Vor einigen Tagen hatte ITM Power einen Halbjahresbericht präsentiert, die den Anlegern des Elektrolyse-Spezialisten gar nicht geschmeckt hat. Die Aktie sackte prompt über 10 Prozent ab. Was hat die Investoren derart vergrätzt?
Das Unternehmen war in der ersten Hälfte des Geschäftsjahrs 2024, die am 31. Oktober 2021 endete, wieder tiefer in die roten Zahlen gerutscht. So stieg der Umsatz zwar gegenüber dem stark pandemiebeeinträchtigten Vorjahreszeitraum von unter 200.000 britischen Pfund (GBP) auf 4,16 Millionen GBP. Der Nettoverlust in den sechs Monaten erhöhte sich jedoch auf 15,35 Millionen GBP gegenüber 12 Millionen GBP im Vorjahr. Je Aktie stieg der Fehlbetrag damit von 0,025 auf 0,028 GBP.
Energiepreise machen Druck auf Green-Tech-Titel
Seit einem Jahr gleicht der Kursverlauf der ITM-Aktie einer Achterbahnfahrt, die letztlich dennoch eine klare Tendenz aufweist: nach unten. So verlor das Unternehmen in den vergangen 12 Monaten zwei Drittel seines Börsenwerts; derzeit notiert der Wasserstoff-Titel nur noch bei 2,55 GBP.
Den anderen Werten in der Wasserstoffbranche erging es zuletzt nicht besser. Die Festlegung des G7-Gipfels auf konkrete Klimaziele, das neue Infrastruktur-Programm von US-Präsident Joe Biden und die Ankündigung einer „Green Industrial Revolution“ durch die britische Regierung: All diese Initiativen ließen zu schnell zu viel Geld in den Green-Tech-Sektor fließen. Eine harte Korrektur war unausweichlich.
Die stark gestiegenen Energiepreise drücken zusätzlich auf die Kurse der Green-Tech-Werte. Denn Anleger fassen zunehmend wieder Erdgas und Kernenergie als Brückentechnologie ins Auge.
Immer vollere Auftragsbücher
Was die Wasserstoff-Titel derzeit noch antreibt, sind die zwei bis fünf Jahre vorausblickenden Prognosen. Bis 2024 soll sich der Umsatz bei ITM laut Analystenkonsens mehr als verzwölffachen – ein Riesenschritt, selbst wenn er von einem niedrigen Ausgangsniveau bei geschätzten 21,61 Millionen GBP im laufenden Geschäftsjahr ausgeht. Erste Gewinne sollen demnach 2025 sprudeln, die Kursziele der Analysten liegen derzeit im Schnitt 121% über dem aktuellen Preis der Aktie. Damit sticht ITM in einer Prognose-getriebenen Wasserstoffbranche hervor.
Was den Bank- und Research-Häusern am britischen Wasserstoff-Pionier besonders gefällt, ist der stetig wachsende Auftragsbestand. So stieg das Volumen der Order-Pipeline im Januar auf 473 Millionen GBP gegenüber 408 Millionen GBP vor 12 Monaten. Das entspricht einer Leistung von 1.279 Megawatt (MW) verglichen mit 494 MW im Januar 2021. 86 MW davon befinden sich der Produktion, im Vorjahreszeitraum waren es noch 21 MW.
Fundamental abgekoppelt
Mit dem neuen Werk in Sheffield hat ITM seine Produktionskapazitäten stark erweitert. Die maximale Kapazität der sogenannten Power Gigafactory soll bei einem Gigawatt im Jahr liegen. Wenn alles nach Plan geht, wird das Unternehmen seine Geschäfte schrittweise expandieren. Sollte die Erwartungen jedoch nur geringfügig enttäuscht werden, droht der Absturz der Aktie.
So ist der Aktienkurs des britischen Elektrolyse-Spezialisten trotz anhaltender Korrektur weiterhin von den Fundamentaldaten abgekoppelt. Den Millionenumsätzen im niedrigen zweistelligen Bereich steht ein Börsenwert von 1,55 Milliarden GBP gegenüber – ein immer noch haarsträubendes Kurs-Umsatz-Verhältnis: Für jedes Pfund, das das Unternehmen einnimmt, zahlt der Markt 73.
Was das Potenzial von ITM Power angeht, bin ich zwar voll bei den Analysten. Das Wasserstoff-Geschäft kommerziell zu skalieren, wird jedoch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen – und ich fürchte, dass vielen Aktionären dafür die Geduld fehlt. Privat-Investoren sollten daher den Titel vorerst auf der Beobachtungsliste belassen und allenfalls bei wirklich heftigen Rücksetzern einen Einstieg erwägen.
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