Die Mensch und Maschine Software SE (MuM) ist ein führender europäischer Anbieter von Softwarelösungen und Dienstleistungen in den Bereichen Computer Aided Design (CAD), Computer Aided Manufacturing (CAM), Product Data Management (PDM) und Building Information Modeling (BIM). Das Unternehmen entwickelt sowohl eigene Softwareprodukte als auch kundenspezifische Digitalisierungs-Lösungen und bietet Schulungen sowie Beratungen für Kunden aus Industrie, Bauwesen und Infrastruktur an.
Mit rund 75 Standorten in Europa, Asien und Amerika ist MuM international präsent und zählt zu den größten Autodesk-Partnern weltweit. Das Unternehmen konzentriert sich bei der eigenen Software-Entwicklung auf CAD/CAM-Lösungen, Garten- und Landschaftsbau sowie Elektrotechnik. In Deutschland ist Mensch und Maschine an über 30 Standorten vertreten, was eine hohe Kundennähe und schnellen Service ermöglicht. Das Unternehmen bietet zudem eine breite Palette an Schulungen und Zertifizierungen an, um Fachkräften den Einstieg in moderne Planungsmethoden wie BIM zu erleichtern.
Die Redaktion von Finanztrends nutzte das Eigenkapitalforum 2025, um mit dem Gründer und Verwaltungsratsvorsitzenden Adi Drotleff über die aktuellen Geschäftszahlen und technologische Perspektiven zu sprechen. Dabei geht es um „Digitalen Zwilling“ Aussichten für das neue Autodesk-Vertriebsmodell und über die Entwicklung der Kostenstrukturen.
Transkript des Interviews
Carsten Müller: Hallo und herzlich willkommen bei finanztrends. Wir sind hier auf dem Eigenkapitalforum 2025, das von der Deutschen Börse AG organisiert wird, und laden Vertreter von Unternehmen ein, die hier präsentieren. Ich freue mich sehr, heute Adi Drotleff, den Gründer und Verwaltungsratsvorsitzenden von Mensch Und Maschine Software SE, begrüßen zu dürfen. Hallo Herr Drotleff.
Adi Drotleff: Hallo, Herr Müller.
Carsten Müller: Sie sind ein Softwareanbieter, und in der Vorbereitung habe ich gesehen, dass Sie oft die Abkürzungen CAD, CAM und BIM verwenden. Können Sie uns erklären, was sich dahinter verbirgt und welche Bedeutung diese Begriffe für Ihr Geschäft haben?
Adi Drotleff: Gerne. In unserem Geschäft sprechen wir über technische Software, im Gegensatz zu kaufmännischer Software, was die meisten gut verstehen. Technische Software hat Unterkategorien: CAD steht für „Computer Aided Design“, was viele kennen. CAM bedeutet „Computer Aided Manufacturing“ und wird oft im industriellen Bereich verwendet. BIM steht für „Building Information Modeling“, das man auch als Architektur-, Ingenieur- und Bauwesen bezeichnen könnte. Es umfasst den gesamten Bauprozess: Planung, Berechnung, Bau und letztlich Nutzung. Das sind die gängigsten Abkürzungen in unserem Bereich. Und dann gibt es den digitalen Zwilling, der sehr gut beschreibt, was wir für unsere Kunden tun und wofür unsere Software eingesetzt wird.
Carsten Müller: Sie erwähnten den Begriff „Digitaler Zwilling“. Können Sie das Konzept näher erläutern, damit unsere Zuschauer sich etwas darunter vorstellen können?
Adi Drotleff: Nun, damit meinen wir, dass man etwas aus der realen Welt digital abbildet. Jeder kann sich darunter etwas vorstellen, zum Beispiel einen Avatar. Der Avatar ist nichts anderes als ein digitaler Zwilling eines imaginären Menschen. Das ist sehr abstrakt, aber dahinter steckt eine Menge Technologie, die wir auch nutzen würden. Allerdings ist das nicht direkt unser Bereich.
Es gibt aber digitale Zwillinge, an denen wir schon sehr lange arbeiten, im Wesentlichen auf Basis von Geodaten. Damit erstellt man die sogenannte digitale Fabrik oder digitale Stadt, indem man Katasterdaten und andere sogenannte Metadaten hinzufügt. Damit kann man das gesamte Bild einer Stadt darstellen, zum Beispiel auch den Untergrund. In Frankfurt wird gerade eine neue Durchgangsstation unter dem Hauptbahnhof gebaut. Genau dort kommt der digitale Zwilling ins Spiel. Zuerst erfasst man das vorhandene Objekt, macht die Verbindungen und kann dann sehen, was vorhanden ist. Das nennt man in der Baubranche ein sogenanntes „Bestandsmodell“.
Dann geht es darum: Was möchte ich hinzufügen, umbauen oder verändern? Es gibt viele solcher Modelle. Es gibt digitale Zwillinge, die auf Datenbanken basieren, wie gerade beschrieben. Oder es gibt beispielsweise einen digitalen Zwilling, den wir für die Variantenkonstruktion anbieten. Dieser digitale Zwilling wird von einer Software gefüttert, die alle Varianten mathematisch berechnet. Dann kann man sagen: „Ich möchte zum Beispiel Fenster, Türen, Regalsysteme. Ich brauche diese Länge, diese Breite, dieses Material.“ Die Software gibt nicht nur ein Angebot aus, sondern auch eine Visualisierung.
Und wenn der Kunde – also der Kunde unseres Kunden – sagt: „Genau so will ich es haben,“ dann gibt die Software alle Produktionsdaten aus, die benötigt werden. Das ist zum Beispiel ein Zwilling, den wir alle aus der Konfiguration von Autos kennen.
Carsten Müller: Obwohl die Berichtssaison eigentlich schon vorbei ist, möchte ich kurz auf Ihre Zahlen eingehen. Ihr Umsatzwachstum lag bei fast 40 %. Was waren die Haupttreiber für dieses Wachstum?
Adi Drotleff: Dieses Wachstum, ja, das war etwas ganz Besonderes. Wir sind seit 40 Jahren in Partnerschaft mit unserem Partner Autodesk, dem Weltmarktführer im CAD-Bereich (Computer Aided Design). Das Geschäftsmodell von Autodesk basiert vor allem auf indirektem Vertrieb oder Reselling. Es gab sogar eine doppelte Reselling-Struktur: Zuerst an Großhändler, dann an Partner wie uns, und erst danach an den Endkunden.
Das bedeutete, dass wir unsere Provision nur erhielten, wenn wir aktiv handelten. Dennoch verwalten wir etwa 70.000 Arbeitsplätze, auf denen Autodesk-Software installiert ist, und diese betreuen wir weiterhin. Es war nun so, dass ein neues System im September eingeführt wurde. Viele Kunden haben gesagt: „Ja, das ist alles gut und schön, und irgendwann wird das auch funktionieren. Aber wir möchten nicht die Ersten sein, die eine direkte Rechnung von Autodesk erhalten. Wir wollen unsere Rechnung von Mensch und Maschine bekommen, weil wir wissen, dass das funktioniert.“
Daraufhin wurden zahlreiche Dreijahresverträge abgeschlossen, da diese Kunden ihre Arbeitsplätze als kritische Infrastruktur ansehen, die sie in den nächsten Jahren nicht mehr anfassen möchten.
Carsten Müller: Sie haben ein ambitioniertes Ziel, bis 2027/28 ein jährliches Gewinnwachstum von 17 % zu erreichen. Wie wollen Sie das schaffen?
Adi Drotleff: Nun, wenn Sie zurückblicken, wir machen das jetzt seit 10 Jahren. Wir haben einfach irgendwann gesagt: „Okay, es ist offensichtlich, dass wir die 10% organisches Umsatzwachstum ziemlich gut schaffen können.“ Und wir kombinieren dieses 10% organische Umsatzwachstum einfach mit etwa zwei Dritteln Kostenentwicklung, genau wie eine Hausfrau es machen würde. Wenn man also jedes Jahr oben 10% wächst und unten bei 6 bis 7%, dann bekommt man automatisch ein überproportionales Gewinnwachstum.
Konkret läuft das so, dass die Manager unserer ungefähr 100 Profit-Center, die wir in der Gruppe haben, auf Basis der lokalen Ergebnisse langfristig incentiviert werden. Natürlich verdienen sie mehr Geld, wenn sie optimieren. Das führt praktisch dazu, dass es in jedem System natürlich nicht bei allen 100 jedes Jahr funktioniert. Aber Sie haben immer die letzten 30, die besten 30 und die mittleren 40. Und da es Manager sind, haben sie Ehrgeiz, das ist bei Managern normal. Wer also dieses Jahr in den letzten 30 ist, wird sich natürlich sehr anstrengen, nächstes Jahr nicht mehr dort zu sein.
Man kann das auch gut hochrechnen. Man kann sagen: „Okay, die 10% schaffen wir ganz gut.“ Und das mit der Kontrolle der Kosten bei zwei Dritteln ist einfach etwas, das geübt wird. Auf diese Weise würde die Hausfrau sagen: „Wir geben einfach weniger Geld aus, als wir haben.“
Carsten Müller: Wie sieht Ihre regionale Struktur aus? Wo liegen Ihre internationalen Schwerpunkte?
Adi Drotleff: Es ist so, dass wir im Bereich unserer eigenen Software wirklich international aufgestellt sind. Wir verkaufen hauptsächlich unsere High-End-CAM-Software, die letztendlich die Steuerung von Fünf-Achsen-Werkzeugmaschinen ermöglicht, sowie unsere Engineering- und Konstruktionslösungen – also für Brücken, Tunnel, komplexe Baukonstruktionen. Wir verkaufen international, insgesamt in über 70 Länder.
Im Bereich, in dem wir mit Autodesk kooperieren – das, was wir jetzt Digitalisierung nennen, wo wir digitale Zwillinge für den Kunden bauen – konzentrieren wir uns auf Europa. Wir haben im Moment wenig Grund, uns über Europa hinaus weiter auszudehnen, aber man sollte nie „nie“ sagen.
Carsten Müller: Haben Sie bereits Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz gemacht, und wie setzen Sie diese ein?
Adi Drotleff: KI ist natürlich etwas, das man automatisch nutzt, wenn man ein paar Hundert Techniker beschäftigt – sie machen zwangsläufig etwas mit KI. Dabei ist offensichtlich: Je jünger die Leute, desto mehr beschäftigen sie sich mit dem Thema. Für uns bedeutet KI nicht viel mehr als neue Werkzeuge, eine Weiterentwicklung bestehender Tools. Wir sprechen intern viel darüber. Wir hatten vor ein paar Wochen unser internes Software-Camp, bei dem die Techniker das Thema etwas anders angehen als der Kapitalmarkt.
Der Kapitalmarkt findet KI im Moment ziemlich spannend. Die Techniker hingegen sagen: „Ja, KI ist ein großartiges Werkzeug, aber man muss vorsichtig sein, weil sie manchmal fantasieren und halluzinieren kann.“ Daher muss man die Ergebnisse sorgfältig prüfen. Es gibt jedoch viele Bereiche, in denen wir KI bereits gewinnbringend für unsere Kunden einsetzen können.
Man muss wissen, dass wir im sogenannten B2B-Bereich tätig sind, also ausschließlich mit professionellen Kunden arbeiten. Unsere Kunden erhalten Lösungen von uns, um ihre Prozesse zu verbessern und Ressourcen zu sparen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn KI mit Deep Learning Ressourcen verschwenden würde. Wir nutzen sie, um sie zu sparen.
Carsten Müller: Gibt es größere Investitionsprojekte, die Sie momentan verfolgen, und wie sehen Sie Ihre Wettbewerbsfähigkeit?
Adi Drotleff: Nun, man muss das so sehen: Wir wachsen beispielsweise beim Personalbestand im Durchschnitt um etwa 3 % pro Jahr. Das klingt zunächst nicht viel, aber man muss berücksichtigen, dass ein Unternehmen, das seit 40 Jahren besteht, auch Abgänge hat – sei es durch Ruhestand oder andere Gründe. Das bedeutet, wir brauchen diesen Zuwachs schon, um die natürliche Fluktuation von etwa 10 % auszugleichen. Diese 10 % hören sich dann ganz anders an, wenn man sie betrachtet. Das ist also ein kontinuierlicher Prozess.
Zu Ihrer Frage nach Projekten: Unser Hauptprojekt ist derzeit ein internes. Wir bauen aktuell unsere eigene e-Commerce- und CM-Plattform auf. Der obere Bereich dieser Plattform ist bereits weit fortgeschritten, und es hat sich gut mit der Umstellung bei Autodesk ergänzt, die wir zuvor besprochen haben. Das bedeutete zwar zusätzliche Arbeit, war aber gleichzeitig praktisch, weil wir beide Veränderungen parallel durchführten. Dadurch konnten wir hervorragend zusammenarbeiten.
In Bezug auf unsere eigene Entwicklung – wie im Jahresbericht gezeigt – investieren wir jährlich etwa 25 Millionen Euro in die Entwicklung, die fast vollständig über die Gewinn- und Verlustrechnung läuft. Das ist unser Hauptinvestment in die Zukunft, das sofort verdaut wird, da die Abschreibungsperiode gleich null ist. Aus diesem Grund können wir unsere Gewinne vollständig ausschütten, ohne unsere zukünftige Entwicklung zu gefährden. Im Bereich Digitalisierung ist es ohnehin so, dass der Kunde bereits vorgibt, was gefragt ist. Wir konzentrieren uns einfach auf die Bereiche, in denen wir gut sind, und entwickeln uns gezielt weiter. Es ist klar, dass wir uns nicht auf totem Holz ausruhen – das tun wir definitiv nicht.
Carsten Müller: Herr Drotleff, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre spannenden Einblicke. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Konferenz.
Adi Drotleff: Vielen Dank, Herr Müller.