Finanztrends-Autor Sascha Huber führte auf der letzten Münchener Kapitalmarkt Konferenz ein ausführliches Interview mit Oliver Vollbrecht, Leiter Investor Relations der Gesco AG.
Sehr geehrter Herr Vollbrecht, die GESCO AG ist kein ganz unbekanntes Unternehmen. Von den Unternehmen, die sich hier auf der mkk präsentieren, gehört es sogar zu den größeren. Trotzdem handelt es sich am Ende bei GESCO jedoch um einen Nebenwert. Daher würde ich Sie, Herr Vollbrecht, zunächst einmal bitten unseren Leserinnen und Lesern die GESCO AG mal etwas näher vorzustellen.
Antwort von Oliver Vollbrecht: Ja, das tue ich sehr gerne. Bei der GESCO AG handelt es sich um eine reine Holding als Muttergesellschaft einer Industriegruppe. Unter dem Dach der Holding gibt es zurzeit 18 operativ tätige Industrieunternehmen. Letzten Endes verstehen wir uns weniger als Finanzinvestor als vielmehr als Industriegruppe, die in vier Segmenten tätig ist.
Die Suche nach neuen Übernahmekandidaten (Merger & Acquisitions, kurz: M&A) ist bei uns ein permanenter Prozess. Unser Motto, unser Anspruch dabei lautet: Hidden Champions.
Eine Besonderheit, die ich festgestellt habe als ich mich zur Vorbereitung intensiver mit der GESCO AG befasst habe, ist, dass Sie wirklich Ihre Beteiligungen über Jahre, manchmal Jahrzehnte halten. Wie Sie selbst schon sagten, sehen Sie sich also wirklich als langfristiger Finanzinvestor.
Antwort von Oliver Vollbrecht: Ja, das stimmt, wir sehen uns als langfristigen Eigentümer. Wenn wir ein Unternehmen kaufen, dann nie mit der Idee, die Beteiligungen wieder zu verkaufen. Vielmehr wollen wir lange dabei bleiben, um von der positiven Entwicklung zu profitieren.
Dies führt dazu, dass beim Unternehmenskauf die Nachfolgeregelung der Königsweg für uns ist. Das ist ja ein oft diskutierter Fall: der Mittelständler, der langsam den Ruhestand antreten muss. Kinder sind entweder nicht vorhanden oder sie verfolgen andere Interessen. Dieser Unternehmer hat nun das Problem, was er mit seinem Unternehmen, oftmals seinem Lebenswerk, macht. Hier kommen wir ins Spiel. Die Umsatzgrößenordnung, in der wir suchen, liegt zwischen 20 und 100 Mio. Euro.
Wenn ein solcher Unternehmer sein Unternehmen abgeben will, möchte er einen adäquaten Kaufpreis erhalten. Er casht ja sein Lebenswerk ein. Viele wollen ihr Unternehmen aber auch in guten Händen sehen. Das heißt, dass die Gesellschaft nicht zerschlagen oder weiter verkauft wird. Auch soll es nicht an einen Wettbewerber gehen, der womöglich die Produktion schließt. Solche Unternehmer suchen dann eben einen neuen langfristigen Eigentümer wie uns.
Wir verstehen uns dezidiert nicht als Private Equity-Unternehmen. Formal ist die Bezeichnung Beteiligungsgesellschaft richtig, wie auch die Bezeichnung Finanzinvestor. Aber wohler fühlen wir uns mit dem Verständnis des langfristigen Eigentümers.
Wenn man Ihr Unternehmen also vergleichen wollte, müsste man solche Unternehmen wie Berkshire Hathaway oder die Danaher Corp. heranziehen? Natürlich sind diese Konzerne in einer ganz anderen Dimension, allerdings mit durchaus ähnlichen Geschäftsmodellen.
Antwort von Oliver Vollbrecht: Diese Vergleiche sind zwar recht anmaßend, aber von der Logik her passt das durchaus. Kaufe nur was Du verstehst und halte langfristig daran fest, damit können wir uns identifizieren. Übrigens sind auch viele unserer Investoren Buffettianer.
Wen sehen Sie denn als Wettbewerber im Markt? Ich könnte mir vorstellen, dass es da in Einzelfällen sehr viele Wettbewerber gibt, Stichwort: Heuschrecken.
Antwort von Oliver Vollbrecht: Man muss sagen, dass der M&A-Markt im Mittelstand sehr stark fragmentiert ist. Es gibt viele verschiedene Unternehmen, viele verschiedene Investoren und sehr viele Intermediäre, die dazwischen agieren. Derzeit handelt es sich um einen Verkäufermarkt. Wer heute ein gutes mittelständisches Unternehmen hat, mit einer vernünftigen Historie, guten Ergebnissen und guter Positionierung, kann sich seinen Käufer aussuchen.
Daher konkurrieren wir immer mit strategischen Investoren, mit Wettbewerbern, mit den berühmten chinesischen Investoren, die ja typischerweise auch strategisch sind. Es ist natürlich auch Private Equity, die über viel Geld verfügen und zum Teil sicherlich höhere Multiples akzeptieren, weil sie anders kalkulieren als wir. Zuletzt beobachten wir auch Family Offices, die verstärkt in diesen Markt streben. Zu guter Letzt gibt es jedoch auch noch solch langfristige Anleger wie uns.
Trotzdem hilft das Ganze auch ein wenig, weil es sich nicht um einen effizienten Markt wie die Börse handelt. Die Frage ist letztlich immer, was der Verkäufer möchte? Zählt nur der Kaufpreis für ihn, gibt er das Unternehmen in eine Art Auktionsverfahren und GESCO ist normalerweise raus. Aber es gibt eben viele Unternehmer, die Wert auf einen schlanken Prozess legen. Die möchten nicht, dass die Abschlüsse der vergangenen zehn Jahre für eine hohe Zahl von Interessenten in einem Datenraum zugänglich sind. Die möchten auch nicht, dass Heerscharen von Leuten mit Anzug und Krawatte im Unternehmen ein und aus gehen und die Mitarbeiter nervös machen.
In solchen Fällen sind wir durchaus in der Lage, uns auf die Bedürfnisse des entsprechenden Unternehmers einzustellen. Wir agieren also eher wie eine M&A-Manufaktur.
Jetzt sitzen wir hier in München und es ist kurz vor Weihnachten. Das bedeutet aber auch, dass sich das (Geschäfts)Jahr 2018 langsam dem Ende entgegen neigt. Können Sie schon irgendwas bzgl. der Geschäftsentwicklung in 2018 sagen? Gab es besonders positive oder auch besonders negative Dinge, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind und bleiben werden?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Wir selbst als GESCO AG haben ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr, dass stets zum 1. April beginnt. Unsere Tochtergesellschaften jedoch haben das Kalenderjahr zum Geschäftsjahr. Insofern endet das Geschäftsjahr aus operativer Sicht tatsächlich in Kürze.
Durch das gebrochene Geschäftsjahr hat die GESCO AG Mitte November den Halbjahresbericht vorgelegt, aber auch den Auftragseingang sowie Umsatzausblick fürs dritte Quartal. Langer Rede, kurzer Sinn, 2018 war ein sehr gutes Jahr. Wir hatten schon 2017 ein sehr erfolgreiches Jahr. Denn nach Jahren des Investitionsstaus ist die Konjunktur im Investitionsgüterbereich endlich wieder angesprungen, wovon wir profitieren konnten.J
Dies hat sich in 2018 fortgesetzt, mit einem lebhaften Auftragseingang. So hatten wir in Q2 den höchsten Auftragseingang aller Zeiten. Dies hat sich auch in Q3 zwar nicht auf Rekordniveau, aber doch auf einem sehr vernünftigen, hohen Niveau fortgesetzt. Oder anders formuliert, da hier auf der mkk ja auch gerne über die Konjunktur und eine mögliche Rezession diskutiert wird: Wir sehen aktuell in der Gruppe keine konkreten Anzeichen für einen starken Abschwung.
Nach dem, was Sie sehen, scheinen die Anleger an der Börse – getreu dem Motto, dass die Börse zehn der letzten fünf Rezessionen vorhergesehen hat – also zu übertreiben?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Ob da an der Börse übertrieben wurde, kann ich Ihnen leider erst in einem Jahr sagen. Denn wir haben natürlich viele Makrothemen wie den Brexit oder den Handelskrieg, die dazu geeignet sind die Börsen in die eine oder andere Richtung zu bewegen.
Wichtiger als Konjunkturindikator als die Börse ist für uns ohnehin beispielsweise der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Dessen Prognose sieht für kommendes Jahr ein Wachstum von 2% vor. 2% Wachstum wäre zwar weniger Wachstum als dieses Jahr. Aber von einer Rezession sind wir damit noch weit entfernt.
Sie haben ja eben darüber berichtet, dass die GESCO AG ein verschobenes Geschäftsjahr hat, wohingegen bei Ihren Beteiligungen das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Wäre es nicht eventuell clever dies zu synchronisieren? Oder wurde das ganz bewusst so gewählt?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Die GESCO AG praktiziert dies seit der Gründung 1989. Man wollte, dass bei Beginn der Aufstellung des Konzernabschlusses der AG die testierten Ergebnisse der Tochtergesellschaften schon vorliegen.
Heutzutage ist das natürlich ein wenig erklärungsbedürftig. Ob man das mal verändern wird? Als Investor Relations-Manager fände ich persönlich es zwar nicht schlecht. Aber es gibt derzeit sicherlich Dinge mit einer höheren Priorität.
Jetzt haben wir über 2018 gesprochen und auch den Ausblick auf 2019 schon gesprochen. Wie aber sieht es mit einem etwas längerfristigen Ausblick auf 2020 oder 2021 aus? Oder ist die Visibilität zu schlecht, um einen solch längerfristigen Ausblick zu geben?
Antwort von Oliver Vollbrecht: In der Tat ist das so. Wir werden ja gerne mal als reiner Maschinenbaukonzern wahrgenommen, was wir aber nicht sind. Natürlich haben wir Aktivitäten in diesem Bereich und in der Tat trägt das Orderbuch dort für 6-12 Monate. Wir haben aber eben auch Geschäftsbereiche, die eher kurzdrehend sind. Dort liegt die Visibilität bei vielleicht drei Wochen. Im Mix liegt unser Auftragsbestand bei knapp einem halben Jahresumsatz. Damit sehen Sie ja schon, dass die Visibilität insgesamt eher begrenzt ist. Insgesamt sind wir korreliert mit der Investitionsgüterindustrie, und deren weitere Entwicklung über mehrere Jahre können wir nicht vorhersagen. Das tut noch nicht einmal der VDMA.
Welche Risiken sehen Sie denn für Ihr Unternehmen in naher Zukunft, gerade auch im Hinblick auf Themen wie den Brexit?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Wir erwirtschaften weniger als 1% unseres Gesamtumsatzes in U.K. Insofern halten sich die direkten Auswirkungen bei uns sicherlich in engen Grenzen. Was jedoch heute noch niemand abschätzen kann, sind mögliche indirekte Auswirkungen.
Stichwort Megatrends wie Big Data oder Künstliche Intelligenz. Haben solche Themen einen Einfluss auf Ihr Unternehmen oder spielt das keine große Rolle?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Das sind natürlich Megatrends mit einem gewissen Hype-Faktor. Da muss man daher schon genau hinschauen. Klar ist, dass jedes unserer Unternehmen sowie auch wir selbst solche Dinge reflektieren. Der Einfluss ist dann wiederum sehr unterschiedlich, je nachGeschäftsmodell. In einzelnen Tochtergesellschaften sehen wir da schon sehr spannende Entwicklungen, gerade wenn es um alteingesessene Unternehmen geht, bei denen man den Einsatz solch moderner Technologien gar nicht unbedingt vermuten würde.
Ihr Geschäftsmodell ist es ja andere Unternehmen zu akquirieren und dann lange dabei zu bleiben. Nutzen Sie dabei auch Ihre Aktie als Akquisitionswährung oder bezahlen Sie Kaufpreise lieber Cash?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Wir haben das gelegentlich mit Unternehmern diskutiert. Wir könnten natürlich in eigenen Aktien bezahlen. Irgendein Detail ist es aber meistens für den Unternehmer zu kompliziert. Daher gilt: Cash is King. Der Unternehmer erhält den Kaufpreis in Euro und kann gerne, wenn er denn möchte, das Geld in Gesco-Aktien anlegen. Einige haben das auch getan, wie wir wissen, weil sie als Aktionäre zur Hauptversammlung kommen und wir ein durchaus gutes Verhältnis pflegen.
Als Antwort muss ich daher sagen: Theoretisch könnten und würden wir auch die Aktie als Akquisitionswährung einsetzen, in der Praxis hat das jedoch bisher noch nie funktioniert.
Wie sieht es mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen aus? Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter daran am Unternehmenserfolg?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Ja, es gibt natürlich ein Stock Options-Programm für Führungskräfte. Darüber hinaus haben wir aber auch ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm für inländische Mitarbeiter. Ich bin selbst ein sehr großer Fan davon. Generell wird dieses Programm sehr gut angenommen, die Beteiligungsquote liegt bei ca. 45%. Wenn man sich unsere Mitarbeiterstruktur anschaut, ist das ein sehr hoher Anteil. Wir haben viele gewerbliche Mitarbeiter und bei GESCO selbst sind ja auch die wenigstens Mitarbeiter beschäftigt. Vielmehr arbeiten die ja in erster Linie bei den zahlreichen operativ tätigen Töchtern.
Eine Frage zur Aktie selbst. Das ist ja eher ein Nebenwert. Was möchten Sie gegebenenfalls tun, um mehr Aufmerksamkeit auf die Aktie zu lenken?
Antwort von Oliver Vollbrecht: Ich bin ja schon länger bei GESCO an Bord und auch ein überzeugter Börsianer. Wir müssen operativ erfolgreich arbeiten und dann dafür sorgen, dass die Welt davon erfährt. Aktive Investor Relations-Arbeit ist für uns selbstverständlich und extrem wichtig. Dazu gehören auch Kapitalmarkt-Konferenzen wie eben die mkk oder das Eigenkapital-Forum, an denen wir natürlich regelmäßig teilnehmen. Wir sind auch öfter auf Roadshows und sprechen auch sehr gerne mit Privatanlegern.
Herr Vollbrecht, ich bedanke mich sehr für dieses hochinteressante Gespräch.