Unser heutiger Interviewpartner ist der Gründer & Vorstand der Enapter AG Sebastian-Justus Schmidt. Die Gesellschaft entwickelt kompakte und skalierbare AEM-Elektrolyseure.
Herr Schmidt, es freut mich sehr, dass wir heute zusammengekommen sind. Stellen Sie uns zu Beginn bitte kurz das Geschäftsmodell der Enapter AG vor.
S-J. Schmidt: Die Enapter AG entwickelt und produziert kompakte und skalierbare AEM-Elektrolyseure. AEM deshalb, weil eine Anionen-Austausch-Membran das Herz der Elektrolyseure darstellt, mit der aus nachhaltigen Energiequellen grüner Wasserstoff hergestellt werden kann. Unsere Elektrolyseure haben ein standardisiertes, modulares Design und können je nach Bedarf problemlos mit anderen Modulen zu großen Einheiten zusammengeschaltet werden.
Dabei setzen wir auf eine Plattform-Strategie und auf eine massive Kostenreduktion durch Massenfertigung, die wir schrittweise bis Ende 2024 umsetzen werden. Insgesamt wollen wir Elektrolyseure zu einer Massenware („Commodity“) machen. Daher setzen wir auch auf Vereinfachung und Standardisierung. Das Ziel ist, am Ende Wasserstoff günstiger erzeugen zu können als Fossil Fuel. Dies wollen wir in mehreren Schritten in den nächsten Jahren erreichen.
Wo kommen die Enapter-Produkte zum Einsatz?
S-J. Schmidt: Wir liefern den Generator, unsere Kunden sind Systemintegratoren und machen dann ganze Lösungen daraus. Die Anwendungsmöglichkeiten für unsere Elektrolyseure sind daher genauso vielfältig wie die Geschäfts- und Nutzungsmodelle unserer Kunden weltweit. Der Energieverbrauch der Mobilität allein (Schiffe, Flugzeuge, Transport etc.) beträgt nur ca. 30 % von der Gesamtenergie.
So haben wir auch Kunden die Drohnen befüllen oder Kleinflugzeuge (ZeroAvia) betanken. Wir haben auch Produzenten von kleineren Betankungsanlagen, so z. B. den Supersportwagenhersteller Hyperion. Allerdings: Viele Kunden haben wir derzeit in dem Segment der Energieversorgung. Da gibt es spezialisierte Hersteller für Haussysteme, z. B. die in Berlin ansässige HPS, die ein Superprodukt für deutsche Haushalte baut und unser System als eine Komponente verwendet. Was jedoch wirklich interessant ist, ist das viele, komplett neue Anwendungen und Produkte mit günstigem, grünem Wasserstoff entstehen können. Einer unserer Kunden z. B. produziert Proteine, also Lebensmittel aus dem Labor.
Vielen Dank für diesen Einblick. Mit dem neuen Enapter Elektrolyseur haben Sie nun auch die Megawatt-Klasse in der Wasserstoffproduktion erschlossen. Erläutern Sie bitte die Vorteile dieser Technologie.
S-J. Schmidt: Der im April angekündigte AEM Multicore erschließt die Megawatt-Klasse in der Wasserstoffproduktion für uns und unsere Kunden. Erst am 6. Juli haben wir vom Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Förderbescheid im Bereich „Ideenwettbewerb Wasserstoffrepublik Deutschland – Leitprojekte zu grünem Wasserstoff“ – über 5,6 Mio. Euro enthalten.
Diese Unterstützung zeigt, dass unsere Plattform-Strategie auch auf breiter Basis verstanden wird. Wir sind aufgrund des guten Zuspruchs sicher, dass die ersten Elektrolyseure dieser Megawatt-Klasse bis Ende 2024 auf den Markt kommen. Beim Multicore kombiniert Enapter 440 in Masse gefertigte Kernmodule, die AEM Stacks, zu einem komplett redundanten Gesamtsystem. Die in Reihe geschalteten Module können rund 450 Kilogramm Wasserstoff pro Tag produzieren. Das entspricht dem Energieäquivalent von 9,5 Barrel Rohöl (rund 1.500 Liter).
Können Sie bitte genauer auf die Technologie eingehen?
S-J. Schmidt: Sehr gerne Herr Möbus. Die ganze Skalierungs-Technologie muss man sich ähnlich der heutigen Technik im Rechenzentrum vorstellen. Frühere Großrechner von Herstellern wie IBM, Siemens etc. sind wie die Dinosaurier ausgestorben. Heute übernehmen kleine, PC-ähnliche Rechner, massenhaft in Reihe geschaltet, die Rechenleistung, die hinter Google, Amazon und Facebook steht. Wir nutzen das gleiche Prinzip. Unser Multicore ist also eine echte Alternative zu traditionellen Elektrolyseuren in der Megawatt-Klasse: wir sind kosteneffizient, wartungsarm und flexibel einsetzbar. Der AEM-Multicore wird langfristig dazu führen, die Kosten für grünen Wasserstoff weiter rapide zu senken.
Wie Sie bereits kurz erwähnt hatten, haben Sie nun eine Förderung vom Bund sowie dem Land NRW erhalten. Wie sollen die geplanten Fördermittel eingesetzt werden?
S-J. Schmidt: Wir haben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Förderbescheid über 5,6 Mio. Euro erhalten. Zudem werden wir vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung & Energie des Landes NRW mit rund 9,3 Mio. Euro gefördert. Wir wollen mit den Fördermitteln zum einen die Entwicklung des Multicore beschleunigen und zum anderen, wie schon erwähnt, unsere Produktionskapazitäten signifikant steigern. Dafür werden neue Maschinen benötigt, die die Produktion der Elektrolyseure in Zukunft automatisieren und die fertigen Module prüfen. Die zufließenden Mittel wollen wir für unsere Automatisierungspläne verwenden. Mit dem Ausbau der Produktionsmaschinen eröffnen wir völlig neue Möglichkeiten der kostengünstigen AEM-Elektrolyseur-Fertigung.
Aktuell produzieren Sie Ihre Elektrolyseure noch in Italien. In Saerbeck in NRW entsteht derzeit der „Enapter Campus“, an dem dann die Massenproduktion der Elektrolyseure vorgesehen ist. Läuft hier alles nach Plan? Wie ist der aktuelle Stand?
S-J. Schmidt: Die Entwicklung unseres Enapter Campus liegt voll im Rahmen unserer Planungen. Wir haben in der Klimakommune Saerbeck in NRW die optimalen Bedingungen gefunden. Hier können wir unsere Produktion vollständig mit erneuerbaren Energien aus den Saerbecker Solar-, Wind- und Biomasseanlagen in Verbindung mit eigenen Solaranlagen und Wasserstoffspeichern betreiben.
Das Ziel ist es, unsere Elektrolyseure zu 100 % mit vor Ort gewonnenem, grünem Strom zu bauen und später auch vollständig zu recyceln. Im Februar 2021 haben wir in Saerbeck unser erstes Büro eröffnet. Der Baubeginn auf dem Gelände ist für Herbst 2021 vorgesehen. Der Campus wird Produktions- und Logistikhallen für die Massenproduktion unserer Elektrolyseure beinhalten sowie Forschungs- und Veranstaltungszentren. Ende 2024 sollen die ersten Produktionsanlagen in Betrieb genommen werden. Jährlich wollen wir mehr als 100.000 AEM Elektrolyseure im Jahr in Saerbeck fertigen. Insgesamt sollen bis zu 300 neue Arbeitsplätze in Saerbeck entstehen.
Zum Abschluss habe ich nun noch eine Frage an Sie, Herr Schmidt: Wer oder was hat Sie in der Pandemie besonders beeindruckt?
S-J. Schmidt: Die Pandemie ist eine historische Zäsur. Sie hat aber auch gezeigt, dass man mit vereintem Willen neues Wissen schaffen und sehr kurzfristig zur Anwendung bringen kann. Die Entwicklung funktionierender Impfstoffe in weniger als einem Jahr war noch vor wenigen Jahren als unmöglich gehalten worden. Diese Leistung bestärkt mich in dem Glauben, dass wir gemeinsam den Klimawandel vielleicht doch noch aufhalten können. Wenn wir es alle gemeinsam wollen.
Vielen Dank für das angenehme Interview, Herr Schmidt! Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeitern weiterhin viel Erfolg in der Zukunft.