Als im April schwerwiegende Vorwürfe gegen Luckin Coffee in Sachen Bilanzfälschung erhoben wurden, mutierte die Aktie binnen kürzester Zeit zum Penny Stock und flog aus dem Nasdaq. Das Wertpapier war ein Börsenzombie, der nur noch auf seine endgültige Eliminierung wartete.
Rund sechs Monate später hat es den Anschein, als erwache die totgesagte Aktie zu neuem Leben. Inzwischen liegt der Kurs wieder bei rund 4 US-Dollar. Alleine gestern gelang ein Tagesplus von über 20 %. Was ist hier los? Warum schöpfen die Anleger wieder Hoffnung?
In China ticken die Uhren anders
Zunächst scheinen einige personelle Veränderungen tatsächlich ein positives Signal an den Markt ausgesendet zu haben. Neben dem neuen CEO, zwei weiteren Vorstandsmitgliedern und einer anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist da sicherlich die Personalie Sean Shao zu nennen, der im vergangenen Monat in den Aufsichtsrat zurückkehrte. Shao hatte zunächst die interne Aufarbeitung im Buchhaltungsskandal geleitet, war dann aber im Juli von seinem Posten entfernt worden.
Der zweite und vermutlich gewichtigere Grund für die Renaissance der Aktie ist allerdings im Herkunftsland des Unternehmens zu suchen. Vereinfacht ausgedrückt: In China entscheidet der Staat darüber, ob ein Unternehmen tot ist, und nicht der Markt. Für seine massiven Vergehen hat Luckin Coffee dort gerade einmal eine Geldstrafe von 9 Mio. USD erhalten, während der Börsenwert der Aktiengesellschaft selbst nach all den Skandalen immer noch bei rund 900 Mio. USD liegt.
Risiken beachtlich
Es ist also augenscheinlich so, dass der Konzern nach wie vor das Vertrauen der chinesischen Führung genießt und entsprechend gepusht wird. Als Anleger sollte man sich dennoch der gewaltigen Risiken gegenwärtig sein. Denn da das Aktienunternehmen an einer US-amerikanischen Börse gelistet war, dürften nun sehr kostspielige Gerichtsverfahren auf Luckin Coffee zukommen. Die Liquidität liegt dem Vernehmen nach derzeit bei unter 800 Mio USD. Diese Summe wird kaum ausreichen, um gleichzeitig die Prozesse und das angestrebte Wachstum zu stemmen.
Ob die Wiederauferstehung der Aktie tatsächlich gelingt, hängt davon ab, ob die Filialen möglichst rasch profitabel arbeiten. Luckin Coffee möchte als eine Art chinesische Mischung aus Starbucks und Dunkin Donuts den Markt aufrollen. Der Kaffeekonsum in China steigt in den letzten Jahren rapide an, der Teeverbrauch der Chinesen ist ohnehin gewaltig. Das Geschäftsmodell könnte also funktionieren.
Frisches Kapital
Sobald die Gewinnzone erreicht ist, kann sich das Unternehmen auch frisches Kapital zu marktüblichen Konditionen besorgen. Damit ließen sich dann auch besagte Expansion, Schadensersatzforderungen, Bußgelder etc. bedienen. Und genau darauf gehen die Anleger, die jetzt investieren, eine Wette ein. Geht sie auf, könnte der Kurs im günstigsten Fall wieder auf Niveaus zurückkehren, wie wir sie vor Bekanntwerden des Skandals kannten, nämlich um die 50 USD.
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