Im Gespräch: 123fahrschule – Der digitale Fahrlehrer kommt

Eine geplante Novelle wird die Fahrausbildung in Deutschland revolutionieren. Was das für sein Unternehmen bedeutet, erklärt Boris Polenske, CEO bei 123fahrschule.

Auf einen Blick:
  • Worum geht es bei der Novelle?
  • 123fahrschule will Ausbildungskosten senken - und damit Nachfrage schaffen
  • Kapitalaufnahme im Gespräch
  • Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

123fahrschule SE ist ein Vorreiter in der Digitalisierung der Fahrschulausbildung und adressiert zentrale Herausforderungen der Branche, wie den Mangel an Fahrlehrern und hohe Ausbildungskosten. Das Unternehmen kombiniert Online-Theorieunterricht, moderne Fahrsimulatoren und eine optimierte praktische Ausbildung zu einem kosteneffizienten und zeitsparenden Konzept. Mit flexiblen Online-Angeboten und kompakten Präsenzseminaren ermöglicht 123fahrschule eine breite Erreichbarkeit und eine zeitgemäße Lernerfahrung.

Das Herzstück des Geschäftsmodells ist der Einsatz von Fahrsimulatoren, die zukünftig bis zu 50 % der praktischen Fahrstunden ersetzen könnten. Diese reduzieren nicht nur den Bedarf an Fahrlehrern, sondern senken auch die Kosten. Durch strategisch platzierte Standorte kombiniert mit digitaler Flexibilität erreicht 123fahrschule eine hohe Skalierbarkeit und Effizienz.

Die bevorstehende Novelle der Fahrschulausbildung ab 2026, die simulatorgestützte Fahrstunden offiziell anerkennt, bietet enormes Wachstumspotenzial. Das Unternehmen plant, bis dahin in mindestens 20 Städten vertreten zu sein und Marktanteile von bis zu 25 % in Kernregionen zu gewinnen. Mit seinem innovativen Ansatz und klaren Fokus auf Digitalisierung und Effizienz ist 123fahrschule bestens positioniert, die Branche nachhaltig zu verändern.

Wir haben das Eigenkapitalforum 2024 dafür genutzt, um mit dem Vorstandschef Boris Polenske über die Auswirkungen der geplanten Novelle auf das eigene Geschäft zu sprechen. Außerdem ging es um die operativen Potenziale des Unternehmens sowie mögliche Kapitalmaßnahmen.

Transkript des Interviews

Carsten Müller: Hallo und herzlich willkommen bei Finanztrends. Wir sind heute auf dem Eigenkapitalforum 2024, organisiert von der Deutschen Börse AG, und nutzen die Gelegenheit, mit Unternehmensvertretern über den aktuellen Stand ihrer Firmen und die Perspektiven zu sprechen. Ich freue mich sehr, Boris Polenske, den CEO der 123fahrschule, begrüßen zu dürfen. Der Name verrät schon, worum es bei Ihnen geht – ein Fahrschulunternehmen. Vielleicht können Sie uns zu Beginn kurz erklären, wie der deutsche Fahrschulmarkt aktuell aussieht. Was passiert dort gerade?

Boris Polenske: Vielen Dank, Herr Müller. Der deutsche Fahrschulmarkt ist derzeit sehr spannend. Wir sprechen hier von einem Marktvolumen von rund 3 Milliarden Euro pro Jahr – also kein kleiner Markt. Dieser ist jedoch stark fragmentiert: Es gibt etwa 9.000 Fahrschulunternehmen in Deutschland. Mit einem Umsatz von knapp 25 Millionen Euro sind wir das größte Unternehmen in der Branche.

Zwei wichtige Entwicklungen prägen den Markt aktuell: Zum einen das Durchschnittsalter der Fahrlehrer. Ein Drittel der Fahrlehrer wird in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen. Zum anderen stehen wir vor einer großen Regulierung und Digitalisierung, beispielsweise durch Simulatoren. Es sind also wirklich aufregende Zeiten.

Carsten Müller: Die Regulierung und Digitalisierung der Fahrschulbranche ist ein großes Thema. Was sieht die geplante Verordnungsänderung konkret vor?

Boris Polenske: Es gibt zwei wesentliche Punkte. Erstens: Deutschland ist eines der letzten Länder in Europa, in dem Theorieunterricht nur in Präsenz stattfindet. Während der Pandemie haben wir gezeigt, dass dies auch online möglich ist, beispielsweise über Zoom oder Teams. Das hat viele Vorteile für die Fahrschüler. Die neue Verordnung sieht nun vor, dass etwa 43 % des Theorieunterrichts online stattfinden können. Der Rest wird in Tageskursen in den Fahrschulen abgehalten, beispielsweise an einem Freitag und Samstag.

Zweitens: Die Nutzung von Simulatoren. Derzeit machen 95 % der Fahrschüler den Führerschein für ein Auto mit Schaltgetriebe. Doch viele wissen nicht, dass große Automobilhersteller fast keine Autos mit Schaltgetriebe mehr produzieren. Die Ausbildung wird daher zunehmend auf Simulatoren verlagert. Dort können sowohl das Training als auch Prüfungen stattfinden. Das reduziert unsere Abhängigkeit von Fahrlehrern, die krank oder im Urlaub sein könnten.

Carsten Müller: Sie haben bereits erwähnt, dass Sie Online-Theoriekurse anbieten. Sind das Eigenentwicklungen oder externe Lösungen?

Boris Polenske: Wir entwickeln diese Kurse selbst. Es handelt sich nicht um vorgefertigte Videos, sondern um synchronen digitalen Unterricht, der live von unseren eigenen Fahrlehrern durchgeführt wird – ähnlich wie ein Zoom-Meeting. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen.

Carsten Müller: Sie haben kürzlich einen Simulatorhersteller übernommen. Wie läuft die Integration, und was sind Ihre weiteren Pläne?

Boris Polenske: Ja, wir haben einen langjährigen Anbieter von Trainingssimulatoren im Bereich Verkehrssicherheit übernommen. In den letzten Wochen und Monaten haben wir dessen Software mit unseren eigenen Systemen verbunden und in die Cloud integriert. Wir werden diese Simulatoren auch anderen Fahrschulen anbieten, da die Nachfrage mit der neuen Verordnung deutlich steigen wird. Ich bin überzeugt, dass wir schon bald die ersten Geräte verkaufen werden, sobald die Verordnungsänderungen in Kraft treten.

Carsten Müller: Sie haben gesagt, dass die Digitalisierung die Ausbildungskosten um bis zu 1.000 Euro senken könnte. Wie bereiten Sie sich darauf vor, und was erwarten Sie zeitlich?

Boris Polenske: Wir gehen davon aus, dass die rechtlichen Änderungen Anfang 2026 abgeschlossen sein werden. Im nächsten Jahr bereiten wir uns darauf professionell vor. Durch unsere Software, die die verschiedenen Ausbildungsinhalte optimal koordiniert, wird die Ausbildung effizienter. Simulatorstunden sind günstiger als normale Fahrstunden, bieten aber dennoch eine gute Marge. Das kommt den Schülern zugute und ermöglicht es uns, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Carsten Müller: Wie sind Sie in Deutschland aufgestellt? Welche Regionen decken Sie ab?

Boris Polenske: Unsere größten Standorte sind in Berlin, wo wir mit 12 Filialen der größte Anbieter sind. Weitere Standorte haben wir in Köln, Bonn, Hamburg und Leipzig, hauptsächlich im Norden Deutschlands. Der Fokus für nächstes Jahr liegt darauf, unser Netzwerk in bestehenden Städten weiter auszubauen, anstatt in neue Städte wie Frankfurt oder Mainz zu expandieren. Fahrschüler sind meist bereit, bis zu 20 Minuten zur Fahrschule zu fahren, daher müssen wir strategisch präsent sein.

Carsten Müller: Anfang November haben Sie eine Wachstumsstrategie angekündigt, die auch eine mögliche Kapitalerhöhung durch eine Wandelanleihe umfasst. Was ist der aktuelle Stand?

Boris Polenske: Im November haben wir frisches Kapital aufgenommen, um unser Filialnetzwerk auszubauen, was gut läuft. In Bezug auf eine Wandelanleihe haben wir noch keinen konkreten Zeitplan, planen aber, uns schnellstmöglich finanzielle Sicherheit für die Weiterentwicklung zu verschaffen. Nach der Winterpause werden wir uns intensiv mit diesem Thema beschäftigen.

Carsten Müller: Werfen wir einen Blick auf Ihre jüngsten Quartalsergebnisse. Sie haben im dritten Quartal mit 5,7 Millionen Euro Umsatz ein Rekordumsatz erzielt. Was war das Besondere daran?

Boris Polenske: Der Schlüssel zu unserem Erfolg ist, dass die operativen Abläufe reibungslos funktionieren. Natürlich gibt es immer Herausforderungen wie Urlaub oder Krankheit bei Fahrlehrern. Aber mit unserer neuen Fahrlehrer-App und optimierten Prozessen haben wir viel erreicht. Je effizienter unsere Abläufe sind, desto weniger Geld verlieren wir durch Fehler.

Carsten Müller: Wie sehen Ihre mittelfristigen Wachstumsziele aus?

Boris Polenske: Wir sehen in Städten wie Berlin und Hamburg noch enormes Potenzial. Ohne neue Städte hinzuzufügen, könnten wir unseren Umsatz verdoppeln. Langfristig möchten wir unsere durchschnittlichen Umsätze pro Filiale zunächst auf 500.000 Euro steigern, und dann auf 750.000 Euro steigern, insbesondere durch die gesetzlichen Änderungen. Unser erstes Ziel sind 50 Millionen Euro Umsatz, langfristig streben wir 100 Millionen Euro an.

Carsten Müller: Vielen Dank, Herr Polenske, für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und gute Gespräche auf dem Eigenkapitalforum. Bis zum nächsten Mal!

Boris Polenske: Vielen Dank, Herr Müller! Bis bald!

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