Lieber Investor,
damit ein Gegenstand zum Geld werden kann, muss er verschiedene Bedingungen erfüllen. Er muss in der Lage sein, Kaufkraft zu konservieren. Diese Eigenschaft hat das Gold auf jeden Fall. Aber ein Gemälde von Rembrandt konserviert auch einen gewissen Wert über die Zeit und dennoch würde niemand auf die Idee kommen, ihm eine Geldfunktion zusprechen zu wollen.
Wesentlich für das Geld sind neben der Wertaufbewahrungsfunktion die Funktionen der Bezahlung und der allgemeinen Akzeptanz. Wenn wirtschaftliche Leistungen in einer Einheit verrechnet werden und diese anschließend von allen angenommen wird, sind wir berechtigt, von einem Einsatz von Geld zu sprechen.
Das ist beispielsweise für den Euro, US-Dollar oder den Yen der Fall. Leistungen werden in diesen Währungen berechnet und die ausgegebenen Banknoten werden in den jeweiligen Geltungsräumen allgemein anerkannt.
Gleiches kann man vom Gold derzeit nicht behaupten. Es ist momentan unüblich, wirtschaftliche Leistungen in Gramm Gold umzurechnen. Auch eine Vergütung des Leistungserbringers durch die Übergabe von Gold oder Silber ist ausgesprochen selten anzutreffen. Es mag sie in Einzelfällen geben, doch eine generelle Akzeptanz haben die beiden Edelmetalle derzeit nicht mehr.
Gold ist eine beliebte Anlageklasse
Sie hatten diese Akzeptanz vor vielen Jahren noch und es ist auch generell vorstellbar, dass sie sie eines nahen oder fernen Tages wieder erhalten werden. Doch aktuell haben Gold und Silber ihre Zahlungsfunktion verloren und sind damit kein Geld im unmittelbaren Sinn.
Wenn Gold und Silber kein Geld mehr sind, was sind sie dann? Die Antwort ist leicht: Sie sind eine beliebte Anlageklasse, die an den Finanzmärkten regelmäßig gehandelt wird. Das sind Rembrandtgemälde prinzipiell auch, nur ist ihr Handel bei Weitem nicht so liquide und transparent wie der Handel mit Gold und Silber es ist.
Gold und Silber stehen an den Finanzmärkten damit auf einer Stufe mit Aktien, Anleihen und Rohstoffen. Auch sie werden regelmäßig gehandelt, auch sie haben ihren Wert, der in den Preisfeststellungen täglich neu fixiert wird. Doch weder mit Aktien noch mit Gold oder Silber lassen sich die Einkäufe im Supermarkt bezahlen, weil trotz ihres Wertes die allgemeine Akzeptanz als Zahlungsmittel nicht gegeben ist.
Im Vergleich zu anderen Finanzanlagen haben die Edelmetalle den unbestreitbaren Vorteil, dass sie nicht ausfallen können. Mit ihnen ist weder wie bei den Anleihen ein Ausfallrisiko noch wie bei den Aktien ein unternehmerisches Risiko verbunden.
Remonetarisierung von Schrott?
Geld sind Gold und Silber somit keines mehr, aber auf das Abstellgleis der Geschichte zu stellen, braucht man sie deshalb noch lange nicht. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob die Edelmetalle den verloren gegangenen Geldcharakter jemals wiederbekommen werden. Möglich ist es. Haus und Hof darauf wetten, sollte man besser nicht.
Für einen Anleger ist diese Frage auch letztlich unerheblich, denn er erwirbt Gold und Silber nicht, weil er hofft, dass diese in Zukunft wieder zu allgemein akzeptiertem Geld werden könnten.
Der Erwerb ist eher mit dem einer Aktie oder eines Gemäldes von Rembrandt oder Rubens vergleichbar. Man erhofft sich eine gewisse Wertsteigerung oder Rendite, ist sich aber bewusst, dass der Preis für das erworbene Gut mitunter stark schwanken kann.
Wenn morgen alle Rembrandtbesitzer ihre Kunstwerke plötzlich und unerwartet zu Geld machen möchten, dürfte der Preis schnell am Boden sein. Beim Gold ist es nicht anders. Realistisch zu erwarten ist ein derartiger panikartiger Ausverkauf zwar nicht, doch ganz ausschließen kann man ihn dennoch nicht.
Deshalb gilt beim Erwerb von Gold und Silber, was auch für den Erwerb von Kunst und Diamanten gilt. Man sollte nie alles auf eine Karte setzen, um nicht Gefahr zu laufen, bei einem plötzlichen Wechsel von Trends und Moden unerwartet auf der falschen Seite zu stehen.