Am Mittwoch entschied das Gericht der Europäischen Union in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Gazprom und dem polnischen Mineralöl- und Erdgaskonzern PGNiG. Man könnte sagen, dass sich die Parteien an diesem Tag 1:1 unentschieden getrennt haben.
Der erste Punkt ging an den russischen Staatkonzern: Im Streit um die mutmaßlich unfaire Preispolitik von Gazprom wies das EU-Gericht eine Klage von PGNiG zurück. Das Urteil geht auf einen älteren Fall zurück, der seinen Anfang im April 2015 nahm.
Die EU-Kommission hatte Gazprom damals mitgeteilt, dass der russische Konzern seine Marktmacht als Gaslieferant für die baltischen und osteuropäischen Staaten ausnutze. Um eine Milliardenstrafe zu verhindern, einigten sich die Russen mit der Kommission rund drei Jahr später auf einen Kompromiss.
Gazprom musste dabei zugestehen, dass Großhändler und Kunden erworbenes Gas in anderen Ländern weiterverkaufen dürfen. Teil des Deals war auch ein Versprechen der Russen, Vorteile, die sie wegen ihrer Marktposition bei der Gasinfrastruktur von Kunden erlangt haben könnten, nicht zu nutzen. PGNiG war mit dem Kompromiss jedoch nicht zufrieden und klagte beim EU-Gericht – wie sich nun herausstellte erfolglos.
Im anderen Rechtsstreit entschieden die EU-Richter dann jedoch gegen Gazprom. Ursprünglich hatte PGNiG 2017 bei der EU-Kommission eine weitere Beschwerde gegen missbräuchliche Praktiken des russischen Gasriesen eingereicht, welche zwei Jahre später zurückgewiesen wurde. Das EU-Gericht entschied nun, dass die Brüsseler Behörde den Protest von PGNiG nicht hätte abweisen dürfen, und erklärte die Entscheidung für nichtig.
EU-Kommission untersucht wettbewerbswidriges Verhalten
Da Gazprom auch jüngst vorgeworfen wurde, Gaspreise künstlich in die Höhe zu treiben, haben die Urteile des EU-Gerichts eine besondere Brisanz. Im vergangenen Jahr stiegen die Energiepreise rasant, zuletzt war Gas viermal so teuer wie vor 12 Monaten.
Die EU-Kommission hatte in der Sache festgestellt, dass Gazprom allen vertraglichen Verpflichtungen nachkomme, darüber hinaus jedoch trotz der erhöhten Nachfrage kein zusätzliches Gas liefert. Die Brüsseler Behörde untersucht den Fall nun auf ein mögliches wettbewerbswidriges Verhalten des russischen Staatskonzerns. Wie erwartet wiesen der Konzern und der russische Präsident Wladimir Putin die Vorwürfe postwendend zurück.
Lässt Nord Stream 2 Dividenden sprudeln?
Gazprom ist und bleibt ein Politikum. Neben den stark gestiegenen Gaspreisen bringen auch das derzeitige Hin und Her mit der Nord-Stream-2-Pipeline sowie der Ukrainekonflikt das Unternehmen immer wieder in Misskredit. Diese Themen dürften die Finanzmärkte auch noch eine Weile beschäftigen. Durch den hohen politischen Discount ist die Gazprom-Aktie zurzeit jedoch unerhört günstig. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt auf Basis von 2021 bei 3,04.
Fakt ist zudem: Gas wird derzeit als Übergangstechnologie dringenden denn je gebraucht. Die Dynamik, dass fossile Energieträger bei Anlegern immer unbeliebter werden, wird daran auf absehbare Zeit nichts ändern. Schon jetzt ist Gazprom ein Unternehmen, das jährlich über 20 Milliarden Euro verdient. Wie viele Konzern spielen weltweit sonst in dieser Liga? Vielleicht 15?
Sollte wie geplant im Sommer die nordische Pipeline in Betrieb gehen, wird der freie Cash Flow des Staatskonzerns deutlich anwachsen und nicht zuletzt in Dividendenzahlungen fließen. Derzeit gehen Analysten für 2021 im Konsens von einer Dividendenrendite von 14,8 Prozent aus; für das laufende Jahr sollen es sogar 16,7 Prozent werden. DAX-Investoren können von solchen Zahlen nur träumen.
Und was das Sorgenthema Ukraine angeht: Natürlich kann man nur hoffen, dass der Konflikt nicht eskaliert. Investoren sollte jedoch hoffentlich klar sein, dass sie im unwahrscheinlichen Kriegsfall nicht nur russische Aktien sofort verkaufen sollten.
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