Sehr geehrter Herr Meyer-Brunswick, Mynaric ist im Bereich der Datenübertragung tätig. Dabei wird jedoch eine Lasertechnologie eingesetzt, so dass die Kunden besonders aus dem Bereich der Raumfahrt stammen. Können Sie die Mynaric AG, als Verantwortlicher, vielleicht mal kurz selbst unseren Leserinnen und Lesern vorstellen?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Mynaric beschäftigt sich in der Tat mit Laserkommunikation, das heißt mit der kabellosen Kommunikation für Fluggeräte oder Satelliten, zwischen diesen Fluggeräten oder Satelliten sowie von Fluggeräten oder Satelliten zum Boden. Dabei handelt es sich um eine neue Kommunikationstechnologie, ähnlich wie Funk.
Funk ist nichts anderes als elektromagnetische Wellen. Auch Mynaric verwendet solche elektromagnetischen Wellen, nur in einer viel höheren Frequenz. Damit sind wir im Bereich des Optischen, des Lichts – wir verwenden Infrarotstrahlung und können so sehr große Datenmengen sehr schnell und zuverlässig über sehr große Distanzen übertragen.
Die Lösung ist vergleichbar mit Glasfaserkabelnetzen am Boden, nur eben in der Luft.
Sie sagten mir im Vorgespräch, dass es durchaus Zweifel daran gab, dass das, was Sie heute tun, technologisch überhaupt möglich ist. Ganz naiv: Auch TV-Fernbedienungen arbeiteten, zumindest früher, mit Infrarot. Doch wenn etwas dazwischen war, funktionierte die Fernbedienung dann nicht mehr.
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: In der Tat ist dies eine Funktion jeder kabellosen Kommunikation. So etwas funktioniert leider nicht immer und überall. Schauen Sie sich Bluetooth an, da ist nach einer Wand in der Regel Schluss. Bei WLAN ist spätestens nach drei Wänden Schluss. Bei der Laserkommunikation ist sogar schon nach einer Wolke Schluss.
Laser geht also nicht durch Wolken. Die Anwendungsszenarien unserer Kunden finden daher dort statt, wo Wind und Wetter sowieso keine Rolle spielen. Dies ist im Weltall der Fall. Von einem Satelliten zum nächsten bin ich nur im Vakuum des Weltalls, dort gibt es keine Wolken.
Laserkommunikation ist also keine Ablösung für den Funk sondern eine Ergänzung. Sie ist dort sinnvoll, wo große Datenmengen schnell über große Entfernungen übertragen werden sollen. Insofern ist sie auch nicht sinnvoll für Endnutzer, beispielsweise in einem Fahrzeug oder auf einem Smartphone.
Das heißt solche Dinge wie Internet über Satellit ist auch nicht Ihr Geschäft?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Lassen Sie mich das so beantworten: In dem Bereich, in dem wir tätig sind, wird gerade eine ganz neue Wertschöpfungskette aufgebaut. Wir sind innerhalb dieser Wertschöpfungskette einer von mehreren Equipment-Hersteller. Wir haben daher mit Endkunden gar nichts zu tun. Unser Netzwerk-Equipment wird von Unternehmen gekauft, die entsprechende Systeme aufbauen. Dies sind beispielsweise Hersteller von Satellitenkonstellationen oder Fluggeräten.
Also auch ein Unternehmen wie SES Astra?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Theoretisch auch Satellitenbetreiber wie SES Astra, wobei dieses Unternehmen konkret aktuell keine öffentlichen Pläne für eine Konstellation hat. Wir sprechen ganz allgemein sowohl mit Unternehmen, die die Satelliten herstellen als auch mit Unternehmen, die solche Satellitenbauer beauftragen und später Betreiber der Satellitennetzwerke sein möchten.
Profitieren Sie denn auch von den Raumfahrtaktivitäten solcher Milliardäre wie Elon Musk (SpaceX), Jeff Bezos (Blue Origin) oder Richard Branson (Virgin Galactic)?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Ja, klar, sogar auf zwei Arten. Zum einen sind dies potenzielle Kunden, zum anderen ist das die beste Werbung für uns. Denn wenn drei erfolgreiche Milliardäre in den USA ständig davon sprechen, dass unsere Zukunft im Weltall stattfindet, dann laufen bei uns die Telefone heiß, weil wir das entsprechende Equipment im Angebot haben.
Aktuell herrscht eine gewisse Unruhe in der Szene, weil insbesondere SpaceX mit einer Geschwindigkeit und Macht in diesen Markt drängt, die man so nicht für möglich gehalten hat. Insbesondere die alteingesessenen Satellitenbetreiber wurden hier völlig überrumpelt.
So stehen wir derzeit vor der Situation, dass Ende 2020 – wenn alles nach Plan läuft – ein Viertel aller im Weltall befindlichen Satelliten einem einzigen Unternehmen, SpaceX, gehört. Dadurch wird ein globales Oligopol, dass es bisher gab, aufgebrochen.
Potenziell heißt aber auch, dass die genannten Unternehmen noch keine Kunden von Ihnen sind?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Wenn es so wäre, dürfte ich dazu nichts sagen. Wir sind in diesem Punkt leider zu absoluter Diskretion verpflichtet.
Wie stehen Sie denn zu den Visionen eines Elon Musk, dass wir zukünftig beispielsweise auch auf dem Mars leben müssen und werden?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Dazu kann ich wenig sagen. Zu Elon Musk kann man stehen, wie man will. Fakt ist jedoch, dass er mit SpaceX ein Satellitennetzwerk aufbaut, um damit Geld zu verdienen. Und zwar sehr viel Geld, denn so möchte er den Aufbau einer Mars-Siedlung finanzieren.
Dazu sind unfassbar hohe Geldsummen nötig, hier werden wohl nicht einmal ein paar hundert Milliarden US-Dollar genügen. Elon Musk sieht jedoch die Möglichkeit, mit seinem Satellitennetzwerk entsprechende Geldsummen zu generieren.
Für uns ist nicht wichtig, ob die Visionen von Elon Musk für ein Leben auf dem Mars am Ende Realität werden oder nicht. Für uns ist nur wichtig, dass diese – in den Augen von Elon Musk – Geldmaschinen für dessen potenzielle Finanzierung gebaut werden. Denn dafür könnten wir das entsprechende Equipment liefern. Wir sind sozusagen der Schaufelhersteller bei diesem Goldrausch im Weltall.
Die Satellitenbauer sind aber zum einen Ihre Kunden, zum anderen aber auch ein Stück weit auch Ihre Konkurrenten, oder?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: In der Tat verfügen die Satellitenbauer zum Teil über entsprechende Fähigkeiten im eigenen Unternehmen. Letztlich entscheidet jedoch immer der Endkunde, also der Satellitenbetreiber, was eingesetzt werden soll. Und wir fühlen uns gut aufgestellt und absolut konkurrenzfähig…
Jetzt sind wir hier auf der MKK, das Thema Kapital (Geld) steht also im Fokus. Können Sie etwas zum Geschäftsverlauf in 2019 sagen, wie zufrieden sind Sie damit? Und haben Sie möglicherweise zumindest schon einen groben Ausblick auf 2020?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Wir blicken sehr positiv auf das Jahr 2019, da wir einige Erfolge feiern konnten. Wir konnten in 2019 unser Produktportfolio finalisieren und die Produktion starten. Somit sind wir heute das einzige uns bekannte Unternehmen, das entsprechende Produkte mit nur wenigen Monaten Vorlaufzeit liefern kann.
Wir befinden uns in einem jungen, sich noch entwickelnden Wachstumsmarkt, der ganz am Anfang steht. Insofern ist für uns der Umsatz oder gar Gewinn nicht die singulär entscheidende Kenngröße, sondern unsere Marktposition.
Derzeit haben wir mehr als 30 Einheiten in der Produktion. Dies ist für diese Industrie völlig neu, denn in der Vergangenheit wurden Einzelstücke gefertigt. Aktuell prüfen wir, ob wir unsere Produktion für 2020 sogar noch weiter ausbauen werden müssen. Wichtig in 2020 ist uns, dass unsere Kunden unsere Produkte erstmals in die Hand bekommen und diese auf Herz und Nieren testen können. Dies ist die Basis, um signifikante Folgeaufträge gewinnen zu können.
Dabei könnten dann aber natürlich auch noch Schwierigkeiten auftreten, oder?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Da wir hier von einer neuen Technologie in einem komplett neuen Markt sprechen, würde es mich persönlich sehr überraschen, wenn es dabei nicht noch zu irgendwelchen Herausforderungen käme.
Insofern müssen Ihre Anteilseigner schon risikobereit sein und mit erhöhter Volatilität umgehen können, oder?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Als Anleger sollte man sich klar machen, in was für einem Marktumfeld wir operieren. Sie hatten eben nach einer Guidance für 2020 gefragt. Da geben wir ganz bewusst keine konkreten Zahlen heraus, weil wir uns in einer frühen Marktphase befinden.
Was ich sagen kann ist, dass alle Experten von einem starken Wachstum ausgehen, auf das wir uns entsprechend vorbereiten. Darum sind wir heute bereits 100 Mitarbeiter und wir stellen weiterhin kontinuierlich neue Kollegen ein.
Sie haben dabei keinerlei Probleme qualifiziertes Fachpersonal zu finden?
Antwort von Sven Meyer-Brunswick: Der Automobilindustrie geht es derzeit nicht so gut, so dass dort Leute frei werden. Diese sind für uns sehr interessant, weil wir nicht nur Luft- und Raumfahrtexperten benötigen. Wir arbeiten sogar ganz bewusst mit Experten aus anderen Industrien zusammen, um unsere Produktion zu optimieren.
Dazu gehören Leute aus der Automobilindustrie, aus der Medizintechnik sowie aus der Glasfaserbranche, die wissen, wie man größere Stückzahlen kostengünstig produzieren kann. Dieses industrielle Denken möchten wir daher ganz bewusst im Unternehmen haben.
Natürlich ist eine solche Entwicklung wie bei uns mit Aufwand verbunden. Mynaric aufzubauen ist nicht nur herausfordernd, weil die Technologie neu ist – auch unser Unternehmen ist neu. Es müssen Leute eingestellt, Prozesse etabliert und optimiert, eine Supply Chain aufgebaut werden und so weiter…
Dies alles ist komplex, differenziert uns aber in gewisser Weise auch von (potenziellen) Wettbewerbern. So etwas kann niemand über Nacht auf die Beine stellen. Das bedarf vieler Ressourcen, viel Zeit und viel Know-how.
Herr Meyer-Brunswick, ich bedanke mich für dieses sehr interessante Gespräch und wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem weiteren Weg!