Liebe Leserin, lieber Leser,
die gute Nachricht vorweg: Die Aktie von Nel ASA notiert aktuell bei 0,73 Euro und damit deutlich über ihren Tiefständen von 0,59 Euro noch Ende Oktober. Den Kurseinbruch des US-Wettbewerbers Plug Power vor knapp zwei Wochen nach Quartalszahlen, haben die Papiere des norwegischen Wasserstoff-Spezialisten nach kurzem einknicken somit einigermaßen unbeschadet überstanden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Nel-Aktie seit ihrem Zwischenhoch im Februar damit noch immer weit mehr als die Hälfte an Wert eingebüßt hat. Das große Problem: Die desolate Auftragslage.
Schweden-Projekt ist ein alter Hut
Sicherlich: Nel ASA berichtet aktuell auf seiner Unternehmensseite ausführlich über den „Mittelpunkt der industriellen Innovation Schwedens“, wie es heißt. Das neueste Projekt der Ovako Group sei die weltweit erste wasserstoffbetriebene Anlage zum Erhitzen von Stahl, die „einen Präzedenzfall“ auf dem Weg zu null Emissionen darstelle. Das Werk in Hofors, einer kleinen Stadt mit einer reichen Geschichte der Stahlherstellung, markiert laut Nel „einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltiger Industriepraktiken“. Die Einweihung dieser 20-MW-Anlage durch den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson unterstreiche ihre nationale Bedeutung.
Und in der Tat hat Nel ASA einen nicht unerheblichen Anteil für die zukunftsweisende Anlage geliefert, eben jenen 20 MW-Elektrolyseur, das Herzstück. Den Gegenwert bezifferte der norwegische Wasserstoff-Spezialist einst auf rund elf Millionen Euro. Das Problem nur: Der Auftrag durch Ovako wurde nicht nur vor ziemlich genau zwei Jahren gemeldet. Selbst die Einweihung fand laut Medienberichten bereits im August dieses Jahres statt.
Nel ASA mangelt es an Aufträgen
Dadurch wird deutlich: Nel ASA hat momentan einfach nichts zu melden. Schon gar keine neuen Großaufträge. Das war schon das Problem, als das norwegische Unternehmen am 25. Oktober seine Zahlen zum 3. Quartal vorgelegt hatte. Zwar wies Nel einen Quartalsumsatz von umgerechnet 34,24 Millionen Euro aus, was einem Anstieg um 121 Prozent gegenüber der Vorjahresquartal entsprach. Das EBITDA hatte sich mit -9,34 Millionen Euro gegenüber dem Verlust von noch 18,34 Millionen aus dem Vorjahr nahezu halbiert.
- Allerdings war zugleich der Auftragseingang auf rund 29,76 Millionen Euro um mehr als die Hälfte eingebrochen
- Im dritten Quartal 2022 hatten noch Neubestellungen in Höhe von 66,43 Millionen Euro in den Büchern gestanden
Seit dem 17. Juli kam genau: nichts!
Und es wird nicht besser. Der letzte durch Nel ASA vermeldete Großauftrag, es ging um die erste Phase des H2-Enable-Projekts von Bondalti in Portugal und einen unterzeichneten Auftrag über 40 MW alkalische Elektrolyseausrüstung im Wert von rund 11 Millionen Euro, stammt noch vom 17. Juli. Das ist leider kein Scherz – und inzwischen mehr als vier Monate her! Wenige Tage zuvor hatte Nel über einen festen Auftrag über eine 20-MW-Elektrolyseurausrüstung durch Hyd’Occ für ein Projekt im französischen Port-La-Nouvelle berichtet.
Aus dem vierten Quartal, von dem mittlerweile bereits mehr als die Hälfte verstrichen ist, gab es hingegen bislang genau: nichts! Kein Wunder also, dass die Nel-Aktie zuletzt zwar leicht zulegen konnte, aber mittel- und langfristig weiter massive Kursverluste verzeichnet. Allein das Minus aus den vergangenen drei Monaten liegt aktuell bei knapp 30 Prozent. Der Abschlag seit November 2022 beträgt rund 45 Prozent.
Wer profitiert von Wasserstoffnetz?
Wenig tröstlich, dass Plug Power noch weitaus mehr an Börsenwert eingebüßt hat. Vordergründig überrascht die schlechte Stimmung in der Branche ohnehin, wird dem Thema Wasserstoff bei der angestrebten Energiewende doch in vielen Bereichen eine große Bedeutung beigemessen, etwa im Schwerlastverkehr, bei Zügen oder in der Stahlproduktion.
Doch was bringt es, wenn etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck in den Vorwoche ein fast 10.000 Kilometer langes Wasserstoffnetz für Deutschland vorstellt, wenn gar nicht klar ist, welche Unternehmen in diesem Zusammenhang zum Zuge kommen könnten. Habeck verglich die Leitungen im Wasserstoffkernnetz laut Spiegel mit Bundesautobahnen. In einem weiteren Schritt müssten dann weitere Verbindungen in die Fläche geplant werden, die Landes-, Bundes- oder Kreisstraßen entsprächen, heißt es. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Finanzierung des Vorhabens allerdings auf sehr wackligen Beinen.
Kursziele für Nel unter Vorbehalt
Und so sind die Kursziele, die derzeit von den Analysten für die Aktie von Nel ASA aufgerufen werden, allenfalls Hoffnungen auf niedrigem Niveau. 11,28 NOK, umgerechnet 0,97 Euro, lautet die durchschnittliche Zielvorgabe aus 20 Analysen derzeit. Dies suggeriert ein Kurspotenzial von immerhin knapp einem Drittel. Entsprechend lauten die Empfehlungen:
- Sieben Analysten empfehlen Nel zum Kauf
- Neun würden die Papiere im Moment halten
- Nur vier raten zum Reduzieren oder dem Verkauf
Doch was ist von Prognosen von selbst ernannten Experten zu halten, die im Mittel noch Anfang März 2022 einen Kurs von 1,41 Euro für die Nel-Aktie für realistisch erachteten?
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