Lithium ist einer der Schlüsselrohstoffe der Batterietechnologie und damit eine essenzielle Ressource der modernen Welt: Das Metall steckt etwa in Smartphones, Laptops, Digitalkameras und Elektroautos. Vor allem Letztere dürften die Nachfrage nach Lithium in den kommenden Jahren massiv befeuern.
Die Deutsche Rohstoffagentur rechnet damit, dass die weltweite Lithium-Nachfrage im Zuge der boomenden Elektromobilität künftig bei mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr liegen wird. Zum Vergleich: 2018 waren es rund 265.000 Tonnen.
Bislang ist Deutschland zu 100 Prozent auf Lithium-Lieferungen aus dem Ausland angewiesen. So stammen 80 Prozent des Metalls aus Chile und Australien. Für die Bundesrepublik kann das zu einem kritischen Problem werden.
Denn durch seine Lithium-Abhängigkeit ist Deutschland abhängig von der politischen Beziehung zu den Exportländern. Wie riskant das sein kann, hatte sich Ende 2019 gezeigt, als die bolivianische Regierung plötzlich ein entsprechendes Lieferabkommen mit Deutschland per Dekret gestoppt hatte. Umso mehr muss Deutschland einen Weg aus dieser Unselbstständigkeit finden.
INM-Projekt bringt Grubenwasser als Lithium-Quelle ins Spiel
Jetzt hat ein Forscher aus Saarbrücken eine interessante Methode zur Lithiumgewinnung präsentiert, die gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte.
Im Mittelpunkt: der Steinkohlebergbau. Seit 2018 ist dieser in Deutschland Geschichte. Doch das Ende der Ära geht mit langfristigen Altlasten einher. Im Ruhrgebiet etwa gibt es weitreichende Netze an Stollen, Schächten und Gruben, die sich alltäglich mit Wasser füllen.
Dieses sogenannte Grubenwasser ist in der Regel verunreinigt mit Chemikalien und darf sich deshalb nicht mit dem Trinkwasser vermengen. Aus diesem Grund muss das Grubenwasser aus den stillgelegten Bergwerken abgepumpt werden. An der Saar und im Ruhrgebiet werden so jeden Tag Tausende Kubikmeter Grubenwasser aus der Erde geholt und dann in Flüsse abgleitet. Für die zuständige RAG-Stiftung eine Ewigkeitsaufgabe, die pro Jahr mit dreistelligen Millionenkosten einhergeht.
Tatsächlich allerdings ließe sich dieses Grubenwasser sinnvoll nutzen – und zwar als Rohstoffquelle für Lithium. Ein wegweisendes Konzept hat nun Professor Volker Presser vom „Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken“ (INM) vorgelegt. Auf seinem Weg durch den Untergrund sammelt das Grubenwasser nämlich allerhand Mineralstoffe ein. Darunter: Kalium und Natrium, aber auch wertvollere Rohstoffe wie Lithium finden sich im Wasser.
Und so soll das Ganze funktionieren: Im Rahmen des sogenannten Projekts „MERLIN“ wollen Presser und seine Kollegen das Grubenwasser durch eine Batteriezelle mit Minus- und Pluspol durchleiten. An den Elektroden formieren sich daraufhin Chlor- und Lithium-Ionen, während sämtliche anderen Stoffe zusammen mit dem Grubenwasser aus der Zelle abfließen. Schließlich kann das so gesammelte Lithium anschließend zu einem Festkörper getrocknet werden.
Ewigkeitschance: RAG-Stiftung stellt Gelder zur Verfügung
Laut Professor Presser ließen sich somit 30 bis 900 Tonnen Lithium pro Jahr aus dem Grubenwasser gewinnen. „Unser Ansatz ist, Grubenwasser als Ewigkeitschance zu verstehen und durch innovative Technologie als Wertwasser nutzbar zu machen“, erklärte der Wissenschaftler (via RAG-Stiftung). Im Prinzip sei das Verfahren sehr energieeffizient. Eine Hochskalierung auf industriellen Maßstab ist deshalb durchaus denkbar.
Finanzielle Unterstützung erhält das „MERLIN“-Projekt von der RAG-Stiftung. Diese ist für die Abwicklung des deutschen Steinkohlebergbaus verantwortlich und hat daher ein wirtschaftliches Interesse daran, das Grubenwasser nutzbar zu machen. Zwei Jahre lang soll die Förderung andauern.
Die RAG-Stiftung jedenfalls sieht großes Potenzial in dem Verfahren. „Wir werden es aktiv mit Personal und Infrastruktur unterstützen. Dazu werden wir insbesondere die Hochskalierung der Technologie untersuchen und diese im Gesamtprozess betrachten“, so die entsprechende Pressemitteilung der Stiftung.
KIT forscht an anderem Ansatz: Lithium aus Geothermalwasser?
Übrigens: Die Lithium-Gewinnung aus Grubenwasser ist längst nicht die einzige Alternative, die in Deutschland aktuell forciert wird. So haben Wissenschaftler des „Karlsruher Instituts für Technologie“ (KIT) erst kürzlich einen weiteren Ansatz vorgestellt. Gemeinsam mit dem Konzern EnBW wollen die Forscher eine Pilotanlage entwickeln, die aus Geothermalwasser Lithium gewinnen könnte. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert jenes KIT-Projekt mit 2,7 Millionen Euro.