Die digitale Revolution durchdringt inzwischen alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. Die immer stärke Anwendung von Modellen der Künstlichen Intelligenz ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Um solche Entwicklungen allerdings überhaupt auf den Weg zu bringen, bedarf es Investoren, die frühzeitig das Potenzial digitaler Geschäftsmodelle erkennen und ins Risiko gehen wollen, um mit entsprechendem Kapital Wachstum und Bewertung anzustoßen. Auch in Deutschland finden sich, wenngleich wesentlich seltener als in den USA, Risikokapitalgeber. Die börsennotierte Mountain Alliance (ISIN: DE000A12UK08) ist solch eine Venture-Capital-Gesellschaft.
Wir haben mit dem Gründer und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Daniel Wild darüber gesprochen, welche Geschäftsmodelle ihn denn im Beteiligungsgeschäft besonders reizen und mit welcher Strategie Mountain Alliance Mehrwert für seine Beteiligungen und seine eigenen Aktionäre schaffen will.
Finanztrends: Herr Will, Mountain Alliance ist eine Beteiligungsgesellschaft, die sich vor allem auf digitale Geschäftsmodelle fokussiert hat. Können Sie bitte noch einmal skizzieren, wo hier ihre inhaltlichen Schwerpunkte liegen.
Daniel Wild: Gerne, wir als Mountain Alliance bewegen uns in einem Markt digitaler Geschäftsmodelle, der in den letzten Jahren sehr stark gewachsen ist, insbesondere auch durch den Corona-Schub, der viele technologische Ansätze wie E-Commerce, Online-Dienstleistungen oder digitale Zahlungssysteme nach vorne gebracht hat. Unser Fokus liegt dabei im Besonderen auf Software, ab und zu auch Plattformen, die sich an Endkunden wenden. Aber meistens geht es um Software, die an B2B Kunden sich wenden. Also auf Neudeutsch B2B und SaaS, also Software as a Service Modelle. Ein Beispiel ist die Exasol, bei der wir beteiligt waren und die 2020 in die Börse gebracht wurde.
Finanztrends: Was muss denn eine Firma mitbringen, um für Sie interessant zu werden?
Daniel Wild: Als selbst börsennotierte Firma ist uns in den letzten 15 Jahren bewusst geworden, dass wir notwendigerweise jedes Jahr zwei, drei Erfolge zeigen müssen, damit unsere Aktionäre verstehen, wie unser Geschäftsmodell funktioniert. Darum schauen wir uns nur Firmen an, die digital sind, die ein gewisses Alter haben, mindestens fünf bis sechs Jahre alt sind und deren Geschäftsmodell nicht nur bewiesen ist, sondern relativ gut auch profitabel gemacht werden kann. Bei einem Investment unsererseits müssen die Firmen nicht gleich profitabel sein, aber die Gewinnzone muss erreichbar sein.
Dabei sind wir als Mountain Alliance dadurch gewachsen, indem wir ganze Portfolien kaufen. Wenn man Portfolien kauft, guckt man sich an, dass das Gesamtportfolio den schon genannten Kriterien, insbesondere auch des Reifegrades, entspricht. Warum dabei fünf, sechs Jahre alt? In meiner Erfahrung auch als Frühphaseninvestor seit 2001 weiß ich, dass im Schnitt zwischen Erstinvestition und Verkauf acht bis zehn Jahre vergehen. Wenn ich also im Jahr 5 erst einsteige, weiß ich, dass statistisch nach drei bis fünf Jahren der Verkauf stattfindet. Und dadurch weiß ich, dass ich in meinem Mountain Alliance Portfolio dann einen hohen Umschlag habe.
Finanztrends: Wenn Sie sich an einer Firma beteiligen, sehen Sie sich da eher als passiver Investor oder nehmen Sie da auch aktiv Einfluss auf die Geschäftsleitung oder Geschäftsstrategie?
Daniel Wild: Das kommt immer auf die Phase an, in der das Unternehmen steckt, und auf die Größe. Als Risikokapitalgeber spielt man im Wesentlichen vier Rollen. Die Rolle des Mitgründers, die Rolle des Coaches, die Rolle des Investmentbankers und die Rolle des Turnaround-Managers. All diese Rollen kann man aber gar nicht ständig spielen, man muss sich fokussieren. Je nach Alter der Firma spielt man auch eine andere Rolle.
Bei den Mountain Alliance wollen wir keine frühphasigen Firmen. Also sowas wie Mitgründen tun wir nicht, sondern wir unterstützen unsere Firmen beim Einstieg in neue Märkte, ab und zu bei Vermarktungsstrategien oder bei der Frage, wie sie bestimmte Situationen, wozu auch Recruiting gehören kann. Bei solchen Themen sind wir dann gern Ratgeber. Und wenn es dann irgendwann ums Verkaufen der Firma geht, dann sind wir manchmal in so einer Art Investmentbanker-Rolle unterwegs und helfen Käufer zu finden für die Firmen. So etwas wie restrukturieren müssen wir hoffentlich selten, ist aber auch schon notwendig gewesen. Und wenn Firmen mal nicht gut laufen, ersetzen wir womöglich das Management.
Die Aktivität unserer Rolle ist ganz direkt korreliert mit der Höhe unserer Anteile. Bei Mountain Alliance haben wir drei Firmen, da halten wir mehr als 50 %. Und damit sind wir in diesen Fällen im Endeffekt der Unternehmer. Wenn die Firma nicht läuft, sind wir verantwortlich. In der Mehrheit der Fälle sind wir aber eher Beifahrer als Fahrer. Wir sind typischerweise der Beifahrer, sitzen hinten auf der Rückbank und klatschen, wenn es zum Verkauf kommt oder zum Börsengang.
Wie sieht die Portfolio-Strategie aus?
Finanztrends: Im Portfolio der Mountain Alliance sind derzeit 17 Unternehmen enthalten, wenn man die vor kurzem komplett veräußerte AlphaPet herausgerechnet. Sie hatten die unterschiedlichen Beteiligungsgrößen schon angesprochen, woran orientieren sich Ihre Beteiligungsgrößen, haben Sie sich hier selbst auch Grenzen gesetzt, zum Beispiel wegen des Risikos?
Daniel Wild: Wir streben bei Minderheiten typischerweise Anteile zwischen 5 % und 20 % am Unternehmen an. Das ist ideal. Wenn Firmen weiterfinanziert werden und wir nicht mitgehen, dann werden wir natürlich verwässert. Dann haben wir auch weniger als 5 % in wenigen Fällen. Aber in den meisten Fällen sind unsere Beteiligungen zwischen 5 % und 20 %. Wobei unsere Portfolio-Werte derzeit zum großen Teil profitabel oder cash positive sind oder jetzt gerade werden. Viele wissen, dass es zurzeit für Firmen relativ schwierig ist, Kapital zu bekommen. Unsere Firmen haben diesen Bedarf nicht, weil sie finanziert sind oder kein Kapital brauchen. Damit ist das Thema Verwässerung für uns auch nicht aktuell.
Finanztrends: Der Markt schaut bei Mountain Alliance derzeit vor allem auf die Online-Sprachschule Lingoda, bei der sie noch mit 6,7 % beteiligt sind. Sie selbst sprechen darüber, sich hier auf absehbare Zeit komplett zurückzuziehen. Dennoch haben sie erst kürzlich darauf hingewiesen, dass Lingoda ein Paradebeispiel dafür wäre, wie ihr Geschäftsmodell funktionieren kann. Könnten Sie das etwas näher erläutern?
Daniel Wild: Also Lingoda ist aktuell unsere spannendste Beteiligung. Die 6,7 % sind zu der aktuellen Bewertung, bei der wir sie im Buch haben, ungefähr so viel wert wie die gesamte Marktkapitalisierung von Mountain Alliance heute. Unsere Beteiligung allein ist also mit gut 20 Millionen Euro bewertet. Das heißt, aus heutiger Sicht gäbe es die anderen 16 Firmenbeteiligungen umsonst dazu. Wobei wir auch bei dieser Bewertung bei Lingoda nicht davon ausgehen, dass wir zu dem Wert verkaufen werden, sondern zu einem deutlich höheren.
Mit unseren 6,7 % sind wir einer der größeren Aktionäre. Aber dennoch Entscheidungsnehmer. Diese Firma wird irgendwann verkauft werden oder an die Börse gehen. Unsere Erwartung ist, wir entscheiden es ja nicht, dass das passiert im Jahre 2025. Es gibt Spekulationen im Markt, dass es früher passiert, das möchte ich aber nicht kommentieren. Generell ist Lingoda ein klassisches Beispiel für unser Geschäftsmodell. Wir sind damals eingestiegen zu einem Wert von dieser Beteiligung von unter einer Million. Wir haben schon mal einen Prozentpunkt verkauft, als ein großer Investor eingestiegen ist und haben damit 1,5 Millionen verdient. Die Investition ist also drin und wir gehen wie gesagt davon aus, dass wir bei einem Verkauf in absehbarer Zeit weit mehr als 20 Millionen Euro für unseren Anteil erzielen. In unserer Branche ist das dann ein Home Run. Das ist eine wirklich toll funktionierende Beteiligung, die mehr Geld zurückzahlt, als die Firma heute wert ist.
Finanztrends: Kommen wir noch zu Ihren Geschäftszahlen. Mit dem Geschäftsbericht 2023 haben sie auf HGB nach bislang IFRS umgestellt. Was waren die Gründe dafür?
Daniel Wild: Als Beteiligungsholding versuchen wir, den maximalen Wert beim Aktionär ankommen zu lassen. Alles, was wir an unnötigen Kosten haben in der Holding, haben wir rausgeschmissen. Die Holding wird heute mit zwei, drei Leuten betrieben. Wir sind umgestiegen von IFRS, weil es relativ aufwendig war, weil es nicht notwendig war für unser Geschäft, weil wir damit deutlich Kosten eingespart haben. Hinzu kommt jetzt, dass wir bereits mitgeteilt haben, den Aktionären noch mehr Transparenz zu geben. Dazu werden wir zum Halbjahr ein sogenanntes Portfolio Reporting veröffentlichen. Das kommt in den nächsten ein, zwei Wochen raus. Dieses Portfolio Reporting zeigt dann zu jeder Firma Details, die viel höher sind, als es auf IFRS geben würde.
Ein Blick auf die Geschäftszahlen
Finanztrends: Nach der neuen Bilanzierung konnten sie letzten Jahr einen deutlichen Umsatzsprung um rund 115 % verbuchen, allerdings blieben sie beim Ergebnis nach Steuern weiterhin mit knapp 1,1 Millionen Euro in der Verlustzone. Welche Faktoren sorgten denn hier besonders für den Umsatzanstieg und welche Belastungen gab es für den Ertrag?
Daniel Wild: Also muss man unterscheiden. Der Umsatz, den wir gezeigt haben, ist aus unseren drei Mehrheitsbeteiligungen konsolidiert. Das heißt, die Firmen Getlogix, Promipool und Shirtinator, vor allem Shirtinator, sind wieder deutlich gewachsen und dadurch ist der Umsatz gestiegen. Das liegt vor allem daran, dass die Corona-Phase, was bei Shirtinator negative Auswirkungen hatte, vorbei ist. Alle drei Firmen wachsen wieder, sind profitabel und das führt bei uns zu Top-Line-Wachstum.
Der Verlust oder Gewinn in der Bilanz ist bei uns meistens getrieben von Beteiligungsveräußerungen. So kam der Verlust im letzten Jahr daher, dass wir uns zum Jahresende komplett von unseren letzten börsennotierten Beteiligungen verabschiedet haben. Wobei gilt: Wenn wir Firmen an die Börse bringen, verkaufen wir nicht gleich alles, sondern ziehen uns über die Zeit zurück. So in dem Fall mit Exasol und mit Bio-Gate. Da haben wir aber jetzt Ende des Jahres alles verkauft, denn die Schwankungen der Börsenkurse haben unseren NAV jedes halbe Jahr nach oben oder unten gehen lassen, was eigentlich nicht dem entspricht, dass unsere 17 jetzt privat gehaltenen Companies jedes Jahr insgesamt deutlich wertvoller werden und wachsen. Deshalb haben wir auch aktuelle gesagt, dass börsennotierte Firmen nicht mehr unser Geschäft sind.
Finanztrends: Also ist das Thema börsennotierte Beteiligung für Sie komplett abgeschlossen?
Daniel Wild: Sagen wir so, es ist nicht komplett abgeschlossen, aber es ist absolut nicht unser Fokus. Unser Fokus ist, Firmen zu entdecken, die unheimliche Wertsteigerungen vor sich haben in den zwei, drei Jahren vor dem Exit, in die wir günstig einsteigen können und die wir gewinnbringend verkaufen können. Diese Firmen finden wir tendenziell in privaten Märkten. Apropos günstig einsteigen: Wenn wir ein Portfolio kaufen von einem Fonds, der nicht weitermacht, kaufen wir das Portfolio in der Regel günstig mit einem 60 %-igen Abschlag. Das nennt man „accretive acquisition“, das heißt unser NAV pro Aktie, aktuell 6,60 Euro im Verhältnis zu 3 Euro Börsenkurs, ist nachher höher.
Finanztrends: Stichwort Net Asset Value. Im Geschäftsbericht 2023 hatten sie einen Net Asset Value von 45,7 Millionen Euro bzw. 6,64 Euro je Aktie ausweisen können. Aktuell notiert die Aktie gerade mal bei knapp 3,00 Euro. Dieser deutliche Abstand zum NAV ist bei ihnen geradezu chronisch. Woran hakt es ihrer Meinung nach und was könnte dazu führen, dass sich die Aktienbewertung endlich stärker am NAV orientiert?
Daniel Wild: Ein Teil dieses Abschlags ist der ganz normale Holding Abschlag im Kapitalmarkt. Die meisten Holdings haben am Kapitalmarkt einen Abschlag, weil es sich halt nicht nur um ein Unternehmen handelt, sondern um mehrere. Ich halte in unserem besonderen Fall das eigentlich nicht für gerechtfertigt, weil wir genau zeigen, was unsere portfolio-Werte sind und wir auch zeigen, wie die Werte sich weiterentwickeln. Aber wenn wir einen Abschlag hätten von 20 oder 25 %, würde ich sagen, okay, entspricht dem üblichen Holding-Abschlag. Unseren tatsächlichen Abschlag von 60 % empfinde ich aber als deutlich zu hoch. Das liegt aber an zwei Dingen.
Erstens sind wir halt selber mit ungefähr 20, 21 Millionen Marktkapitalisierung ein Micro Cap oder ein sehr kleiner Small Cap in Deutschland. Das heißt, wir haben nicht genug Aufmerksamkeit. Wir können aber nur zeigen, dass dieser Wert, der Abschlag nicht gerechtfertigt ist, indem wir zeigen, dass wir zum NAV unsere Beteiligungen verkaufen können. Sie haben es angesprochen, wir haben gerade für knapp 2 Millionenunseren letzten Anteil von Alphapet verkauft. Genau zu dem Wert stand es in der Bilanz Ende letzten Jahres. Wenn wir eine Lingoda verkaufen, wird es zum höheren Wert sein, als jetzt in der Bilanz und bei anderen Werten genauso.
Vor diesem Hintergrund steht der NAV bei 6,60 Euro, aber eigentlich wäre mehr gerechtfertigt, denn dieser NAV ist auch immer ein rückblickender Wert. Insofern tun wir eine Menge, um diesen Wert aufzuholen. Das macht man durch Kommunikation und vor allem durch das Zeigen von Exits. In den letzten vier Jahren haben wir jedes Jahr, wie angekündigt, im Durchschnitt zwei Exits gemacht. Dieses Jahr haben wir den ersten schon absolviert. Es werden noch mindestens einer, eher noch zwei kommen.
Finanztrends: Herr Wild, herzlichen Dank für das Gespräch.