In Zeiten steigender Zinsen hatten Firmen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien keinen leichten Stand. Doch mit weiterhin politischem Rückenwind bleibt die Nachfrage nach einem Auf- und Ausbau entsprechender Energieerzeugungs-Anlagen hoch. Davon profitiert auch die deutsche Projektierungsgesellschaft ABO Energy, die neben ihrem Kerngeschäft, der Projektierung von Wind- und Solar-Parks zunehmend auch neue Technologien wie Batterien und Wasserstoff integriert. Was dies für die eigenen Wachstumsaussichten bedeutet, welche Chancen und Risiken es national und international gibt und wie die eigene Projekt-Pipeline weiterentwickelt werden soll, darüber haben wir uns mit Alexander Koffka von ABO Energy unterhalten.
Finanztrends: Als Projektierungsgesellschaft ist ABO Energy in der Entwicklung und oftmals Umsetzung von Wind- und Solarparks engagiert. Welche Tätigkeiten umfasst dabei ihr operatives Geschäft?
Alexander Koffka: Wir entwickeln und errichten Wind- und Solarparks sowie Batteriespeicher und Elektrolyseure. Unsere Tätigkeit beginnt stets mit der Flächensicherung. Sobald wir den Nutzungsvertrag mit dem Grundstückseigentümer abgeschlossen haben, beginnt die eigentliche Entwicklung der Projekte. Dazu beauftragen wir zahlreiche Gutachten. Diese betreffen zum einen den aus dem künftigen Wind- und Solarpark zu erwartenden Stromertrag. Denn der Stromertrag bildet die wirtschaftliche Grundlage. Ertragsgutachten werden benötigt, um eine Projektfinanzierung mit einer Bank abzuschließen und das Projekt an Investoren zu veräußern.
Bei einem Windprojekt nicht minder wichtig sind die für den Genehmigungsantrag erforderlichen Unterlagen. Dazu zählen unter anderem diverse Gutachten zu Flora und Fauna sowie zu Schall oder Schattenwurf. Unabhängige Gutachter prüfen unter anderem, welche Belastungen an Wohnhäusern ankommen. Den Prüfungsumfang regelt in Deutschland das Bundesimissionsschutzgesetz. Das gilt auch für die Genehmigungsverfahren von Chemiefabriken. Das verdeutlicht, wie aufwendig das Genehmigungsverfahren für einen Windpark ist. Die Genehmigung für einen Solar- oder Batteriepark zu erlangen, ist deutlich leichter.
Finanztrends: Die Politik spielt beim Thema Erneuerbare Energien grundsätzlich eine wichtige Rolle. Welche anderen Wachstumseinflüsse für das Geschäft gibt es denn aktuell und auch perspektivisch noch?
Alexander Koffka: Den fortschreitenden Klimawandel abzumildern, zählt zu den zentralen Herausforderungen der Menschheit. Das prägt seit Jahren weltweit die politische Agenda. Erneuerbare Energien sind ein wichtiges Instrument, um den CO2-Ausstoß auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Das ist seit vielen Jahren ein Haupttreiber für unser Geschäft.
Mit der russischen Invasion in der Ukraine hat ein weiteres wichtiges Anliegen an Bedeutung gewonnen: Die Abhängigkeit vom Import fossiler Rohstoffe abzumildern. Viele Staaten schätzen Erneuerbare Energie als zuverlässige Alternative zu Gas und Öl aus Russland und anderen problematischen Ländern. Das hat unserem Geschäft zusätzlichen Schub gegeben. Die Menschen nehmen Strom aus Wind und Solar als Sicherung gegen aufgrund von Krisen explodierenden Strompreise wahr. Je stärker wir auf eigene Energien zurückgreifen können bei der der Versorgung, umso weniger stark sind eben die Einflüsse solcher Faktoren.
Und da sind wir in Deutschland auch schon relativ weit. Mehr als 50 Prozent unseres Stroms kommen schon aus Erneuerbaren Energien. Und wir arbeiten an einer Ausweitung, zumal der Strombedarf ja steigt z.B. durch Elektromobilität. Auch das Beheizen von Gebäuden wird zunehmend elektrifiziert. Die fortschreitende Digitalisierung erhöht den Strombedarf ebenfalls. Daher gibt es für unser Geschäftsmodell weiterhin gute Wachstumsperspektiven.
Finanztrends: Gibt es in ihrem Geschäftsumfeld auch besondere Risiken, ich denke da z.B. an das inzwischen sehr hohe Zinsniveau.
Alexander Koffka: Veränderungen des Zinsniveaus beeinflussen unser Geschäft. Wenn die Zinsen sinken, gewinnen unserer Projekte an Wert. Wenn die Finanzierungskosten steigen, geht es in die andere Richtung. Auch die Entwicklung der Rohstoffpreise schlägt sich auf unsere Kosten nieder.
Steigende Zinsen oder Rohstoffpreise führen letztlich dazu, dass die Gestehungskosten für Strom aus Wind- und Solaranlagen steigen. Die Bundesnetzagentur hat darauf reagiert und Anfang 2023 die Höchstsätze für die bei Ausschreibungen vergebenen Vergütung um 25 Prozent erhöht. Damit wurden die negativen Effekte aus Zinserhöhungen und Preissteigerungen weitgehend kompensiert.
Das Verhalten der Bundesnetzagentur zeigt: Die Politik hat ein großes Interesse am kontinuierlichen weiteren Zubau Erneuerbarer-Energie-Parks. Das beschert unserem Geschäftsmodell eine gewisse Stabilität. Wenn sich Rahmenbedingungen verschlechtern, wird oftmals politisch gegengesteuert. Politische Entscheidungsprozesse sind aber langwierig. Insofern müssen wir in der Lage sein, Durststrecken gegebenenfalls zu überstehen. Da helfen unsere Größe und finanzielle Solidität. Gut ist auch, dass wir weltweit in 16 Staaten tätig sind. Die technologische Diversifizierung trägt ebenfalls dazu bei, Risiken auszubalancieren.
Finanztrends: Vor wenigen Tagen wurde Ihr Unternehmen von ABO Wind auf ABO Energy umbenannt. Wie man lesen konnte, soll damit letzten Endes auch reflektiert werden, dass sich die Firma nach Wind und Solar jetzt auch stärker den Bereichen Batterien und Wasserstoff zuwendet. Wo sehen sie denn in den neuen Geschäftsfeldern die Wachstumschancen?
Alexander Koffka: Wir haben 1996 als reines Windkraftunternehmen angefangen und vor acht Jahren mit Photovoltaik begonnen. Schon damals gab es Überlegungen zur Umbenennung. Wir haben uns jetzt dazu entschlossen, weil wir gleichzeitig einen Formwechsel hatten. Wir sind von der AG zur KGaA geworden. Das war dann auch eine gute Gelegenheit für den Namenswechsel.
Der neue Name reflektiert unser erweitertes Geschäftsmodell. Neben Wind- und Solarparks stehen nunmehr auch Speichermedien im Zentrum unserer Arbeit. So haben wir in den jüngsten Jahren bereits in mehreren Ländern zum Teil sehr große Batterieprojekte ans Netz gebracht. Viele weitere Batterien zur Zwischenspeicherung von Strom aus Wind- oder Solarparks sowie zur Stabilisierung der Netze haben wir in der Entwicklung.
Wenn wir zum Beispiel einen Solarpark um eine Batterie erweitern, kann der Sonnenstrom zwischengespeichert werden. Um die Mittagszeit, wenn die Sonne am höchsten steht, produzieren viele Photovoltaikanlagen in Deutschland und anderen Ländern mit der maximalen Nennleistung. Dann sind die Netze voll und an der Strombörse gehen die Preise in den Keller. Das heißt, der Betreiber der Anlage kriegt dann für den Solarstrom weniger Geld. In manchen Märkten wird dieser Effekt durch staatliche Förderungen abgemildert. Aber das wird dauerhaft nicht funktionieren. Wenn man den Strom in einer Batterie zwischenspeichern kann, verbessert das den Ertrag erheblich.
Mit dem Wasserstoff sind wir noch nicht ganz so weit. Da ist aber viel Zukunftsmusik drin. Immerhin setzen wir ein erstes kleineres Wasserstoffprojekt gerade in Osthessen um. Es besteht aus Windpark, Elektrolyseur und Wasserstofftankstelle und wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert. Zudem arbeiten wir mit einer langfristigen Perspektive an sehr großen Projekten in Kanada, Südafrika oder Argentinien. Dort stehen riesige Flächen zur Verfügung, und die Windbedingungen sind exzellent. Diese Projekte bestehen aus mehreren hundert Windkraftanlagen sowie Photovoltaikmodulen und Elektrolyseuren, um künftig im großen Stil grünen Wasserstoff zu produzieren und per Schiff zu exportieren.
Finanztrends: Schauen wir auf die vorhandene Pipeline beziehungsweise die regionale Aufstellung. ABO Energy ist in dieser Hinsicht sehr international aufgestellt, also nicht nur in Deutschland und in Europa, sondern auch in Südamerika, in Kanada, in Afrika gibt Projekte. Warum so breit aufgestellt und besteht da nicht auch manchmal die Gefahr, sich vielleicht zu verzetteln oder bieten solche, ich sag mal so, auch außereuropäischen Projekte besondere Incentives oder Vorteile?
Alexander Koffka: Die breite Streuung bringt erst mal eine Risikodiversifizierung. Wir setzen nicht alles auf eine Karte, sondern sind in vielen Ländern unterwegs. Wir sind stark von der Regulatorik und von politischen Entscheidungen abhängig, und diese unterliegen natürlich auch gewissen Schwankungen. Man braucht mitunter einen langen Atem als Projektentwickler. Wir haben immer mal wieder in manchen Jahren und Ländern auch langjährige Durststrecken, die es auszuhalten gilt.
Zum Beispiel gab es in Spanien eine Periode, in der auch aufgrund politischer Entscheidungen, die wiederum Folge einer Wirtschaftskrise waren, lange Zeit für uns nichts ging. Viele andere Akteure haben sich dann zurückgezogen und ihre Niederlassungen zugemacht. Doch wir haben einen langen Atem bewiesen. Das hat sich gelohnt. Spanien hat sich erholt und ist mittlerweile unser drittwichtigster Markt.
Was das Verzetteln betrifft: Das ist ein guter Punkt. Wir hatten mal eine Zeit, als wir in kurzer Zeit in vielen für uns neuen Ländern aktiv geworden sind. Das war so vor acht Jahren, als wir in kurzer Zeit die Zahl unserer Märkte verdoppelt haben. Seitdem sind wir in 16 Ländern tätig. In den jüngsten Jahren ist nichts mehr dazu gekommen. Wir möchten unsere Strukturen nicht überfordern. Zumal es in diesen 16 Ländern noch viel Wachstumspotenzial gibt.
Finanztrends: Momentan sind in der Projektpipeline ungefähr 23 Gigawatt an Nennleistung, 565 Megawatt davon in Phase 3, also der Umsetzungs- bzw. Bauphase. Gibt es denn Zielgrößen, wieviel Megawatt Sie jedes Jahr errichten oder verkaufen wollen?
Alexander Koffka: Wir haben unterschiedliche Möglichkeiten, unsere Projekte zu monetarisieren. Einmal die schlüsselfertige Errichtung. Dabei erbringen wir die komplette Wertschöpfung bis zur Inbetriebnahme. Erst wenn die Energieparks Strom erzeugen, gehen sie an den Käufer. Das lässt sich nicht beliebig steigern. Da stoßen wir irgendwann an Kapazitätsgrenzen, weil wir z.B. nicht unbegrenzt Bauingenieure und Elektroingenieure haben.
Aber wir haben noch einen weiteren Wachstumstreiber. Wir können Projekte bereits mit Erreichen der Baureife in einem deutlich früheren Stadium veräußern. Dann haben wir nichts mehr mit der Errichtung zu tun, die kapital- und arbeitsintensiv ist. Das Schöne dabei ist, dass die Entwicklung besonders margenträchtig ist. Sobald wir die Genehmigungen erwirkt haben für unsere Projekte, haben wir einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung erreicht und können dann die Projekte mit für uns guten Margen verkaufen.
Dabei sind noch deutlichere Steigerungen möglich als bei der schlüsselfertigen Errichtung. Und auch bei den Errichtungszahlen werden wir noch wachsen.
Finanztrends: Im letzten Jahr konnten Sie bei Umsatz und Nettogewinn Rekordergebnisse vorweisen. Wie sehen denn die Planungen für dieses Jahr und die folgenden aus?
Alexander Koffka: Für das laufende Jahr haben wir kommuniziert, dass wir damit rechnen, einen Jahresgewinn ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres erreichen, tendenziell eher ein bisschen besser. Wenn wir uns die Vorjahre anschauen, haben wir unsere Prognosen in vielen Fällen übertroffen. Wir kommunizieren eher vorsichtig. Denn insgesamt muss man natürlich sagen, dass Projektentwicklung ein riskantes Geschäft ist und bis zum Schluss steht immer alles im Feuer. Jedes einzelne Projekt kann auch schiefgehen oder sich verzögern.
Von daher sind negative Überraschungen bei einem Projektentwickler immer drin. Bei uns sind sie zum Glück klar in der Minderheit. Und auch, wenn wir eher zurückhaltend sind mit unseren kommunizierten Erwartungen, steht fest, dass wir ab 2027 nochmal auf einem deutlich höheren Gewinnniveau sein wollen.
In den vergangenen zwei Geschäftsjahren haben wir Jahresergebnisse von mehr als 20 Millionen Euro erzielt. Das waren jeweils Rekordjahre. Wir haben veröffentlich, dass wir ab 2027 auf einem doppelt so hohen Niveau sein wollen. Das ist die mittelfristige Geschäftsplanung.
ABO WIND AG Aktie Chart
Finanztrends: Nach einer Anleihen-Emission 2021 haben sie in diesem Jahr einen weiteren Bond, einen Green Bond, auf dem Weg gebracht. Wie werden die eingesammelten Mittel eingesetzt und wie sieht generell die Verschuldungssituation aus?
Alexander Koffka: Die Mittel nutzen wir, um neue Projekte zu starten, die bereits in Entwicklung befindlichen Projekte zur Genehmigungsreife zu bringen und zum Teil auch selbst zu errichten. Diese langwierige Tätigkeit bindet Kapital. Wir haben aktuell bereits mehr als 23 Gigawatt in der Planung. Dafür muss man über ausreichend Liquidität verfügen. Da hilft uns die Nachranganleihe.
Wir haben eine solide Eigenkapitalquote von etwa 40 Prozent. Und wir arbeiten mit Mezzaninemittel – dazu zählt auch die Nachranganleihe. Diese Mittel werden von unseren Banken als eigenkapitalähnlich anerkannt. Insgesamt werden wir durch die Anleihen kreditwürdiger und stärken gleichzeitig unsere Liquidität. Und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um unsere Projektpipeline weiter voranzutreiben und daraus auch entsprechendes Wachstum in der Bilanz zu generieren.
Finanztrends: Herr Koffka, herzlichen Dank für das Gespräch.