammlung, bei der offenbar (fast) alles einigermaßen zufriedenstellend ablief. Hinzu kamen zwei Analysteneinschätzungen zur Nel-Aktie. Doch diese könnten unterschiedlicher kaum sein. Kurzum: Es ist das große Rätselraten der Experten.
Bei Nel-Hauptversammlung Kritik an Vergütungen
Denn nach der Hauptversammlung vom Freitag ist vor den Quartalszahlen, die bereits am kommenden Donnerstag anstehen. Und diese werden einen klareren Blick auf den Zustand beim norwegischen Hersteller von Elektrolyseuren und Wasserstoff-Tankstellen geben. Insbesondere der Bereich Fueling sorgte beim bislang letzten Quartalsbericht für Enttäuschung im Markt. Insgesamt war der Nel-Umsatz zwar gestiegen, allerdings auch die Verluste, von 14,63 Mio. Euro im 4. Quartal 2021 auf 18,81 Mio. Euro im letzten Quartal 2022.
Dennoch winkten die Aktionäre bei der Hauptversammlung laut Unternehmensmitteilung jetzt fast alle Tagesordnungspunkte durch. Zwei Ausnahmen allerdings gab es demnach:
- es war der Bericht über Gehalt und andere Vergütungen der Geschäftsführung
- zum anderen die Befugnisse des Vorstandes, Anteile an Nel ASA zu erwerben
„Da der Vergütungsbericht auf der Hauptversammlung keine ausreichende Unterstützung findet, wird die Gesellschaft Rückmeldungen von Aktionären für den nächsten Bericht berücksichtigen“, teilte Nel am Freitag nach der Veranstaltung mit. Insbesondere die Übereinstimmung zwischen Management-Incentives und Aktionärsinteressen sollen demnach besser dokumentieret werden.
Aktie von Nel ASA seit Februar auf Talfahrt
Das größte Interesse der Aktionäre dürfte zweifellos ein steigender Kurs der Nel-Aktie sein, doch davon kann seit Anfang Februar keine Rede mehr sein. Auf gut 1,70 Euro waren die Papiere damals gestiegen, ausgehend von weniger als einem Euro noch im Oktober 2022. Doch seitdem kennt die Aktie nur noch den Weg nach unten. 12 Prozent Minus liefen allein im zurückliegenden Monat auf, seit dem Jahreshöchst verlor Nel ASA sogar rund ein Drittel an Börsenwert.
Das wird so nicht bleiben, prognostizierten zwei US-Analysten in dieser Woche. Doch während der eine mittelfristig einen weiteren Rückgang bei der Nel-Aktie voraussagt, geht der andere im Gegenteil von einem deutlichen Anstieg aus.
JPMorgan senkt Kursziel für Nel-Aktie weiter
Am Mittwoch hatte sich zunächst Patrick Jones von der US-Bank JPMorgan zu Wort gemeldet: Der Analyst bleibt für europäische Wasserstoff-Aktien insgesamt vorsichtig und wartet laut Medienberichten „auf bessere Einstiegsgelegenheiten, wenn Unterstützung von der Politik und größer skalierbare Projekte zu einer stärkeren Auftragsdynamik, Umsatzwachstum und verbesserten Margen führten“, wie es heißt.
Jones zieht demnach die Anteile von ITM Power (Großbritannien) den Papieren von Nel und GHS (Deutschland) vor. Der US-Experte wurde sogar noch ein wenig skeptischer, hat den fairen Wert für Nel vor den Quartalszahlen von ohnehin bescheidenen 11,60 auf 11,50 norwegische Kronen (NOK) gesenkt und die Einstufung auf „Underweight“ belassen. Keine Überraschung, entspricht das Kursziel doch aktuell gerade einmal 0,99 Euro, knapp 15 Prozent unter dem aktuellen Stand.
Goldman Sachs sieht 50 Prozent Kurspotenzial
Doch diese Einschätzung blieb nicht unwidersprochen, am Donnerstag konterte Goldman Sachs: Analyst Michele della Vigna machte vor den am 27. April anstehenden Quartalszahlen eine „attraktive Einstiegsgelegenheit bei den Aktien des Wasserstoffkonzerns aus“. Nel ASA sollte demnach „deutlich vom milliardenschweren US-Subventionsprogramm für alternative Energien profitieren“.
- US-Investmentbank beließ die Nel-Aktie auf „Buy“ mit einem Kursziel von 20,60 NOK (umgerechnet 1,78 Euro)
- Das Kurspotenzial der Papiere liegt für ihn demnach jenseits von 50 Prozent
Absturz oder Kurssprung bei Nel ASA-Aktie?
Kurzum: Die aufgerufenen Kursziele wirken wie wilde Spekulationen – und sind es wohl auch. Denn bei einer zukunftsweisenden Technologie sind die Unsicherheiten einfach zu groß. Noch arbeiten im Prinzip alle Akteure im Wasserstoffbereich, zumindest die so genannten Pure Player, hoch defizitär. Ob und wann sich das ändern wird? Diese Frage ist für die Branche kaum vorherzusagen, für einzelne Unternehmen schon gar nicht.
Wie weit die Kursziele etwa bei Nel ASA auseinanderklaffen, zeigt folgende Auflistung. Von Absturz bis Kurssprung um knapp zwei Drittel ist alles dabei:
Kursziel | Kurspotenzial | |
Goldman Sachs | 20,60 NOK | +53,39% |
JP Morgan | 11,50 NOK | -14,37% |
Credit Suisse | 10,70 NOK | -20,33% |
RBC Capital | 22,00 NOK | +63,81% |
Bernstein Research positioniert sich ungefähr in der Mitte der Extreme: Das US-Analysehaus hatte seine Einstufung für Nel ASA nach den Zahlen aus dem 4. Quartal 2022 auf „Outperform“ mit einem Kursziel von 17 norwegischen Kronen belassen – und bislang nicht verändert. Der Wasserstoff-Spezialist habe einen Rekord beim Auftragsbestand gemeldet und zudem neue Aufträge „im richtigen Umfang“, schrieb Analystin Deepa Venkateswaran Ende Februar. Sie verwies in diesem Zusammenhang allerdings auch auf schwache Margen und gestiegene Kosten.
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