Liebe Leser,
Warren Buffett hat vor fast 20 Jahren bezüglich der „Derivate“ wie Optionen und anderer Termingeschäfte von „Massenvernichtungswaffen“ für die Finanzmärkte gesprochen. Kurz vor dem Übergang in die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts könnten wir tatsächlich erleben, dass diese „Waffen“ ähnlich den Risiken vor 100 Jahren in einem weltweiten Feuerwerk Vermögen vernichten, wie wir es uns derzeit noch nicht vorstellen. Kürzlich hat die US-Behörde „OCC“ über die Bilanzen der US-Banken zum Ende des dritten Quartals berichtet. Eine unfassbare Zahl begründet die ungeheure Angst vor einem „Zombie“-Markt.
200 Billionen US-Dollar in den Bilanzen
Die US-Banken zusammen haben Derivate im Wert von rund 200 Billionen Dollar (!) in ihren Bilanzen. Derivate verkörpern letztlich Wetten auf bestimmte Zustände für einzelne Positionen am Finanzmarkt. Kritiker solcher Betrachtungen halten „uns“ – auch mir – stets vor, dass solche Wetten von zwei Seiten abgeschlossen werden. Derivate also sind nicht nur die Wetten der Verlierer, sondern gleichzeitig gibt es Gewinner, sodass sich daraus letztlich ein Nullsummenspiel entwickelt.
Das ist – in jeder Weise – grundfalsch und einer der größten Irrtümer am Finanzmarkt. Wenn solche Derivate also ausgewertet werden, dann verliert A seine „Wette“ und hat Verbindlichkeiten gegenüber B, der dieselbe Summe, die A verliert, als Guthaben verbuchen wird. Nun passiert allerdings in der Praxis etwas ganz anderes: B verbucht zwar die Gewinne als „Guthaben“, zunächst jedoch nur in Form von Forderungen gegen A. Wenn A nicht zahlen kann, werden die Forderungen abgeschrieben – entweder teils oder ganz. Die schönen Gewinne schmelzen wie Schnee in der Sonne.
Die Verluste hingegen, die Verbindlichkeiten, kann der Schuldner nicht einfach abschreiben. Er wird beispielsweise in einem Insolvenzverfahren erklären müssen, dass er sie noch nicht zahlen kann und versuchen, zumindest teilweise Einigungen, also Aufschübe oder einen Erlass durchzusetzen. Das kann, muss aber nicht gelingen. Das heißt: Im schlimmeren Fall wird der A seine Schulden nicht loswerden und kann einfach nicht zahlen. Der B aber wird als vorsichtiger Kaufmann seine Gewinne/Forderungen abschreiben müssen und sieht zu, wie die sich in Luft auflösen.
Wenn die Banken insgesamt Derivate im Wert von 200 Billionen Dollar gehortet haben, dann ist das eine Bombe, die aus genau diesem Grund platzen kann. Das Bruttoinlandsprodukt der USA (die jährliche Wirtschaftsleistung) beläuft sich auf gut 20 Billionen Dollar. Die Derivate-Summe ist also nicht nur 10mal so groß, sie übersteigt alles, was realistisch in absehbarer Zeit produziert werden kann.
Wenn die Wetten in unglücklicher Richtung platzen, dann werden sich die gegenseitigen Gewinne und Verluste nicht „aufheben“, sondern eine Seite eher belasten als die andere, die Forderungen aufstellt. Da diese ungeheuren Summen indes noch nicht einmal über Jahre aufgebracht werden können, liegen solche Effekte wie oben beschrieben nahe. Die Forderungen werden nach und nach platzen, weil Banken an Derivaten zugrunde gehen können. Mit solchen zusammenbrechenden Forderungen jedoch verschwindet noch viel mehr: Die Bilanzen werden auch bei den vorhergehenden Gewinnern rückwirkend „korrigiert“ und dann sicher erneut „korrigiert“. Das Vertrauen in Andere wird schwinden – und damit dann relativ schnell jeder Tauschhandel. Geld entsteht aus Krediten, ebenso der Tausch. Wenn es keine Kredite mehr gibt, wird der Tausch schrumpfen – und dies relativ uferlos und nicht kontrollierbar. Das nennt sich Wirtschaftskrise – und die Billionen-Derivatebombe der Banken in den USA kann einer der Auslöser sein. Niemand weiß, wann dies passieren wird. Morgen könnte es so weit sein – wann immer der erste Stein losrollt. Sind Sie hinreichend geschützt – mit Substanz?